Der Weg von Cesena nach Florenz führt Thomas und mich zurück nach Bologna, wo wir zügig auf den Hochgeschwindigkeitszug umsteigen müssen, ehe der Fahrgast erstaunlich schnell Florenz erreicht. Da mir die grösste Stadt der Toskana bereits von einem früheren Besuch geläufig war, erübrigte sich der Sightseeing-Teil während unseres kurzen Aufenthalts. So bestiegen wir am Hauptbahnhof direkt den ersten Zug nach Firenze Campo di Marte, dem kleinen Bahnhof, der direkt beim Stadion liegt.
Die Vorfreude auf das Spiel wuchs bei uns nun von Minute zu Minute. Die vielen Essenstände, das rege Treiben rund um das Stadion und die imposanten Scheinwerfer im Mondschein sorgen für eine Mischung, die zumindest mich magisch anzuziehen vermag.
Das Stadio Artemio Franchi ist ein imposantes Exemplar. Nur wenigen Besuchern wird dabei aufgefallen sein, dass es der Form des Buchstabens D entspricht. Die Erklärung dafür bietet das lateinische Wort Dux (Führer) womit Benito Mussolini gemeint ist. Am oberen Ende des Buchstabens erblickt der Stadionbesucher die Heimfans in der Curva Fiesole. Diese ist auch heute Abend gut gefüllt und macht Hoffnung auf einen stimmungsvollen Abend. Unsere Plätze liegen auf der gut besuchten Gegentribüne, während sich zu unserer Linken etwa eine Hundertschaft aus Udine eingefunden hat. In unserem direkten Umfeld sassen gleich mehrere halbschlaue Anhänger der Viola, die sich mit absichtlich übertriebenen Ausrufen bei Fehlentscheidungen zum Deppen machten.
Um Viertel vor neun folgte der Anpfiff, wobei der Gastgeber sofort das Zepter in die Hand nahm und trotz enttäuschender Saison zeigte, warum sein Name für italienischen Spitzenfussball steht. So ist es nur logisch, dass die Fiorentina zum Ende der ersten Halbzeit mit einem Tor führt. Ihre Überlegenheit können sie nach einer Stunde in einen weiteren Treffer ummünzen, sodass das Spiel vor 24’360 Zuschauern bereits früh entschieden scheint. Der Schlusspunkt setzte ein Penalty zum ungefährdeten 3:0-Endstand. Wer dachte, der Spielverlauf würde die Stimmung positiv beeinflussen, sah sich getäuscht. Wider Erwarten vernahmen wir aus der Heimkurve trotz dem Heimsieg nur lethargisch Gesänge, sodass ich enttäuscht und kurz vor dem Einschlafen war.
Der erlösende Schlusspfiff war für uns das Zeichen, zurück in die Innenstadt zu gehen, wo uns genügend Zeit für das Abendessen blieb. Unser Bus zurück in die Schweiz sollte nämlich erst nach Mitternacht an einer Autobahneinfahrt ausserhalb von Florenz eintreffen. Bereits frühzeitig dort eingetroffen, verbrachten wir die Zeit wegen der beissenden Kälte im Serverraum der Mautstelle, bei dem die Türe offen stand.
Die Zeit verging. Langsam wurden wir unruhig und ich wählte die auf dem Ticket angegebene Telefonnummer, die natürlich nicht funktionierte. Als wir um halb drei Uhr völlig unterkühlt und entnervt in einem Mauthäuschen um ein Taxi baten, fuhr doch tatsächlich der Bus auf den Parkplatz. Nach mehreren Stunden Warterei fielen uns im Bus sofort die Augen zu. Doch nur bis kurz vor die Schweizer Grenze, wo der Bus eine Panne hatte und ein Radwechsel nach italienischer Art folgte. Dabei liessen die Verantwortlichen den Bus einseitig auf die Achse krachen, ehe vier Leute mit verschränkten Armen dabei zusahen, wie ein Mechaniker sich unter dem Gefährt liegend mit der Technik abmüht. Wäre nicht das anstehende St. Galler Heimspiel gewesen, hätte ich das Schauspiel als amüsant empfunden. So aber zerrann das Zeitpolster immer mehr. Nach 634 Kilometer Heimweg war ich schliesslich genau zum Anpfiff im Stadion. Che tifoso!