FAR Rabat - Future FC

Die internationalen Klubwettbewerbe sorgten im marokkanischen Fussball für die aussergewöhnliche Konstellation, dass die drei grössten Teams des Landes an aufeinanderfolgenden Tagen ein Heimspiel bestritten. Während ich die einmalige Atmosphäre bei Raja und Wydad Casablanca bereits zu einem früheren Zeitpunkt miterleben durfte, bedeutete ein Besuch in Rabat Neuland für mich.

Der Westküste entlang brachte mich der Zug in die Hauptstadt Marokkos, die mit etwas mehr als einer halben Million Einwohnern deutlich kleiner daherkommt als Casablanca. So konnte ich den Hassan-Turm und das Mausoleum Mohammed V., eine imposante Grabstätte aus Marmor zum Gedenken an den Sultan, problemlos zu Fuss besichtigen. Einen Abstecher in die «Kasbah des Oudayas» sparte ich mir hingegen für einen Besuch in einer wärmeren Jahreszeit auf.

Dieser weitere Besuch lässt sich insofern prognostizieren, als dass mit der «Fath Union Sport» (FUS) nebst dem Giganten «Forces armées royales» (FAR) ein zweiter Klub aus Rabat im Spitzenquartett der marokkanischen Botola mitmischt. FUS versteht sich allerdings als Ausbildungsklub und zieht bei seinen Heimspielen nur wenige hundert Fans an. Entsprechend besteht zwischen den beiden Erstligateams der Stadt keine Rivalität, wie sie etwa in Casablanca vorzufinden ist.

Der Armeeklub FAR peilt in der laufenden Spielzeit nebst der zuschauertechnischen auch die sportliche Vormachtstellung in Rabat an und besitzt gute Chancen auf den ersten Titelgewinn seit 15 Jahren. Auch international ist der Botola-Tabellenführer derzeit erfolgreich und stieg im Confederation Cup – dem afrikanischen Pendant der Europa League – als Favorit in die Partie gegen den Future FC.

Der Klub aus Kairo, welcher der ägyptischen Niederlassung der Firma Coca-Cola entsprang, besitzt seit Herbst 2021 neue Eigentümer und damit auch einen gewöhnungsbedürftigen Namen. Eine Fangemeinde hat sich trotz der geänderten Besitzverhältnisse bisher keine gebildet. Gründe dafür sind nebst dem geringen Stellenwert des Klubs in der Hauptstadt die politische Verfolgung im Nachgang des arabischen Frühlings, welche die ägyptische Fankultur praktisch ausrottete und im Massaker von Port Said 2012 ihren tragischen Höhepunkt gefunden hatte.

So sind in nordafrikanischen Stadien auch über eine Dekade nach den politischen Umwälzungen Fangesänge zu hören, die von der Aussagekraft her jene weit übersteigen, die in heimischen Breitengraden – bisweilen nicht einmal auf lokale Gegebenheiten umgemünzt – ins unermessliche reproduziert werden.

Doch weder die mit Inbrunst vorgetragenen Lieder noch der 2:0-Heimsieg von FAR sorgte in den südlichen Ausläufen Rabats vor 27’192 Zuschauern für die Schlagzeilen. Vielmehr war es ein interner Streit in der heimischen «Curva Ché» zwischen den führenden Fangruppen «Ultras Askary» und «Black Army», der nach einer mehrminütigen Eskalation von der Polizei gewaltsam beendet werden musste.


Persib Bandung - Persija Jakarta

Fussballfans kennen dieses ganz bestimmte Kribbeln im Bauch. Eine Art positive Anspannung vor einer wichtigen Partie oder einem Spielbesuch mit dem eigenen Team in einer fremden Stadt. Auch ich hatte diese spezielle Gefühlsregung schon oft durchlebt, etwa als Aussenstehender bei Lokalduellen in Osteuropa oder bei Auswärtsspielen mit meinem Lieblingsklub. Doch diesmal war es anders. Das erste Mal nämlich schien dieses mulmige Gefühl meine gesamte Vorfreude zu ersticken.

Erst die Tage in Malang, die ich für eine Reportage rund um die Auswirkungen der Kanjuruhan-Tragödie genutzt hatte, liessen mich erkennen, mit welcher Bedenkenlosigkeit ich zuvor bisweilen in Indonesiens Stadien unterwegs gewesen war. 135 Menschenleben hatte jenes schicksalhafte Aufeinandertreffen zwischen Arema Malang und Persebaya Surabaya am 1. Oktober 2022 nach einem unkoordinierten Polizeieinsatz gefordert.

Danach fiel die indonesische Fanlandschaft in eine von Trauer geprägte Schockstarre. Sämtliche Spiele – darunter auch das für den 2. Oktober angesetzte West-Java-Derby zwischen Persib Bandung und Persija Jakarta – wurden abgesagt. Doch nur rund hundert Tage sollten ins Land ziehen, ehe die indonesische Liga bereits wieder zum Alltag mit Zuschauern überging – noch bevor in Malang der Prozess gegen die fünf Angeklagten überhaupt erst begonnen hatte.

Von «Usut Tuntas», einer vollständigen Untersuchung, wie sie in Malang von Fans an vielen Strassen- und Häuserecken oder am Ort der Tragödie selbst gefordert wird, keine Spur.

Düstere Vorzeichen

Als Generalprobe für die Rückkehr der Fans fungierte nun – nebst zwei unbedeutenden Partien am gleichen Spieltag – ausgerechnet das Duell zwischen den beiden Erzrivalen Persib und Persija. Dazu kam mit dem Lautan-Api-Stadion in Bandung eine Ausweichspielstätte, in welcher erst im Juni 2022 zwei Fans an überfüllten Stadioneingängen bereits den Tod gefunden hatten. Am meisten Sorgen bereitete mir aber das unübersichtliche Voucher-System, mit dem der Klub die alten Tickets kurzerhand für ungültig erklärt und parallel dazu einen neuen Verkauf lanciert hatte.

Als wären diese Vorzeichen nicht schon bedrohlich genug, geisterte ein Bild von einem versöhnenden Treffen von Persibs Fananführern mit Abi Irlan, dem Capo von Persija Jakarta, durch die sozialen Medien. Auch die Information allfällig anreisender Gästefans machte die Runde – etwas, das es in Indonesien bei Risikospielen seit über einer Dekade nicht mehr gegeben hatte.

So war ich hin- und hergerissen, entschied aber dennoch, kurzfristig meine Reisepläne umzukrempeln und per Nachtzug quer durch Java nach Bandung zu reisen. Tobi von Football Fans Asia hatte dankenswerterweise bereits den Kontakt zum Klub aus der zweitgrössten Stadt des Landes hergestellt.

Ein erstes Indiz, dass die Behörden die Ausgangslage tatsächlich ernst nahmen, war die kurzfristige Verschiebung in die Nachmittagsstunden gewesen, um unübersichtliche Situationen unter Flutlicht zu verhindern. Auch die rigiden Kontrollen an den zwei Sicherheitsringen sowie bewaffnete Einsatzkräfte vor jedem Eingang zeugten von einer handfesten Polizeistrategie, wie ich sie in Indonesien zuvor noch nie erlebt hatte.

Offiziell fanden gar nur 21‘257 Zuschauer Zutritt ins Rund, sodass die Spielstätte lediglich etwas mehr als zur Hälfte ausgelastet war. Allfällige Persija-Anhänger waren – trotz angeblicher Versöhnung – keine zugegen, was angesichts der vielen Botschaften gegen den Rivalen aus der Hauptstadt ein vernünftiger Entscheid war. So hielt auch dieses Derby den obligaten Penaltypfiff zugunsten des Heimteams zur Beruhigung der Massen bereit. Der deutsche Trainer Thomas Doll und Landsmann Hanno Behrens in den Reihen Persijas tobten verständlicherweise, sahen die Gerechtigkeit aber zumindest vorerst in der Parade ihres Goalies wiederhergestellt. Das entscheidende 1:0 zugunsten Persibs fiel in der 2. Halbzeit nach einem Zweikampf mit grosszügiger Regelauslegung allerdings nicht minder umstritten.

Viele Köche verderben den Brei

Auf den Rängen widmete mit dem «Viking Persib Club» die älteste Fangruppierung des Landes (1992) dem indonesischen Klassiker eine Choreografie. Nach dieser optischen Aktion war es aber die Nordtribüne, wo mit der «Northernwall» ein noch junger Zusammenschluss die Stimmungshoheit fortan inne hatte. Wie so oft kochen auch in Bandung die verschiedenen Gruppen (VPC, NW, Ultras, Bomber) innerhalb der «Bobotoh» – wie sich die Anhänger Persibs nennen – ihren eigenen Stimmungsbrei, sodass erst das gemeinsam gesungene «Persib Road» das riesige Potenzial einer geeinten «Flower City» erahnen liess.

Kurz nach dem Schlusspfiff kehrte das mulmige Gefühl in meine Magengegend zurück, das ich am Beitragsanfang beschrieben hatte. Diesmal aber war der Grund dafür die beachtliche Geschwindigkeit mit dem das Motorrad unterwegs war, auf dessen Rücksitz ich Platz genommen hatte. Trotz vom Monsun überschwemmten Nebenstrassen brachte mich Persibs Pressechef höchstpersönlich sicher zurück zum Bahnhof, wo ich kurz darauf den Nachtzug nach Jogjakarta bestieg.


Barnsley FC - Bolton Wanderers

«Barnsley is a shithole, I wanna go home», hallt es durch das Oakwell. Der in England weitverbreitete Fangesang hat im Fall der Gästeanhänger aus Bolton durchaus seine Berechtigung, wie mir ein Stadtrundgang vor der Partie offenbarte. Vielleicht ist es Demut, dass der Klub aus dem Süden Yorkshires deshalb auf den Übernamen «Tykes» hört, was einen ungepflegten, sparsamen Proletarier aus der Region beschreibt und auf die Zeit Barnsleys als Zentrum des Steinkohlebergbaus zurückgeht.

Zur sportlich zuletzt bescheidenen Situation mit dem Abstieg in die dritte Liga und der strategisch ungünstigen Lage zwischen den Fussball-Zentren Leeds und Sheffield gesellt sich ein bescheidenes Palmarès mit dem FA-Cup-Sieg 1912 und dem Gewinn der EFL-Trophy 2016 als einzige Titel. Schwer nachvollziehbar also, wieso mit der Pacific Media Group eine gewinnorientierte Investorengruppe beschloss, am Barnsley FC Anteile zu erwerben, wie sie es zuvor beispielsweise schon in Nancy, Thun oder Kaiserslautern getan hatte.

Im Verfolgerduell der League One entscheiden eine Notbremse und der daraus resultierende Penalty die Partie bereits nach 12 Minuten. Mit der Führung im Rücken gibt Bolton das Zepter nicht mehr aus der Hand und darf kurz vor dem Seitenwechsel gar das zweite Gastgeschenk in Empfang nehmen: Überbringer ist diesmal Barnsley-Goalie Bradley Collins, der sich nach einem haarsträubenden Fehler erneut geschlagen geben muss. Die Hausherren raffen sich nach der Pause zwar nochmals auf, die Hypothek entpuppt sich vor 13’913 Zuschauern aber als zu gross. So erzielen die Wanderers mit einem Konter zum 0:3 aus Sicht Barnsleys eine Viertelstunde vor Schluss den Endstand.


Grimsby Town - Stockport County

Grimsby Town verkörpert innerhalb des englischen Profifussballs den Inbegriff von Unattraktivität. Seit 20 Jahren pendelt der Klub zwischen der vierten und fünften Liga, die wenigen Erfolge liegen schon Dekaden zurück, das Stadion ist veraltet und kaum ein auswärtiger Fan nimmt die Reise in die abgelegene Hafenstadt gerne auf sich. Vielleicht verspüre ich gerade deshalb seit einem Gastspiel der «Mariners» in Luton gewissen Reiz, dem Ort einen Besuch abzustatten, den Sacha Baron Cohen in seinem Film «The Brothers Grimsby» einst als Zwillingsstadt von Tschernobyl bezeichnete.

Meine Vorstellungen von der rauen und windigen Ostküste Englands manifestieren sich schon auf dem kurzen Weg vom Bahnhof zum Hotel, als mich die grasrauchende Trainerhosenjugend kritisch mustert. Der anschliessende Check-in findet an der hoteleigenen Bar statt. «You had a good Christmas? Naah, mate», vernehme ich vom anderen Ende des Tresens, während ein älterer Herr die von mir hervorgerufene Ablenkung der Bardame ausnutzt und sich mit einiger Mühe gleich selbst ein Guinness zapft.

«Same shit, different year»

Englischer Viertliga-Fussball definiert sich primär über den Kampf und lässt für gewöhnlich keinen Platz für Ästhetik. In Grimsby gesellen sich zu dieser Tatsache sieben wenig filigrane Defensivspieler in der Startaufstellung und ein tiefer, schlammiger Platz. Bereits Standardsituationen auf Höhe der Mittellinie werden als Torchancen ausgelegt und der Ball meist in hohem Bogen in den Strafraum bugsiert.

All das führt dazu, dass sich ein Grossteil der 6490 Zuschauer zu griesgrämigen Pessimisten entwickelt hat, wie das «Same shit, different year» aus dem Mund des Jünglings auf dem Sitz neben mir nach zwei Spielminuten eindrücklich unterstreicht. Tatsächlich ist es ein weiter Einwurf, der beim 1:0-Heimsieg über Stockport County den Anwesenden die einzige positive Gefühlsregung abgewinnt.

Sehenswert ist bei Grimsby Town mit seiner alten Haupttribüne und der schönen Aussicht auf die Nordsee einzig der Blundell Park – und der liegt streng genommen im benachbarten Cleethorpes.


Lincoln City - Bolton Wanderers

Pünktlich zum Jahresende hat die «Cancel Culture» auch das englische Schienennetz erreicht. Der Post-Brexit-Streik verschiedener Betreibergesellschaften hat in meinem Fall eine siebenstündige Odyssee von Blackpool nach Lincoln zur Folge und offenbart drei Erkenntnisse: Ich habe die Privatisierung relevanter Verkehrszweige stets zurecht kritisiert, der durchschnittliche Engländer verhält sich im Zug lauter als im Stadion und mein ausgeprägter Sarkasmus wird – wenn überhaupt – von 75-jährigen Ehemännern verstanden.

130 Kilometer nördlich von Cambridge und 58 Partien nach dem Auftakt in der Universitätsstadt endet mein Fussballjahr wiederum mit einem Besuch bei einem englischen Drittligisten. Tatsächlich hält der Abschluss einen raren Moment totaler innerer Zufriedenheit bereit: ein Beobachten des Gewusels vor den Stadioneingängen. Kindische Väter, die ihren Lieblingsklub auch dem desinteressierten und vor Kälte schlotternden Nachwuchs aufzwingen wollen, vorlaute Mittdreissiger-Gruppen, die mit einem Bier in der Hand Spielsystem und Trainer kritisieren oder unverwüstliche Senioren, die sich ungeachtet der Schlange hinter ihnen seelenruhig mit der Kassiererin der Würstchenbude unterhalten.

Aus der Zeit gefallen

Auch die Spielstätte versprüht mit ihrer alten Anzeigetafel und den unbequemen Ersatzbänken viel Charme. Einen Blickfang stellt die verhältnismässig kleine Haupttribüne dar. Aufgrund des Abstiegs von Lincoln City aus der EFL zum Zeitpunkt des Baus 1987 wurde sie bewusst kleiner gehalten und fällt 35 Jahre später in Zeiten der Drittklassigkeit aus dem Rahmen. Die vielen in Gelb gehaltenen Treppenaufgänge verleihen ihr zusätzliche Charakteristik. Insgesamt besteht die Sincil Bank aus sechs eigenständigen Tribünen, wobei die Gästefans derzeit auf dem «Stacey West Stand» Platz finden, der an Bill Stacey und Jim West erinnert. Die beiden Lincoln-Anhänger verloren 1985 beim Gastspiel ihres Klubs in Bradford gemeinsam mit 54 weiteren Personen bei der Valley-Parade-Feuerkatastrophe ihr Leben.

Die 9074 Zuschauer, darunter eine vierstellige Anzahl aus Bolton, sehen eine hitzige Partie, in der nach dem Seitenwechsel mit dem Ausgleich der Gäste und einem Platzverweis gegen Lincoln die Machtverhältnisse schlagartig kippen. Die «Imps» überstehen eine intensive Schlussphase mit diversen Raufereien aber schadlos und können das 1:1 schliesslich über die Zeit retten.

Während diese Blogpräsenz primär schwärmerisch über Fankurven und Fussballstadien berichtet, kommt es an dieser Stelle zu einer Ausnahme. Grund dafür ist die Kathedrale Lincolns, die auf dem Castle Hill die Krönung einer schmucken Altstadt darstellt. Es kommt angesichts der unglaublich vielen architektonischen Details und Verzierungen beinahe einer Beleidigung gleich, dass ein nur etwa 30 Zentimeter grosser Neidkopf (zu Englisch «Imp») in einer hinteren Ecke des Kirchenschiffs als Hauptsehenswürdigkeit gilt und auch den lokalen Fussballklub bei der Logowahl inspiriert hat.


Blackpool FC - Sheffield United

Eine zügige Bise lässt die Gischt der Irischen See weit über die Ufer treten. Die wenigen Spaziergänger, die nicht in einem Pub oder in einer Spielhalle Zuflucht gefunden haben, gehen zügigen Schrittes und haben ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen.

Von einem «Pleasure Beach», wie es der gleichnamige Freizeitpark im Süden Blackpools verspricht, ist die Stadt zumindest Ende Dezember weit entfernt. Vielmehr stellt die Szenerie ein Abbild für den wirtschaftlichen Zerfall der 140’000-Einwohner-Gemeinde an der Westküste Englands dar, die innert wenigen Jahrzehnten von der einstigen Tourismushochburg zu einer den ärmsten Städten des Landes verkommen ist.

Ablenkung stiftet den Einheimischen nebst den erschreckend gut besuchten Spielsalons auch der lokale Blackpool FC, besonders seit Simon Sadler ihn 2019 aus den Fängen der Oyston-Familie befreit hat. Zuvor war der Klub über drei Dekaden erst von Familienoberhaupt Owen und nach dessen Schuldspruch in einem Vergewaltigungsfall von seiner Frau und schliesslich von ihrem Sohn mehr schlecht als recht geführt worden. In den Jahrzehnten bereicherte sich die Familie zudem mit rund 27 Millionen Pfund aus den Klubkassen.

Mut- und glücklose Hausherren

«It’s not bad, it just needs to be better», lautet das treffende Fazit eines Blackpool-Fans zur Halbzeitpause. Seine «Seasiders» zeigen gegen den Favoriten aus Sheffield, der sich anschickt in die Premier League zurückzukehren, das typische Spiel eines verunsicherten Teams im Tabellenkeller: kaum Kontrolle über das Mittelfeld, Fehler in den unpassendsten Momenten, stets einen Schritt zu spät und bemüht, aber doch glücklos. Auch in der Offensive agiert der abstiegsbedrohte Zweitligist vor 13’295 Zuschauern wenig zwingend und operiert stets mit (zu) langen Bällen.

Obschon für Blackpool das West-Lancashire-Derby gegen Preston North End noch mehr Zündstoff bietet, erreicht die Stimmung auch gegen die von 3500 Gästefans begleiteten Stahlstädter ein konstant gutes Niveau. Immer wieder liefern sich die Anhängerschaften auf der Nord- und der provisorischen Osttribüne – ein Überbleibsel aus der einzigen Premier-League-Saison 2010/11 – ein stimmliches Duell.

Derzeit müssen sich die «Tangerines» aber eher in Richtung Drittklassigkeit orientieren, glänzt bei Sheffield doch einmal mehr Iliman Ndiaye mit zwei Assists, was für Blackpool trotz des Anschlusstreffers eine 1:2-Niederlage zur Folge hat.


Glasgow Rangers - Motherwell FC

11. Februar 1963, kurz nach 22 Uhr, Abbey Road Studios. Im Londoner Stadtteil Westminster ordnet Musikproduzent George Martin eine letzte Tonaufnahme an. Weil den Beatles für das Album «Please Please Me» die Eigenkompositionen ausgegangen sind, füllen Coversongs die B-Seite der Platte. Einer davon ist das Rhythm-&-Blues-Lied «Twist and Shout» des US-amerikanischen Duos Top Notes. John Lennon klagt nach einem langen Tag bereits über Heiserkeit und eine Erkältung, gleich der erste Take muss also sitzen.

Bekanntheit im Fussball- und Fankosmos erlangt das Lied erst über ein halbes Jahrhundert später: am 28. Mai 2015, als Fans von Motherwell den 3:1-Sieg bei den Rangers feiern. Noch weit nach Schlusspfiff, als sich das Ibrox Stadium längst geleert hat, zelebrieren sie zur eingängigen Melodie ihren Coup im Relegations-Hinspiel über den vermeintlichen Favoriten.

Wiederum 7,5 Jahre später gastieren die Fans aus der strukturschwachen Kleinstadt im Ballungsraum Glasgows einmal mehr bei den Rangers. Diesmal kommt im Gästeblock aber zu keinem Zeitpunkt Feierstimmung auf – zu dominant treten die Hausherren beim 3:0-Heimsieg auf. Zumindest den Ehrentreffer hätte Motherwell bei strömendem Regen vor 49’605 Zuschauern aber verdient.

Auf der anderen Seite sorgt die Fangruppe Union Bears im kleinen Rahmen für gute Stimmung. Noch immer widerfährt der Subkultur der Ultras auf der Insel wenig Unterstützung und sie wirkt bisweilen tatsächlich deplatziert, zumindest die gespenstische Stille durchbrechen die Gesänge der protestantischen Unionisten aber eindrucksvoll. Kritik müssen sich diese etwa von der Anhängerschaft des Erzrivalen gefallen lassen: Für Celtic-Fans sind sie nichts weiter als Vertreter der «Newco», in Anlehnung an die neu gegründete Gesellschaft, unter welcher sich der Klub nach der Insolvenz 2012 aus der Viertklassigkeit zurückgekämpft und sein Comeback 2021 mit dem 55. Meistertitel gekrönt hatte.

Lennons Aufforderung für die Ewigkeit

Einen weiteren Welthit landeten die Beatles mit «Twist and Shout» übrigens nie. In Erinnerung bleiben wird er dennoch, allen voran wegen eines Konzerts im Herbst 1963. Als die Band im Prince-of-Wales-Theater in London auftritt, sitzt auch Königin Elizabeth im Publikum. Und John Lennon beweist bei der Anmoderation zum Abschluss eines legendären Abends, dass er nicht nur gut singen kann, sondern auch wortgewandt ist: «For our last number, I’d like to ask your help. For the people in the cheaper seats: clap your hands. And the rest of you – if you’ll just rattle your jewellery.»


Bolton Wanderers - Derby County

So romantisch sich der unterklassige englische Fussball am «Boxing Day» in Stockport präsentierte, so trist zeigt er sich 24 Stunden später in Bolton. Wobei Bolton gar nur den gastgebenden Klub in Form der Bolton Wanderers, nicht aber den Austragungsort, darstellt. Passend dazu geht auch der Namenszusatz der Wanderers auf die Tatsache zurück, dass sie ihr Hauptquartier in der Anfangszeit immer wieder gewechselt haben.

Als derzeitige Heimat figuriert das in der Gemeinde Horwich gelegene Industriegebiet Middlebrook, wo die Fans vor Anpfiff entweder im nahegelegenen Einkaufszentrum oder unter einem trostlosen Festzelt vor dem Dauerregen und den tiefen Temperaturen Zuflucht finden.

Wenig erwärmend ist auch das anschliessende Duell auf dem Rasen, obschon mit Derby County der wohl klangvollste Namen der dritten englischen Liga zu Gast ist. Immerhin die Kulisse von 25’428 Zuschauern ist den Umständen entsprechend mehr als würdig, allein aus Derbyshire sind über fünftausend Anhänger angereist.

Die 90 Minuten ohne wirkliche Torraumszenen und einem folgerichtigen 0:0 sind dann der passende Beleg, wieso nicht nur finanziell bedingte Punktabzüge die beiden Traditionsteams in den letzten Jahren bis in die League One gespült haben. Zumindest eine Ligaebene zu tief für die Ansprüche beider Klubs, blieben die «Trotters» doch noch vor 15 Jahren in internationalen Pflichtspielen gegen Bayern München oder Atletico Madrid ungeschlagen.

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Stockport County - Crewe Alexandra

Ein unerwartet früher Wintereinbruch sollte dem ersten «Cheshire Derby» seit elf Jahren zwischen Stockport County und Crewe Alexandra zusätzliche Brisanz verleihen. Satte 19 Tage mussten die Fans der «Hatters» auf einen Einsatz ihre Lieblinge warten, gar dreieinhalb Wochen ohne Ernstkampf waren zuletzt die heutigen Gäste geblieben.

Einer, der sich an das letzte Aufeinandertreffen bestens erinnern kann, ist Ex-Crewe-Akteur Lee Bell. Der heutige Trainer vom Klub aus der Eisenbahnstadt stand 2011 beim 2:0-Sieg am vorletzten Spieltag selbst auf dem Platz und wollte nun über eine Dekade später ein erneutes Erfolgserlebnis feiern. Möglich machte diese Neuauflage des Lokalduells der Aufstieg Stockports, während die «Railwaymen» zuletzt den Gang in die Viertklassigkeit antreten mussten.

So nahmen am «Boxing Day» auch rund tausend Gästefans den Weg in den Edgeley Park auf sich. Ihren Platz fanden sie passend im «Railway End», liegt das Stadion doch unweit der Schienen, welche die Züge innert wenigen Minuten nach Manchester führen. Innerhalb des Edgeley Parks, der seit 1902 als Heimat Countys figuriert, stellt es die einzige unüberdachte Tribüne dar. Ein besonderer Blickfang ist hingegen die Haupttribüne aus den 1930er-Jahren mit ihrer Backsteinfassade und der traditionellen Aufschrift des Klubnamens.

Ebenfalls aus jener Epoche stammt der Übername des Klubs, den Stockport County dem lokalen – und mittlerweile inexistenten – Hutmacherei-Zweig zu verdanken hat. Er teilt ihn sich auf der Insel mit dem Zweitligisten Luton Town, dessen Stadion an der Kenilworth Road lustigerweise auch einige Gemeinsamkeiten, allen voran die überdurchschnittlich grosse Hintertortribüne, zur hiesigen Spielstätte aufweist.

Auch in Stockport bestehen konkrete Pläne für einen Ausbau der restlichen Tribünen und auch der Gang durch die English Football League (EFL) sollte nach dem jüngsten sportlichen Erfolgserlebnis noch nicht zu Ende sein. Seine Ambitionen unterstrich der Viertligist zumindest an diesem Tag gleich doppelt: mit einem 2:0-Heimerfolg sowie der Kulisse von 9837 Zuschauern. Ein wenig enttäuscht war ich einzig ob der Tatsache, dass der Klub offenbar von einem Ausrüster-Vertrag mit der Marke Fred Perry absieht, obwohl der ehemalige Tennisspieler und Gründer der bekannten Casual-Kleidermarke aus Stockport stammt.

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Luxemburg - Bulgarien

Wenn es ein Land gibt, in dem ein Gespräch an der Tankstellenkasse vier Sprachen umfassen kann, dann wohl Luxemburg. Die skurrile Szene auf der Heimfahrt in die Schweiz beschreibt treffend den internationalen Schmelztiegel, welcher das finanzstarke Grossherzogtum darstellt.

Auch in den Strassen der erhöht gelegenen Altstadt Luxemburgs vernimmt der Besucher englischsprachige Expats, französische Touristen und Grenzgänger, die sich auf Deutsch unterhalten. Darunter mischt sich die luxemburgische Sprache vieler der 650‘000 Einwohner, die bei über 130‘000 Berufspendlern aber fast schon unterzugehen droht.

So sorgte auch der französische Name des neuen «Stade de Luxembourg» bei den Einheimischen für Polemik, als es im Herbst 2021 das Josy-Barthel-Stadion nach 90 Jahren als Nationalstadion ablöste. Aufatmen beim Luxemburgischen Fussballverband und dessen Verbündeten Michel Platini, der die in die Jahre gekommene Heimat der «Roten Löwen» im Zuge einer Kampagne zum Neubau einst als «eines der heruntergekommensten Stadien, das ich je gesehen habe» betitelte.

Die modernen Rahmenbedingungen trösteten nur bedingt über das Niveau der Partie hinweg, die sich passend zum kalten und regnerischen Novembertag präsentierte. Luxemburg, die Nummer 92 der Welt, schlug sich gegen den 72. der Weltrangliste wacker und verzeichnete gar zwei Pfostenschüsse, allerdings verliessen beim 0:0 beide Teams den Platz torlos. Am ehesten dürfte den 4‘718 Zuschauern die Schiedsrichterleistung in Erinnerung bleiben. Dieser pfiff kleinlich und sprach nicht weniger als elf gelbe Karten und gar einen Platzverweis aus – bei einem Freundschaftsspiel.