Juventinische Wochen bei Andrin unterwegs. Nach dem Auswärtsspiel der „Alten Dame“ am letzten Wochenende in Genua folgt der Besuch beim Heimspiel gegen Atalanta Bergamo. Ein weiterer Höhepunkt hätte das Stadtderby am nächsten Sonntag dargestellt, das ich aber mangels motivierter Mitfahrer und zu umständlicher Anreise schliesslich fallen liess. Aber was spreche ich hier bereits von einem zweiten Besuch im Piemont, wenn der erste unmittelbar vor einem liegt?

Da ich im Oktober im Kampf um den kleinen Restposten an Eintrittskarten für das Spiel gegen Napoli leer ausgegangen war, warf ich dieses Mal bereits frühzeitig ein Auge auf den Vorverkaufstermin. Doch wie eigentlich immer bei wichtigen Käufen, zeigte sich auch dieses Mal das Ticketportal „Listicket“ von seiner schlechten Seite und erst beim gefühlt zehnten Versuch klappte die Bestellung von zwei Karten. Die Plätze neben dem Auswärtsblock klingen zunächst unglücklich, da ich aber sowieso Atalanta die Daumen drücke, gilt es diesen Eindruck zu relativieren.

Und da Atalanta die letzten neun Spiele allesamt in beeindruckender Manier für sich entschieden und ich in der Vorwoche Zeuge einer Niederlage von Juventus wurde, wagte ich es, eine gewisse Summe in einer Kombi-Wette unter anderem auf Atalanta zu setzen. Mit dem allfälligen Gewinn hätte ich gut und gerne eine weiteren Ausflug ins Piemont finanzieren können. Leider scheiterte das Unterfangen an ebendieser Partie.

Aber der Reihe nach: Per Bus machte ich mich mit meiner Freundin nach getaner Arbeit auf in Richtung München, was laut Busliniensuche mit einem Umstieg die einfachste Route nach Turin war. Später musste ich dann aber erkennen, dass der entsprechende Fernbus am späten Abend auch in Chur einen Zwischenhalt hatte und wir uns so den Umweg über Deutschland hätten sparen können. So blieb in München immerhin genug Zeit für ein gemeinsames Nachtessen, ehe wir die Stunden bis zur Ankunft am frühen Morgen so gut wie möglich schlafend verbrachten. Die Bushaltestelle in Turin befindet sich etwas ausserhalb vom Zentrum und bei diesem tristen Wetter zeigte sich die Stadt noch weniger einladend als sonst, sodass wir erst einmal etwas Schlaf im Hotel nachholten.

Durch die späte Anspielzeit blieb genügend Zeit, um im Anschluss Turin zu erkunden. Mit gut 900‘000 Einwohner ist die Stadt die viertgrösste Italiens. Am Fluss Po liegend, ist die ehemalige Hauptstadt zudem Sitz des bekannten Autoherstellers Fiat. Weitere Sehenswürdigkeiten wie etwa das nationale Kinomuseum mit seinem imposanten Turm sowie die beiden Plätzen Piazza Castello und Piazza San Carlo, besuchten wir natürlich ebenfalls. Wie bei unseren südlichen Nachbarn üblich, wusste auch die italienische Küche vollends zu überzeugen.

Gegen Abend hin setzten wir uns mangels Alternativen für den Weg zum Stadion in ein Taxi, da die Spielstätte ungünstig am Stadtrand liegt. Ebenfalls kein Novum stellen die fehlenden Transportmöglichkeiten für den Rückweg nach Spielschluss dar. Schon erschreckend, befindet man sich hier immerhin beim Krösus eines Fussballlandes zu Besuch. Dekadent und fern von traditionellem Fussball wie ich bin, kaufte ich im integrierten Einkaufszentrum vorab noch Sushi und schmuggelte diese an den Eingangskontrollen vorbei ins Stadioninnere.

Die erste Frage, die ich mir nach dem Betreten eines Stadion in Italien beantworten lassen, ist die, ob Gästefans anreisen durften. Am heutigen Abend lautete die Antwort eindeutigen «Ja». Die Fans von Atalanta füllten gar Ober- und Unterrang bis auf den letzten Platz. Neben einem stimmlich guten Auftritt gedachten sie zu Spielbeginn zudem mit einer kleinen Blockfahne den Opfern des Flugzeugabsturzes von Chapecoense. Auch reichlich Pöbeleien lieferten sich die Gäste mit der Heimseite, wobei sich bei mir in diesem Zusammenhang vor allem ein kleiner Atalanta-Fan in den Sympathiebereich spielte, als er immer wieder – von vulgären Gesten unterstrichen – einen Zettel mit der Aufschrift «Juve Merda» an die Plexiglaswand des Gästeblocks hielt. Auch von Seiten der Juventini wurde mit Provokationen nicht gegeizt.

Die Heimseite rund um die Gruppierungen Drughi (russisch für Freunde) und Viking hinterless neben einem gelungenen Zebrafahnen-Intro kaum bleibenden Eindruck. Da ich von einem Kollegen bereits vorgewarnt wurde, hielt sich die Enttäuschung über den mauen Support in Grenzen. Trotzdem etwas dürftig für die Anhängerschaft des 32-fachen italienischen Meisters.

Für den Lichtblick an diesem kalten Dezemberabend sorgte nicht etwa Schweizer Nationalspieler und Juventus-Verteidiger Stephan Lichtsteiner, sondern Remo Freuler im Dienste von Atalanta Bergamo, der Gianluigi Buffon in der Schlussphase zum 3:1-Ehrentreffer bezwingen konnte. Ansonsten musste Atalanta zumindest in der ersten Halbzeit einiges an Lehrgeld bezahlen. Die eindrückliche Serie von Atalanta reisst damit an diesem Abend vor 39’110 Zuschauern. Und trotzdem: Atalanta per sempre!