Den Bericht zum Hauptgrund der Reise nach Rom möchte ich mit einem Ausdruck beginnen, den ich vor wenigen Wochen im St. Galler Fanlokal aufschnappte. Die Floskel „früher war alles besser“ ist bekannt, sie tut als junger Fussballfan allerdings besonders weh, wenn man sie von jemanden zu hören bekommt, der den italienischen Calcio noch zu seinen besten Zeiten miterlebt hat.

Natürlich wich ich dennoch nicht von meinem Plan ab, im dritten Versuch endlich das Römer Olympiastadion abzuhaken. Die Tickets gab es wie gewohnt über die Plattform Listicket zu kaufen. Für Nicht-Tesserati war einzig die Haupttribüne zum wucherhaften Einheitspreis von neunzig Euro vorgesehen. Diese Tickets vorsichtig in der Jackentasche verstaut, ging es für Cédric und mich frühzeitig zu Fuss von der Unterkunft im Quartier Flaminio in Richtung Stadion. Vor den Toren traffen wir auf die ebenfalls anwesenden St. Galler mit ihrer Begleitung und haute sich die Anekdoten, die dieses Duell schon geliefert hat, bei einem Bier um die Ohren. Da weder Cédric noch ihre ihre Affinität zu Lazio teilten, betraten wir später die Haupttribüne der Austragungsstätte der Olympischen Sommerspiele 1960.

Die Anhängerschaft Lazios hat in der Stadt selbst wenig zu melden und so ist es üblich, dass Derbys mit Heimrecht der Laziali schlechter besucht sind. Je nach Gastgeber hat das Gegenüber nämlich nur Anrecht auf Karten in der jeweiligen Fankurve. Das trotz dem erweiterten Spitzenkampf „nur“ 55’000 Zuschauer den Weg in den Nordwesten der Stadt gefunden haben, könnte am Scheitern Lazios in der Europa League liegen. Denn während die AS Roma in der Königsklasse sensationell Barcelona aus dem Wettbewerb kegelte, scheiterte Lazio kläglich an der Brause aus Salzburg. Trotz der herben Enttäuschung zeigte die Heimkurve beim Einlauf eine gewaltige Choreografie zum Thema „Was aus dem grössten reinen Willen geboren wird, lebt“. Im Anschluss blieb die Lazio-Kurve rund um die Irriducibili (die Unbeugsamen) aber blass. Wären im Block nicht ständig Fahnen geschwungen worden, hätten wir einen Boykott vermutet. Nach der Pause drehten die Fanclubs ihre Banner und erreichten in der zweiten Halbzeit dann immerhin einige Male beachtliche Lautstärken.

Weniger berauschend präsentiert sich das Bild zum Einlauf bei der Roma, die eine kleine Choreografie mit Aushängeschildern der Stadt zeigte und diese Aktion mit Rauch und Böllern garnierte. Während der Partie zeigten die Romanisti, welches Potenzial in der Curva Sud steckt und liessen ihre lauten Gesänge durchs Stadion hallen. Natürlich sei gesagt, dass auch das schwache 0:0 seinen Beitrag zum enttäuschenden Abend leistete. So konnten wir lediglich einen Aluminumtreffer und eine rote Karte auf Seiten Lazios als Highlights im „Derby della Capitale“ vermerken.

Um auf meine Präambel zurückzukommen: Ja, früher war das Römer Derby und Fussball in Italien wohl einiges lebhafter. Das merke ich am nächsten Abend auch auf der Fahrt von Rom nach Caserta, als im Blockwestecho der Ultras Rapid die ersten Auswärtsfahrten zusammen mit Venezia-Mestre beschrieben sind. Und trotzdem packt sie mich immer wieder aufs Neue, diese herrliche (Fussball-)Sehnsucht in den Zügen Mezzogiornos…