Im Zuge des aktuellen Umdenkens auf klimatischer Ebene muss ich mich fast schämen, wenn ich über den Auslöser dieser Reise berichte. Es handelt sich um den „Cyber Monday“ des letzten Jahres, der mir eine Direktverbindung nach Amman und zurück für weniger als fünfzig Franken offenbarte. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich weder, dass Jordanien nur knapp vier Flugstunden entfernt auf der Arabischen Halbinsel liegt, noch in welchem Rahmen dort Fussball gespielt wird.

Keine drei Monate später sitze ich neben meinem ehemaligen Nachbarn Flavio auf der Rückbank eines Hondas, der über eine staubige Landstrasse rollt. Durch diverse Spielverschiebungen unmittelbar vor Reiseantritt liefen in der Nacht vor der Abreise nochmals alle Drähte heiss, um die angepeilten Paarungen zu realisieren. Die Änderungen sahen für unser Duo unter anderem vor, direkt nach der Einreise in Amman, die mittels Jordan Pass (sinnvoll für jeden Touristen, der mehr als nur die Zitadelle besucht) speditiv abgewickelt werden konnte, in den Norden nach Irbid aufzubrechen.

Unser kurzfristig arrangierter Ersatzfahrer Rami spricht, wie die meisten Jordanier, nur wenige Brocken Englisch. Mit dem Thema Fussball ist allerdings schnell ein gemeinsamer Nenner gefunden. Der gute Herr ist leidenschaftlicher Wihdat-Fan und sein Idol ist Xavi. Deshalb sei er auch Fan von Barcelona geworden, nach dem Weggang des kleinen Mittelfeldstrategen könne er mit den Katalanen allerdings nichts mehr anfangen. Auf der eineinhalbstündigen Fahrt in den Norden zeigt sich, dass hier Verkehrsregeln so wenig vorhanden sind wie Sicherheitsgurten in unserem Auto. Weiter gilt das Telefonieren während der Fahrt wohl nicht einmal als Kavaliersdelikt und von der Topografie habe ich mir Jordanien ebenfalls deutlich flacher vorgestellt. Interessant ist für uns Westeuropäer zudem die Tatsache, dass am Strassenrand der Autobahn nicht selten planlos Leute auf der Notfallspur rumstehen oder gar kleinere Pick-Ups in den Abgasen Früchte und Gemüse verkaufen.

Als stolzer Hauptstädter scheint es für Rami unerklärlich, wie wir in die drittgrösste Stadt des Landes nahe der Grenze zu Syrien reisen können. Unserer Bitte, uns ins Stadtzentrum zu bringen, kommt der besorgte Herr daher nur bedingt nach und setzt uns stattdessen neben einer Shoppingmall ab. Wohl primär erschrocken ob unserer Unerschrockenheit sitzt er wenig später im selben Restaurant, weit entfernt der Mall. Er scheint jedoch zu merken, dass wir keine leichtfertigen Touristen sind und lässt uns im Anschluss ohne weitere Beobachtung einige Zeit umherschlendern. Flavio und ich bekommen so Szenerien und Häuser zu Angesicht, wie wir sie vorher nur aus Berichterstattungen im Fernsehen gekannt haben. Kinder, die in einer heruntergekommenen und von Schlusslöchern gezeichneten Gasse Fussball spielen; da schluckt der privilegierte Schweizer doppelt.

Zurück am Treffpunkt fährt uns Rami zum Stadion und spielt sogleich Begleiter, da unser Hotelinhaber Ashraf, als Hauptsponsor der Gästemannschaft, vorab drei VIP-Karten hinterlegt hat. Die nächsten neunzig Minuten verbringen wir also neben dem Vereinspräsidenten auf den bequemen Business-Seats, doch auch von hier aus ist Fotografieren nicht erlaubt – gemacht habe ich es trotzdem. Der Grund für dieses Verbot bleibt mir unbekannt, es scheint jedoch einen Zusammenhang zu den Fernsehrechten zu geben. Viel Sehenswertes lässt sich aber auch mit meiner Kamera nicht einfangen. Zwar ist mit Al Jazeera der Tabellenführer zu Gast, dieser fristet in Amman als kleiner Verein aber ein ebenso unbedeutendes Dasein wie Al Hussein in Irbid. Für die anwesenden 300 Zuschauer, darunter mindestens ein Drittel dem Staatsapparat angehörend, wird daher nur die Haupttribüne geöffnet.

Auf dem Rasen entwickelt sich ein Duell auf bescheidenem Niveau, das mit 0:2 endet. Zeitweise ist die Partie gar so langweilig, dass sich Rami in die Traumwelt verabschiedet, was uns anfangs nur aufgrund der komischen Körperhaltung auffällt. Laut wird es erst nach dem Schlusspfiff, als sich die Heimfans energisch über die schwache Leistung ihrer Lieblinge beschweren. Für uns folgt nach einem langen Tag die Rückfahrt zum Hotel in Amman, wo bereits Ashraf wartet und sich nach unserem Wohlergehen sowie dem Auftritt seiner Jungs erkundigt.