Als ich sah, dass West Ham United über die Weihnachtszeit zuerst an der Stamford Bridge zu Gast sein wird und anschliessend zuhause Arsenal empfängt, wusste ich, was ich an diesem Jahresende machen werde, zumal der Boleyn Ground bald als Spielstätte ausgedient hat.

Für das Spiel Chelsea gegen West Ham an Boxing Day hätte ich lediglich ein Ticket auftreiben können, weshalb wir die Variante Brighton, wo alle zusammen die Partie verfolgen konnten, vorzogen. Beim Heimspiel von West Ham hatte ich dagegen mehr Glück. Eigentlich dachte ich, dass die Tickets für das Derby zuerst in den Vorverkauf für Member kommen und sich schlussendlich ein paar Tausend Fans um die letzten Restkarten streiten. Als ich aber im November wieder einmal den Ticketshop der Hammers besuchte, merkte ich, dass Tickets für das Spiel gegen Arsenal bereits im Verkauf waren. Die Karten waren in Windeseile vergriffen, ich schaffte es aber, zwei für den Oberrang der Heimkurve zu erwerben. Von einem Schnäppchen kann mit 65 Pfund pro Ticket aber nicht die Rede sein.

Da wir zu viert in London waren, begann die Qual der Wahl, wer mich an die Partie begleiten durfte. Andreas fiel weg, da er sich nicht sonderlich für Fussball interessierte und freiwillig auf einen Besuch verzichtete und schliesslich erklärte sich auch Marty dazu bereit, meinem Namensvetter und mir den Vortritt zu gewähren. Vielen Dank nochmals für die Kompromissbereitschaft! So ging es am Spieltag früh in Richtung Upton Park – mit grosser Vorfreude auf das spielerische Highlight der Tour.

Ein Tipp für alle, die vorhaben, eines der letzten Spiele im alten Stadion von West Ham zu sehen: Aussteigen müsst ihr nicht an der Station West Ham, sondern zwei Haltestellen später beim Upton Park. Auch wir stiegen hier aus der mittlerweile vollen Tube und hinaus auf die berühmte Green Street, von wo aus der schnellste Weg zum Stadion führt. Ihre „Berühmtheit“ verdankt die Strasse ihrer Vergangenheit, als in den Siebzigern und Achtzigern die „Inter City Firm“ dort ihr Unwesen trieb. Das Ganze wurde später sogar in einer Trilogie unter dem Namen „Hooligans“ verfilmt. Links und rechts der Strasse deuten verschiedene Stände auf die Vergangenheit hin und auch ich liess es mir nicht nehmen, den einen oder anderen „Fanartikel“ der berüchtigten Gruppierung zu erwerben.

Und plötzlich stehen wir vor dem riesigen Stadion, das mit den zwei Türmen imposant in den Himmel ragt. Wir betreten den Boleyn Ground durch die für England typisch engen Eingänge. Unsere Plätzen liegen zentral über dem Tor, mit bester Sicht auf das Spielfeld und die fünftausend Gästeanhänger. Als die Heimfans die Hymne „I’m forever blowing bubbles“ anstimmen, erahnen wir, wie laut es hier werden kann. In der Folge ist es leider nur bei Chancen für West Ham und gegen Ende hin laut, dafür dann umso mehr. Für dieses Spitzenspiel füllte sich das Stadion mit 34’977 Zuschauern voller Vorfreude auf 90 Minuten stimmungsvolles Spektakel.

Gut, die letzten zwei Worte sind gelogen. Zumindest bis kurz vor der Pause. Da spricht der Schiedsrichter Arsenal nämlich einen Penalty zu und obwohl mein Herz für West Ham schlägt muss ich sagen, dass dieser Entscheid richtig war. Ohne Probleme verlädt der kleine Santi Cazorla Goalie Adrian zur Führung für Arsenal. In der Folge hadern die Hammers mit dem Schicksal und prompt laufen sie in einen Konter, den Danny Welbeck aus kürzester Distanz zum zweiten Treffer für die Gunners verwertet. In der zweiten Halbzeit kommen die Hammers gestärkt aus aus der Kabine zurück und belohnen ihre Angriffsbemühungen mit dem hochverdienten 1:2 Anschlusstreffer. Jetzt drückte West Ham vehement auf den Ausgleich, während bei Arsenal die Angriffsbemühungen lediglich über den pfeilschnellen Alexis Sanchez ablaufen. Selten habe ich einen derart eindrucksvollen Auftritt eines Einzelspielers gesehen. Unbestritten ist Sanchez an diesem Nachmittag der beste Mann auf dem Platz, der mit jeder Aktion Gefahr in den gegnerischen Strafraum bringt. Dass er an diesem Tag kein Tor schiesst, ist lediglich Keeper Adrian zu verdanken, der mehrere Male sensationell klärt. Ganz zum Schluss bringt West Ham noch Joker Valencia und tatsächlich kommen die Hausherren in der Nachspielzeit nochmals zu einer Grosschance, der Kopfball landetet jedoch nur auf dem Tor. Schade, ein Punkt hätten sich die Hammers heute verdient gehabt! Trotzdem haben sie gezeigt, dass im Kampf um die internationalen Plätze mit ihnen zu rechnen ist.