Ein Freitagabendtermin in der Sonnenstube der Schweiz ward auf Nachfrage meines Nachbars Marty schnell zu einer kleinen Tour ausgebaut, die uns bereits am Mittwochmorgen ins Tessin führte.

Das Ziel war es, neben der Übernachtung in Brissago, Zeit für die Natur zu finden. Je weiter südlich uns die Strasse führte, desto besser präsentierte sich das Wetter und als ich nach vier Stunden das Auto am hinteren Ende des Verzascatals in eine Parklücke lenkte, strahlte die Sonne und der blaue Himmel sorgte für erheiterte Gemüter. Mittlerweile stellen der Fluss und sein Ufer, das durch das Wasser eine einmalige Form verliehen bekommt, keinen Geheimtipp mehr dar. Gefallen hat es mir trotzdem, zumal der Anblick des klaren, smaragdgrünen Wassers, der geschwungenen Steinbrücke und den Rustici-Häuser an sorgenfreie Momente aus der Kindheit erinnerte.

Als wir am Nachmittag das Gepäck im Zimmer mit Sicht auf den Lago Maggiore verstaut hatten, stand die letzte Tagesetappe bis zum Austragungsort vor der italienischen Grenze an. Der zähe Verkehr und ein Stau liessen das Zeitpolster arg schrumpfen, sodass wir direkt auf den Stadionparkplatz fuhren. Hier war alles besetzt, doch ein Polizist wies mich an, neben dem Eingang zu parkieren. Dazu liess ich mich nicht zweimal bitten, zumal mein Parkplatz vom exekutiven Staatsorgan höchstpersönlich abgesegnet wurde. Zwei Schritte später standen wir im Stadion, das lediglich den typischen Zusatz „Campo comunale“ trägt. Die Pizza lag im Steinofen bereit, die Fledermäuse kreisten über dem Spielfeld und die Fangruppierungen hingen ihre Zaunfahnen auf. Da ist es wieder, dieses einmalige Gefühl bei einem Spiel unter Flutlicht. Die Tatsache, dass es sich um das Derby und den Spitzenkampf handelte, steigerte die Vorfreude nochmals. Während sich der ehemals insolvente Erstligist aus Bellinzona der Rückkehr ins Oberhaus fest verschrieben hat, zeigt auch der heutige Gastgeber Interesse am Aufstieg in die dritthöchste Spielklasse. Diverse Ex-Profis in den Reihen beider Mannschaften stützen diese Theorie.

Mit Verpflegung bewaffnet, setzten wir uns auf die Stufen der unüberdachten Gegengerade, wo die Heim-Tifosi beheimatet sind. Diese unterstützen ihre Spieler hinter einigen Zaunfahnen, darunter jene mit der Aufschrift „Fattanza“. Dies steht in die deutschen Sprache für das Gefühl des Dauerrauschs. Neben einem Spruchband gegen Repressionen entdeckte ich eine andere Fahne mit dem Black-Power-Salute, dem Protestzeichen der Olympischen Spiele 1968. Weitere bekannte Symbole lassen diese Anhängerschaft eindeutig dem linken Metier zuzuordnen. Etwas überraschend gab es zum Einlauf der Spieler eine kleine Pyroshow zu bestaunen. Für den Wochentermin in beachtlicher Zahl angereist waren die Gäste aus der Kantonshauptstadt Bellinzona, die oberkörperfrei ihre Lieblinge unterstützten. Beim genaueren Hinsehen entdeckte ich neben den üblichen Stofffetzen ein Exemplar der „M-Block Fanatics“. Eine kurze Recherche zeigt, dass es sich hierbei um die Fans des luxemburgischen Nationalteams handelt. Fanfreundschaften waren in meinen Augen stets eine Sache für sich, solche Auswüchse habe ich allerdings noch nie erlebt.

Das folgende Duell präsentierte sich im mit 800 Zuschauern gut gefüllten Stadion lange Zeit ausgeglichen, ehe die Granata kurz vor der Pause sehenswert zur Führung traf. in der zweiten Hälfte machte die AC Bellinzona mit ihrer Abgeklärtheit den Unterschied aus. Während Mendrisio mehrmals im Abschluss sündigte, wusste der Gast eine seiner Torchancen zum viel umjubelten 0:2 auszunutzen. Es gibt sie also doch, die stimmungsvollen Amateurderbys in der Schweiz!