Als ich am zweiten Junitag dieses Jahres den Heimsieg von Pisa im Playoff-Halbfinal gegen Arezzo im Stadion des damaligen Drittligisten mitbekam und die Blau-Schwarzen nach dem Sieg in Trieste schliesslich den Aufstieg fixierten, schwor ich mir das Derby del Tirreno gegen den Verein aus der Hafenstadt Livorno zu besuchen.

Unter Italien-Kennern gehört das Duell zwischen den Lokalrivalen spätestens seit Josef Grubers Erzählungen in „Ultras Italien“ fantechnisch zu den besten des Landes. Idealerweise liess sich das Spiel am Samstag mit dem Aufeinandertreffen von Modena und Reggio Emilia am Sonntag verbinden, sodass ich mit Lukas und Kumpane Heeb zwei Begleiter fand, die bereits im März beim letzten Ausflug in die Toskana mit von der Partie waren.

Livorno zieht als Gründungsort der kommunistischen Partei Italiens entsprechend linksgeprägtes Publikum an, dem es von Fanseiten oftmals Hass und vom Fiskus zahlreiche Stadionverbote entgegenschlägt. So ist auch die Brigate Autonome Livornesi, ihrerseits eine der berühmtesten Ultra-Gruppierungen des Landes, von der Bildfläche verschwunden. Von ihrem Bestehen, dass sich 2019 zum zwanzigsten Male jährt, zeugen nur noch Schmierereien in der Altstadt. Obwohl offiziell nie aufgelöst, gilt die BAL seit Jahren als inaktiv und wird wohl nie wieder in die Kurve zurückkehren. Schluss mit dem Wehmut und hin zu einer freudigen Nachricht, welche die Pisani betrifft. So durften 1‘440 Gästefans ohne Einschränkung nach Livorno reisen und die zur Verfügung gestellte Hintertorseite mit ihrem ästhetischen Material bestücken.

Ihre Gesänge waren von der Haupttribüne im Stadio Armando Picchi anfänglich trotz schlechter Akustik lautstark zu vernehmen, liessen mit dem Spielverlauf allerdings immer mehr nach. Optisches Highlight stellte die dreiteilige Choreografie mit den für Pisa typischen Stoffbahnen dar.

Auf der Heimseite war ebenfalls eine Choreografie geplant, allerdings blieb ein Teil des Materials an den Eingangskontrollen hängen. So wurde das grosse Spruchband vor der Kurve wutentbrannt heruntergerissen und die Fähnchen im Innenraum entsorgt. Eine Reaktion, die ich unter Berücksichtigung der besonderen Umständen nachvollziehen kann. Besonders bitter ist die Tatsache, dass die aktive Fanszene, die von Freunden aus Athen und Marseille unterstützt wurde, zum Zeitpunkt des Siegtores aus Protest nicht im Block weilte. Der Jubel war dennoch gross, zumal Livorno nach miserablem Saisonstart gegen den Aufsteiger die Aussenseiterrolle innehatte. Der Tabellenletzte spielte allerdings nicht wie ein solcher und gewann verdient mit 1:0 und auch die Spielstätte war mit 10‘664 Zuschauern besser gefüllt als erwartet.

Mit Ostschweizer Gleichgesinnten, die man tagsüber bereits in der wenig berauschenden Innenstadt getroffen hatte, wurde der Tag in einer Bar schliesslich für beendet erklärt. Wer die italienische Sprache beherrscht, findet hier alternativ einen interessanten Bericht zu den Geschehnissen an diesem Derbytag in der Toskana.