Bis von Kurzem spielte die Stadt Venedig im italienischen Fussball nur eine unwesentliche Rolle. Durch drei Aufstiege in ebenso wenigen Jahren wird in der Lagune jedoch plötzlich wieder in der Serie B dem Leder hinterhergerannt. Ein beachtlicher Werdegang, wenn man bedenkt, dass mehrere Insolvenzen die jüngste Vergangenheit des Vereins prägten. Dies ist auch die Begründung für die gewöhnungsbedürftigen Clubfarben schwarz, grün und orange. Diese rühren von der Fusion mit dem FC Mestre her und sorgen für den orangen Touch auf den Trikots der Leoni.

Angesiedelt auf der Schwanzflosse der Insel, sofern der Betrachter Venedig wie ich ebenfalls als Fisch sieht, zeigt der Aufsteiger bisher eine äusserst ansprechende Hinrunde. Grund genug, vor dem eigentlichen Hauptspiel in Udine der Hafenstadt (in sportlicher Hinsicht) auf den Zahn zu fühlen. In Zeiten des Klimawandels scheint die Zeit der Siedlung an der Küste bekanntlich sowieso beschränkt zu sein. So liess ich mich über die Nacht auf Samstag hin per Car in Richtung Venetien chauffieren, ehe nach dem obligaten Touristenprogramm Zeit für den Spitzenkampf gegen Leader Empoli bleiben sollte. Hier am Ende der Insel, fernab von Touristen, geht es nicht nur deutlich ruhiger zu und her, nein, auch die weniger malerische Seite der Stadt ist zu sehen. So kreuzt man vielen älteren Menschen den Weg und die Gegend wirkt ärmlich.

Am Eingang des Stadions angekommen, zu welchem übrigens stilecht eine Brücke führt, herrschte bereits reges Treiben. Für mich ging es auf die Gegentribüne, welche heute bei 4’426 Zuschauern gut gefüllt war. An der Seitenlinie der Gastgeber findet sich ein alter Bekannter aus meiner Kindheit. Pippo Inzaghi, der kleine Stürmer mit dem Torriecher und einem stetigen Hang zum Abseits. Neben einer Curva Sud mit einigen lauten Phasen fand sich an diesem Nachmittag auch rund eine Hundertschaft an aktiven Fans rund um die Gruppierung Desperados aus Empoli ein. Für die mit den Ultras Rapid befreundete Heimkurve gab es kurz vor Schluss allen Grund zu jubeln, als in einer chancen- und niveauarmen Partie überraschend doch noch der 1:0 Siegtreffer erzielt werden konnte. Damit schloss der Gastgeber zumindest vorübergehend zum Spitzenreiter aus der Toskana auf.

Nach Spielschluss trat ich erneut zu Fuss den Rückweg an, für den gut eine Stunde Fussmarsch eingeplant werden sollte. Je nach Fotopause sogar etwas mehr – passende Sujets sind hier allemal genügend vorhanden. Schliesslich bestieg ich den Zug nach Udine, wo für die nächsten beiden Tage eine Bleibe reserviert war. Für die zweistündige Fahrt fand ich in einem Fanzine (Achtung Wortspiel) einen kleinen Zeitvertreib. Um den Beitrag im Stile des eben erwähnten Fanzines zu beenden: Wir reisen nicht, um dem Leben zu entfliehen, sondern damit uns das Leben nicht entflieht.