Wir verabschieden uns nach dem Schlusspfiff von den herzlichen Fans von Al Salt und machen uns per Taxi auf zum Nationalstadion. Im Norden der Hauptstadt angekommen, herrscht reges Treiben. Dies ist wenig verwunderlich, handelt es sich bei Al Faisaly doch um den erfolgreichsten Verein des Landes. Zumindest auf sportlicher Ebene haben die «Adler» im letzten Jahrzehnt die Vorherrschaft allerdings an den Stadtrivalen von Al Wihdat verloren. Das Spiel gegen den Club mit palästinensischen Wurzeln gilt als brenzligstes Duell des Landes.

Heute trifft der Tabellenzweite auf die Mannschaft aus Ramtha, einer Stadt im Norden des Landes in direkter Nähe zu Irbid, die ihren Namen der Wüstenpflanze Saxaul zu verdanken hat. Um den Heimblock ausfindig zu machen, umlaufen Flavio und ich das Stadion, das einzig die akustische Erkenntnis bringt, dass es zwei Fanblöcke geben muss. So erwerben wir für zehn jordanische Dinar die teuersten Karten für die Haupttribüne. Nach den Vorkommnissen vom Nachmittagsspiel entscheide ich mich dazu, die Kamera unbemerkt ins Stadion zu schmuggeln, um Diskussionen zu vermeiden. Wie unsere Tribüne präsentiert sich auch die Gegengerade weit vor Anpfiff bereits proppenvoll und sangesfreudig. Mit den zweihundert Gästen, deren Ankunft mit Kamellauten goutiert wird, tauscht das Heimpublikum freudig Gegenstände aus. Vor allem Wasser, das hier einzig in geschlossenen Plastikbechern angeboten wird, kristallisiert sich als beliebtes Flugobjekt heraus.

Zum Einlauf zeigen die Heimfans vor 10’000 Zuschauern eine extrem sauber ausgeführte Choreografie in arabischer Schrift. Das «Willkommen auf der Erde» dient als Antwort auf die Choreografie von Al Ramtha aus dem Hinspiel, in der sie von sich behaupteten, überirdisch gut zu spielen. Tatsächlich wurden die Gäste im Verlauf der zweiten Halbzeit zurück auf den Boden der Tatsachen geholt, als die Gastgeber mittels Freistoss aus grosser Distanz traumhaft mit 1:0 in Führung gehen. Trotz überraschender Feldüberlegenheit schaffte es der vermeintliche Aussenseiter aus dem Norden des Landes bis zum Schlusspfiff nicht, entsprechend zu reagieren.

Die vier Reihen an Polizisten und Ordner auf der Laufbahn als erste Indiz, ging es für uns erst weit nach dem Abpfiff und mit Eskorte gesondert aus dem Stadion. Auf dem kurzen Fussweg zurück ins Hotel blieb Zeit, die Reise aus fussballerischer Sicht Revue passieren zu lassen. Besonders dieses Spiel mit unerwartet guter Stimmung wertet den neuen Länderpunkt gehörig auf. Nachahmern sei was Anstosszeiten und Spielorte betrifft, die Seite goalzz.com ans Herz gelegt.

Jordanien ist das Land, in dem jeder Gehsteig, sofern einer besteht, über eine individuelle Mindesthöhe von 20 Zentimetern verfügt und jedes zweite Auto ein alter Van der bekannten japanischen Autohersteller ist. Die Knieschmerzen sind damit ebenso vorprogrammiert wie der Hummus und das Fladenbrot zum Mittagessen. Jordanien ist aber auch das Land, in dem in der 4-Millionen-Stadt Amman täglich lange Schlangen vor der syrischen Botschaft zu sehen sind, ganz im Gegensatz zum Alkohol in den Ladenregalen. Das Land, das so gut wie keine Bodenschätze besitzt und jedes Jahr viele Flüchtlinge aufnimmt. Das Land, welches zwischen Israel, das ihnen die Wasserzufuhr kappt, und Saudi-Arabien, deren Landsleute mit ihrem Geld auf Frauensuche gerne ins «liberale» Jordanien kommen, geopolitisch bestehen muss.

Nach sonnigen Tagen in Amman, das nebst der Zitadelle und dem römischen Theater erstaunlich wenig Sehenswertes zu bieten hat und dennoch überzeugt, ging es wiederum mittels Fahrer ans Tote Meer. Flavio und ich waren sich anschliessend einig, dass dieser lustige Moment – ohne Anstrengung im Wasser zu schweben – jeder einmal erleben sollte. Den Abschluss der Reise war einem besonderen Treffen vorenthalten. Es betraf Susanne Brunner, Nahostkorrespondentin des Schweizer Radio und Fernsehens, die zusammen mit dem Fotografen Thilo Zeit für uns fand und damit für einen äusserst interessanten und lustigen Abend an der Rainbow Street sorgte. In dem Sinne herzliche Grüsse an euch zwei und an Flavio!