Das neue Jahr beginnt mit einem Paokenschlag in der Hafenstadt Thessaloniki! Ein ziemlich schlechtes aber passendes Wortspiel, um die Geschehnisse rund um den ersten Derbysieg seit zehn Jahren von Aris über ebendieses Paok einzuleiten.

Die zweitgrösste Stadt Griechenlands, gelegen in der nördlichen Region Makedonien, sorgt dank Sonnenschein und milden Temperaturen für die ersten grossen Glücksgefühle im neuen Jahrzehnt. Im Gegensatz zu meinem letzten Besuch vor zwei Jahren, blieb dieses Mal mehr Zeit, um die Stadt zu begutachten. Beachtung hat die wichtigste Hafenstadt im ganzen Balkan nicht nur wegen dem Wahrzeichen der Stadt, dem weissen Turm redlich verdient, sondern auch der vielen byzantinischen Kirchen und Stadtmauern wegen, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Sei es in der höher gelegenen Altstadt, an der Uferpromenade oder in schmucken kleinen Restaurants; in Thessaloniki lässt es sich bereits im Januar ausgezeichnet leben.

Zumal die Stadt auch drei historische Fussballvereine beherbergt. Der älteste aus diesem Trio ist der von Schulden geplagte Iraklis FC. Dem namensgebenden Heros Herakles, besser bekannt unter dem Namen Herkules, steht in der griechischen Mythologie Kriegsgott Ares gegenüber. Diese Tatsache machten sich 1914 einige junge Freunde zunutze und krönten jenen Antipoden zu ihrem Vereinssymbol, gepaart mit den Farben aus der Flagge der orthodoxen Kirche. Der dritte im Bunde ist mit Paok der Verein, der zwölf Jahre später von aus Konstantinopel (heute Istanbul) geflüchteten und vertriebenen Griechen gegründet wurde. Seit jeher besteht durch die unterschiedliche Historie eine grosse Rivalität zwischen Aris, dem vorletztjährigen Aufsteiger und dem amtierenden Meister Paok, der seit der Einführung der obersten Spielklasse noch nie aus dieser abgestiegen ist.

So verwundert es nicht, dass das heutige Derby mit 16‘249 Zuschauern sehr gut besucht war und schon weit vor Anpfiff die ersten Gesänge der „Super 3“, wie die Anhängerschaft von Gelb-Schwarz genannt werden, durch das Rund hallten. Der Anblick, welcher sich schliesslich zum Einlauf bot, lässt sich am besten mit einer Taschenlampe beschreiben, die in einen Schwarm von Fledermäusen leuchtet und der zuerst nur kleine rote Punkte entgegenfunkeln, ehe in diesem Falle hunderte Fackeln und Feuerwerksraketen über einem hereinbrechen. Ein Inferno aus funkensprühender Pyrotechnik, wie ich es bisher noch gar nie gesehen habe.

Als mit zehnminütiger Verspätung angepfiffen wurde, war ich bereits zufrieden mit dem Gesehenen. Umso erfreuter nahm ich zur Kenntnis, dass sich entgegen des Trends, dass sich Mannschaften in wichtigen Duellen im Mittelfeld neutralisieren, ein hochattraktives Spiel entwickelte. Leader Paok hatte anfänglich deutlich mehr Ballbesitz, ging früh in Führung und drückte auf den zweiten Treffer. Eine Antwort darauf gab es einzig von den Rängen, wo zahlreiches Material der aus Fankreisen der Gäste angezündet wurde. Die Provokation blieb wirkungslos, zumal in Griechenland bei Risikospielen Gästefans seit Jahren dem Stadion fernbleiben müssen. Die Aktion brachte aber wortwörtlich das Feuer in die Reihen der Heimakteure zurück, die sich aufrafften und zum Ausgleich kamen. Ja, es kam gar noch besser für Aris! Kurz vor dem Pausenpfiff sorgte ein wuchtiger Kopfball für die Führung für die Gastgeber und für ein Delirium auf den Rängen.

Aris behauptete sich nach dem Seitenwechsel und wurde von der Kurve regelrecht in Richtung gegnerisches Tor getragen. Unter diesen Umständen überraschten der dritte und der vermeintlich gar vierte Treffer aus einer Abseitsposition nicht. Aris hatte nun alles im Griff und kürte den starken Auftritt doch noch mit einem vierten Treffer sowie einer weiteren grossen Pyroshow. Der ersten Saisonniederlage von Paok war, ausgerechnet beim Erzrivalen, trotz dem späten 4:2-Anschlusstreffer besiegelt. Während die Paok-Akteure sofort in den Katakomben verschwanden, feierten die Heimfans mit ihren Freunden aus der Partnerstadt Plovdiv, den Green Angels aus St. Etienne, Vertretern von The Unity aus Dortmund und Fans der Boca Juniors gemeinsam lautstark den Sieg und ihre Farben. Definitiv ein Spielbesuch, der es in die persönliche „Top 5“ schafft.

Die „Fans“ von Paok revanchierten sich am Tag darauf für die Niederlage, als sie drei eigens für das Heimspiel ihrer Freunde angereiste Botev-Fans angegriffen. Dabei wurde ein Bulgare beim Fluchtversuch von einem Auto totgefahren, während die anderen beiden mit Stichverletzungen im Spital landeten. Die schrecklich traurige Kehrseite der Medaille eines stimmungsvollen und hasserfüllten Stadtderbys.