«Dem Stadio San Nicola in Bari bei einer «Kehrauspartie» gegen den Tabellenfünfzehnten aus Cittadella einen Besuch abzustatten, grenzt an Ehrverletzung.» Mit dieser Aussage leitete ich vor weniger als einem Jahr den Bericht zum Playoff-Final der Serie B ein. Bari empfing Cagliari vor vollen Rängen zum Rückspiel und stand unmittelbar vor dem Aufstieg in die Erstklassigkeit. Ein tragisches Gegentor in der 94. Minute und 36 miserable Spieltage später liegt Bari zwei Runden vor Schluss stattdessen auf einem direktem Abstiegsplatz der Serie B – und gastiert in Cittadella.

Die kleine Gemeinde mit 20’000 Einwohnern diente im Mittelalter der Provinzhauptstadt Padova als militärischer Vorposten und verfügt bis heute über eine intakte Stadtmauer sowie einen begehbaren Karussellweg. Dieses Wahrzeichen findet auch im Vereinswappen der AS Cittadella Verwendung, die 1973 aus einer Fusion zweier Klubs entstanden ist und sich seit der Saison 2016/17 in der zweiten Liga hält. Beinahe genauso lang existiert mit den «Rabaltai Sitadea» die heutzutage führende Fangruppe, die sich bei der Suche nach einer passenden Bezeichnung vom Stadtnamen und dem Wort Rebellen – jeweils in der venezianischen Sprache gehalten – inspirieren liessen.

Ihre Vertreter lancieren den Spieltag vor einer Bar in der Innenstadt, deren Wände nebst der Freundschaft zu den Lost Boys (vom einstigen Klub AlzanoCene) auch Kontakte zu Fans der Go Ahead Eagles aus dem niederländischen Deventer erahnen lassen. Auch vereinzelte Bari-Ultras geniessen unweit davon bei einem Aperol Spritz die frühsommerlichen Temperaturen. Angesichts dieser Umstände ist es noch unverständlicher, dass Gästefans aus der Provinz Bari beim letzten Aufeinandertreffen vor eineinhalb Jahren der Einlass untersagt wurde.

Die seltene Reisefreiheit dürfte denn auch den Ausschlag gegeben haben, dass trotz des sportlichen Tiefflugs stattliche 890 Anhänger aus Apulien den Weg ins Stadion Pier Cesare Tombolato gefunden hatten. Sie mussten mitansehen, wie ihre Mannschaft bereits nach sechs Minuten ins Hintertreffen geriet. Bemerkenswert fiel allerdings die Reaktion der Gästefans aus, die nach dem frühen Gegentor stimmungstechnisch noch eine Stufe aufzudrehen vermochten. Besonders bei der Kritik gegen Multi-Club-Ownerships sangen sich die Süditaliener mit dem Lied «Aurelio vattene», bezogen auf Napoli– und Bari-Besitzer Aurelio De Laurentiis, für kurze Zeit in einen Rausch. Auf dem Rasen bekamen die 4296 Zuschauer ein 1:1 zu sehen, bei dem die Gäste nach dem Ausgleich nicht mehr alle Risiken eingingen und stattdessen den Punktgewinn zu konservieren versuchten. Trotz einiger Unstimmigkeiten und gegenseitiger Vorwürfe im Team gelang dies, sodass die Entscheidung in der letzten Runde fällt: Dann spielt Bari vor heimischem Publikum im Fernduell mit dem punktgleichen Ascoli den letzten direkten Absteiger aus.