Ich bin froh, dass die Europameisterschaft vorbei ist und der Fussball nun wieder denjenigen gehört, die nicht einfach alle zwei Jahre zu Pseudo-Fussballfanatikern avancieren. Die erste Tour der neuen Saison sollte mich gemeinsam mit Nachbar Marty und dem Namensvetter nach Wien und Maribor führen.

Beinahe wäre allerdings bereits der Start grausam in die Hosen gegangen. Als wir am St. Galler Bahnhof auf die Anzeigetafel starrten, mussten wir feststellen, dass unser Zug nach Österreich ausgefallen war und keine Alternative bereitstand. Als letzte Möglichkeit zog ich den Familienjoker und rief meinen Vater an. Dieser tauchte wenig später mit dem Auto am Bahnhof auf und brachte uns nach Feldkirch, wo wir die Verbindung nach Wien gerade noch erwischten.

Persönlich bevorzuge ich für solch stattliche Strecken den Weg durch die Luft, wobei in diesem Fall das Preisargument der Bahn den Zuschlag gab. Mit einer kleinen Finte kommt für diese Strecke nämlich ganz preiswert weg. Der Trick ist es, die Fahrkarten über die tschechische Bahn mit dem Ziel Brno zu kaufen. So fährt der Sparfuchs für wenige Euro von Vorarlberg in die Hauptstadt und nimmt dort einfach den Umstieg nicht wahr, sondern verbleibt in Wien.

Ursprünglich war geplant, erst zum Wochenende hin anzureisen, da das Eröffnungsspiel im neuen Stadion von Rapid Wien gegen Chelsea den Hauptgrund der Reise darstellte. Als sich durch die erste Runde im österreichischen Cup und der zweiten Runde der Europa League einige interessante Kombinationen ergaben, entschied ich mit Nachbar Marty bereits einige Tage früher anzureisen. Für den Donnerstag bescherte mir die Losfee EL-Heimspiele von Austria Wien, Wacker Mödling und Slovan Bratislava. Da sich der Gegner in allen drei Fällen als kleiner Verein herausstellte, schauten wir uns nach Alternativen um. Dabei fiel mir die Partie Maribor – Levski Sofia ins Auge, die auch auf den Rängen Spannung versprach. Eine Busverbindung für Donnerstag von Wien in die slowenische Stadt fanden wir ebenfalls und da auch die Kartenfrage mit einer Onlinebestellung problemlos beseitigt werden konnte, stand dem Vorhaben nichts mehr im Weg.

Am Donnerstag erreichten wir Maribor um die Mittagszeit. Die zweitgrösste Stadt des Landes hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich und war bereits Teil von Österreich, Österreich-Ungarn, Jugoslawien und vom Deutschen Reich. Nachdem wir das Gepäck im nahegelegenen Hotel aufgegeben hatten, folgte ein Spaziergang durch die Altstadt und entlang der Drava. Persönlich faszinierte mich vor allem der Spomenik, der als Denkmal für die im Krieg gefallenen Soldaten an ehemaligen Kriegsschauplätzen errichtet ist. Zwar ist dieses Exemplar nicht so imposant wie einige andere, trotzdem ist es mit seiner abstrakten Art ein Objekt mit Seltenheitswert. Unweit vom Monument hatten sich die Levski-Anhänger eingenistet und stimmten sich auf das abendliche Spiel ein. Zwischen den Sonnenschirmen hingen sie Fahnen mit Reichsadler und Keltenkreuzen und verliehen damit ihrer politischen Gesinnung deutlich Ausdruck.

Vor dem Stadion war bereits früh am Abend viel los und auch wir mischten uns unter die Leute. Ein grosses Polizeigebot und ein Hubschrauber über dem Stadion sprechen für sich. Die vorab gebuchten Tickets tauschten wir in zwei richtige Tickets um, die wir für den Einlass mit (Fantasie-)Namen, Wohnort und Nationalität versehen durften. Von unseren Plätzen auf der Gegentribüne bot sich uns ein perfekter Blick auf den Heim- und Gästebereich, wobei letzterer das imposantere Bild abgab: prall gefüllt und mit massig Ordnungshütern im Nacken. Maribor konnte seine Tribüne leider nicht ganz füllen, auch hier aber zeigte sich ein stattliches Bild. Kurz nach Spielbeginn gab es auf der Heimseite eine Choreografie der «Viole Maribor», die von etwas Pyro untermalt wurde. Die bulgarischen Fans verzichteten auf optische Stilmittel und verliessen sich auf ihre brachialen Stimmen, was bei mir bereits beim Besuch in Sofia vor einem halben Jahr ziemlich Eindruck hinterlassen hatte. Ebenfalls erwähnenswert ist der Ausblick in die Natur sowie der wunderbare Sonnenuntergang zum Pausenpfiff. Das Gezeigte auf dem Rasen war dafür umso dürftiger und so waren ein Lattentreffer auf Seiten Maribors sowie eine Chance in der Schlussminute für Levski die einzigen spielerischen Highlights, welche die beiden Teams den anwesenden 7’345 Zuschauern am heutigen Abend boten.

Ein 0:0 ist immer ärgerlich, heute konnte bei einem Drink in der Innenstadt aber aufgrund des äusserst netten «Rahmenprogramms» getrost darüber hinweggesehen werden.