Das fussballerische Sommermärchen mit einer gehörigen Portion an sinnlosen Testspielen und einer Weltmeisterschaft, die in punkto Theatralik, Maradona und in meiner Heimat besonders bezüglich der Doppelbürger-Affäre polarisierte, ist ein weiteres Mal überstanden. Kaum vorbei sorgte ein Wechsel von der iberischen Halbinsel nach Norditalien sowie die erste Weltmeisterschaft im Winter für weitere Polemik. Schwierige Tage für einen Gralshüter des traditionellen Fussballs, wie ich ihn zu sein versuche. Zum Thema WM möchte ich Interessenten und sonstigen Fussballpuristen den lapidaren Beitrag von Bänz Friedli ans Herz legen. Der Berner Kabarettist fasst treffend zusammen, wie Russland und der gemeinnützige Verein Fifa die Macht und Relevanz des Volkssports missbrauchen.

Zeit für eine Portion wahren Fussball! Diesen bietet, wenn auch auf bescheidenerem Niveau, halbwegs die zweite Qualifikationsrunde der Europa League, für die sich nach fünf Jahren Abstinenz auch der grün-weisse Vertreter aus der Gallusstadt qualifiziert hat. Wohl selten hat ein Stadion ob diesen Umständen derart laut gepfiffen und eine Fankurve derart getobt. Zwar wurde das Saisonziel erreicht, jedoch sorgte der Weg dahin sowie der „Schlussspurt“ der Mannschaft für reine Empörung. Acht Niederlagen in den letzten neun Saisonspielen sowie eine Heimschlappe gegen den designierten Absteiger aus Lausanne zum Saisonabschluss schlugen dem Fass den Boden aus. Zwei Monate später ist diese Misere zwar nicht vergessen, aufgrund Abstinenzerscheinungen zumindest bei mir jedoch weitgehend verziehen. Als gesetzte Mannschaft brachte den Espen die Auslosung den Sieger aus dem Duell zwischen IBV und Sarpsborg. Weder der isländische Vertreter noch die zu favorisierenden Norweger gelten als fan- oder reisetechnische Traumlose, liegen sportlich aber definitiv in Reichweite. Mit dem Verein aus Rijeka würde dann in der dritten Runde ein erster richtiger Härtetest auf Rang und Rasen bereitstehen.

Und während im hohen Norden der Gegner ausgespielt wurde, zeigten sich in der Ostschweiz bereits erste Früchte der neuen Vereinsführung. Der Strategiewechsel beinhaltet unter anderem, dass die Vorbereitung in der Region absolviert und der Kader mächtig durchgewirbelt wurde. Lediglich die Installation eines zweiten Assistenztrainers, der breite Kader sowie diverse Leihgeschäfte widersprechen etwas der kommunizierten Strategie. Der traumhafte Saisonauftakt mit dem Last-Minute-Auswärtssieg in Basel liess diese Kritikpunkte aber schnell vergessen machen. Und da war er auch schon: der erste Donnerstag seit fünf Jahren, an dem wieder europäischer Fussball in der schnöden Arena an der Autobahn gespielt wurde.

Kennt ihr die Szene, als Yaya Touré während dem Auswärtsspiel bei den Queens Park Rangers knapp verzieht und der harte Schuss stattdessen mitten im Gesicht eines kleinen Mädchens landet? Ziemlich genau so fühlte ich mich, als die Norweger nach nur vier Minuten und einer Notbremse per Freistoss in Führung gingen. Sechsundachtzig (!) lange Minuten Unterzahl sollten folgen. Doch der FCSG wusste auf den Fehlstart zu reagieren und kehrte das Hinspiel dank einer kämpferischen Leistung und einem elektrisierenden Anhang trotz enttäuschenden 6’335 Zuschauern zu einem 2:1.

Hätte der älteste Fussballclub Kontinentaleuropas gegen den norwegischen Fusionsverein in der Folgewoche auswärts nicht kläglich mit 1:0 verloren und schied damit aus; die Berichterstattung würde hier und jetzt nicht so abrupt enden. Aber über besonders bittere Niederlagen zu berichten, liegt mir einfach nicht. Kaum angefangen ist dieses verpasste Abenteuer auch schon wieder vorbei. Richtig einordnen kann ich das Ganze so kurze Zeit später immer noch nicht. Es bleibt einzig zu hoffen, dass dieser lauen, europäischen Sommernacht nicht wiederum ein halbes Jahrzehnt nachgetrauert werden muss.