Nun ist mit dem Stockholmer Derby also die Hauptspeise des Schwedenaufenthalts an der Reihe. Für dieses Spiel sollte man allerdings nicht alleine am Tische sitzen, sondern vom Kollegen Thomas und seiner Freundin aus der heimischen Ostschweiz flankiert werden. Diese verbrachten einige Zeit hier im Norden und die Gegend gefällt ihr und ihm nun sosehr, dass es die beiden beinahe bei jeder Gelegenheit wieder zurück in den Norden zieht. Und so kam es, dass man sich nach einem, zumindest meinerseits, abwechslungsreichen Tag und dem obligaten Besuch der Altstadt (Gamla Stan) sowie dem bekannten Fotomuseum gegen 17 Uhr vor dem Hotel des Kumpanen traf. Da diesem Herrn in der Heimat ein mehrjähriges Stadionverbot aufgebrummt wurde, ist er nun doch schon das eine oder andere Male an den Derbys hier in Schweden vor Ort gewesen und auch gestern hatten die beiden mit der Partie Malmö – Göteborg einem fantechnisch durchaus unterhaltsamen Kick beigewohnt. Schon lustig, wenn man sich 1500 Kilometer nördlich von der eigentlichen Heimat einfach mal so kurz auf eine Fussballpartie trifft.

Bewusst wird für einmal mit der Berichterstattung zur Stadt und den Sehenswürdigkeiten etwas zurückgeschraubt, dies obwohl Stockholm mir wirklich gut gefallen hat und auch das Museum mitsamt seiner Aussicht überzeugen konnte. Schliesslich will man sich nicht in Details und zu langen Texten verlieren, zumal man das Hauptaugenmerk doch auf den Sport und die damit verbundenen Aktivitäten gelegt hatte.

Nach kurzer Unterredung entschied man sich in Richtung Vorort Solna zu fahren, wo die herzlose Friends Arena das mittlerweile abgerissene Rasunda ersetzt und der gleichnamige Fussballverein seit längerer Zeit sein Zuhause findet. Dort angekommen noch ein „Briska“ offeriert bekommen, sowie den von Thomas gewählten Cider mit dem lustigen Namen „Rekorderlig“ ebenfalls für äusserst süffig befunden. Von der U-Bahn-Haltestelle hätte man den Weg zur Spielstätte wohl auch ohne die Hilfe meiner beiden Begleiter gefunden, zumal sich recht früh schon gut Volk in Richtung Stadion bewegte. Vorbei an einem mit Djurgarden-Fans gefülltem Pub läuft man eine gute Viertelstunde, ehe sich das grösste Stadion Skandinaviens vor einem auftut. Mehr als 50’000 Leute finden in dieser Baute Platz.

Wirklich bekannt ist Schweden für die Normalbürger fussballbezüglich nicht, im Gegenteil, neben Zlatan Ibrahimovic kennt man am ehesten noch die beiden Vereine aus Malmö und Göteborg dank den internationalen Auftritten aber dann hat es sich auch schon wieder. Und so wissen viele nicht, dass hier jeweils das wohl beste Derby im ganzen nordischen Reich über die Bühne geht. Und dies zwischen dem AIK, ausgeschrieben Allmännä Idrottsklubben, was jedoch nichts mit irgendwelchen urdeutschen Idioten zu tun hat sondern vielmehr einfach Allgemeiner Sportklub heisst. Dieser Verein gehört mit elf Meisterschaften dann auch gerade zu den erfolgreichsten des Landes und ist somit auch logischerweise einer der beliebtesten, wenn nicht sogar der beliebteste Sportclub innerhalb der Landesgrenzen. Den zweitgrössten Verein stellt das heutige Gegenüber aus Djurgarden. Beide Vereine gehören daher auch seit Jahren zu den Titelaspiranten, tun sich aber gegen die Konkurrenz aus Malmö und Göteborg in letzter Zeit äusserst schwer. Fantechnisch sind sie aber definitiv Spitzenreiter, AIK mit der Black Army unter der Leitung eines schwarzen Vorsängers (wie passend) während die „Järnkaminerna“ genannten Djurgarden-Fans dem britischen Vorbild folgen und eher als stimmgewaltig gelten und darum auch auf den Einsatz von Trommeln und Fahnen verzichten. Freunde der dritten Halbzeit sammeln sich bei den Gästen wie gewöhnlich hinter dem Banner „DFG – Djurgardens Fina Grabbar“ übersetzt Djurgardens feine Kerle, wobei ein genauer Blick genügt, um das Potenzial dieser „feinen Kerlen“ zu erkennen. Des Weiteren verfügen sie mit dem 2003 gegründeten Ultra Chaos Stockholm über eine weitere schlagkräftige, im Gegensatz zur DFG, aber auch supportwillige Truppe.

Die letztgenannte Vereinigung musste dann auch gerade für eine erste gelungene Derbyprovokation seitens der AIK-Fans herhalten, die noch vor Anpfiff den Slogan „UCS: Schwedischer Meister im 100-Meter-Lauf“ präsentierten. Dies konnte dank der Herzensdame von Thomas entschlüsselt werden, die glücklicherweise der schwedischen Sprache mächtig ist. Und so hatte man auch kein Problem, die Eingangschoreo auf der gegenüberliegenden Seite zu verstehen, wo ein schönes Fahnenmuster mit einem Bild und dem Slogan „Kungarna av Stockholm – Könige von Stockholm“ untermalt wurde. Kurz darauf wurden diverse Rauchtöpfe in den Vereinsfarben gezündet, was mehr als ordentlich aussah. Da der Heimanhang wie von ihnen angekündigt gegen die verschärften Massnahmen protestiert, verzichtete man auf eine Choreografie und so erblickten lediglich einzelne Pyros das Licht der Welt. Definitiv mehr als schade, zumal man dann auch die überraschende Einlage verpasste, die leider in der Pause veranstaltet wurde und man bei der Rückkehr nur noch die dicken Rauchschwaden zu sehen bekam. War aber wie später gesehen auch sehr gelungen und kann auf den bekannten Seiten wie Ultras-Tifo oder Faszination Fankurve für Interessierte noch nachgeschaut werden.

Spielerisch war die Partie wie in der letzten Zeit so oft (zu oft?) auf äusserst schwachem Niveau und so sahen die 39’387 Zuschauer in der, abgesehen von den Pufferzonen, beinahe ausverkauften Arena ein Spiel, das immerhin nicht torlos endete; mit einem 1:0 Sieg für die Gastgeber aber trotzdem einen bescheidenen Ausgang gefunden hatte.

Vom Support her attestierten mir meine zwei Begleiter das Gesehene als eher schwaches Derby; von der Lautstärke her was es aber trotzdem äussert nett anzuhören, wobei AIK meiner Meinung nach etwas den Kürzeren gegenüber den stark aufgelegten Gästen zog. Auch hier wird allerdings langsam an der Repressionsmaschine gedreht, als erstmals in den Derbys der Speaker die Fankurven aufgrund der doch grossen Spielverspätung aufforderte, das „Abbrennen bengalischer Gegenstände“ doch bitte zu unterlassen. Das Stadion erinnert mich sehr an dasjenige im nordfranzösischen Lille, wobei hier doch deutlich bessere Stimmung als in Frankreich, Deutschland oder in unserer überschaubaren Schweiz herrschte.

Erstmal zu Max hiess es nach Spielschluss kurz vor 22 Uhr, bei einer ursprünglichen Anspielzeit von 19.05 Uhr. Max ist allerdings kein schwedischer Kumpane unseres Trios, sondern eine Burgerkette, die als Alternative herhalten musste da bereits alle anderen Lokalitäten geschlossen hatten. Ausschreitungen wird es wohl auch noch gegeben haben, wobei aber lediglich ein Angriff der AIK-Hooligans auf das anfangs von Djurgarden bevölkerte Pub in den Medien Erwähnung gefunden hatte. Vielleicht ja auch besser so, wer weiss…

Zurück in der Innenstadt verabschiedete ich mich von meinen beiden Weggenossen und ging zurück in Richtung Hotel, wo man auschlafen durfte und bald schon den Heimweg antrat, während sich die beiden noch ein paar Tage Shopping und Entspannungen in Sverige gönnten. Zwar nicht wie der kleine Nils Holgersson auf den Rücken der Gänse, aber immerhin im Innern der Swiss-Maschine erreichte ich am frühen Dienstagabend wieder die Schweiz mit ausschliesslich guten Erinnerungen an eine schöne Tour im erfrischend warmen Schweden.