Das Stadion von Charlton Athletic gehört meiner Meinung nach auf das Podest, wenn man die Stadien Londons nach ihrer Sehenswürdigkeit bewertet. Umso überraschender ist die Tatsache, dass ich „The Valley“ als letzten der Londoner Grounds aus der Premier League und Championship besuche. Der Grund dafür ist aber schnell gefunden: Um die beste Aussicht zu geniessen, wollte ich ein Spiel hier unbedingt aus dem Gästeblock mitverfolgen. Da kommt das Gastspiel der Blues in der Hauptstadt wie gerufen. Nach Birmingham bestehen seit einiger Zeit Kontakte, sodass mir Paul mit einem Anflug von Pathos eine der 3’100 begehrten Karten für die Hintertorseite ergatterte. Somit war klar, dass die Anhängerschaft aus Birmingham das ganze Kontingent ausschöpfen wird und damit einem gelungenen „Away Day“, wie die Herren von der Insel zu sagen pflegen, nichts mehr im Weg stand.

Während sich die Crew rund um Paul und seinem Bruder Phil über eine verhältnismässig kurze Anreise freuen durfte, begann bei mir der Tag deutlich früher. Per Zug und Flugzeug reiste ich ins Vereinigte Köngreich wo ich an der Station London Bridge endlich meine blau-weisse Kameradschaft begrüssen durfte. Die Zeiger meiner Uhr zeigten mittlerweile senkrecht in die Höhe, sodass noch genau drei Stunden bis zum Anpfiff verblieben. Wie in England üblich sammeln sich in solchen Fällen die Fans in den Pubs in Stadionnähe. So auch heute, wo sich Birmingham bereits zwei Pubs mit den klangvollen Namen „Rose of Denmark“ und „The Antigallican“ reservierte. Letzteres war auch Ziel unserer Reisegruppe und der Pub-Namen bewog Phil dazu, einen schlechten Spruch über meinen Herzensverein zu reissen.

Auf den vielen Bildschirmen lief zur Unterhaltung aller die Partie vom Erzrivalen Aston Villa. Unter anderen Umständen wären ob dieser Tatsache wohl Gläser geflogen, doch die momentane Situation verspricht äusserst viel Unterhaltung und bereits in der Folgewoche sollte der Abstieg von Villa besiegelt sein. Dann geht es ab zum Derby! Auch heute unterlag der Erzrivale der Blues zuhause gegen Chelsea klar und im Pub wurde mit Gesängen wie „Randy Lerner is a Blue is a Blue, Randy Lerner is a Blue, he hates Villa“ gefeiert. Ja, da hat der Eigentümer den Stadtrivalen schon ziemlich an die Wand geritten.

So machten sich die Birmingham-Fans gut gelaunt auf in Richtung Gästeblock, der nach einer kurzen aber strikten Eingangskontrolle betreten wurde. Ähnlich wie beim Erzrivalen von Birmingham präsentiert sich die Gemütslage beim Anhang der Addicks von Charlton, der zu Beginn für einem Spielunterbruch sorgte, als alle drei Tribünen gemeinsam Papierflieger mit Botschaften gegen Clubbesitzer Roland Duchâtelet auf das Spielfeld warfen. Dem belgischen Investor gehören unter anderem auch der FC Carl Zeiss Jena sowie der spanische Zweitligist AD Alcorcón. In beiden Fanlagern ist er in ähnlich beliebt wie hier nahe des Nullmeridians von Greenwich.

So gibt es durch die Unterbrüche elf Minuten Nachspielzeit, in der auch der Treffer zum 2:1 für Charlton gelingt und Birmingham damit ohne Punkte nach Hause fährt. Erinnert mich stark an den Verein aus der Heimat. Die Niederlage ist nach der Führung umso ärgerlicher und die Blues hatten das Spiel vor 15’742 Zuschauer über grosse Strecken eigentlich im Griff. Betrübt begaben wir uns zurück zum kleinen Bahnhof und nach einer knappen halben Stunde fuhr der Zug in Richtung Innenstadt ab. Für die Kollegen stand der Heimweg nach Birmingham an, während ich mich an die Oxford Street trollte, ehe ich am späten Abend den Bus in Richtung Flughafen bestieg. Keep Right On Birmingham Boys!