Überall lagen sich Männer in Anzügen und Frauen mit extravaganten Hüten in den Armen, grölten, lachten und torkelten in Richtung Bahnsteig. Während sich die sichtlich betrunkenen Menschenmassen nach den York Races wieder auf den Weg in die Heimat machten, hatten wir den Nachmittag im altehrwürdigen Stadion von York City verbracht. Mein damaliger Begleiter, bis heute ein guter Freund, war vom Spektakel, das sich uns entlang der Gleise bot, ebenso fasziniert. Im jugendlichen Leichtsinn schworen wir uns, eines Tages genauso zu feiern – zumindest für einen Tag. Jahre später lösten wir dieses Versprechen nun ein und besuchten die Cheltenham Races, eines der bedeutendsten Pferderennen der Welt.

Neben dem Tag am Gold Cup – inklusive sattem Wettgewinn im Hauptrennen – stand auch ein Ausflug nach Bath auf dem Programm. Die historische Kurstadt in der Grafschaft Somerset gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und zählt zu den am meisten besuchten Orten im Vereinigten Königreich. Diese Ehre verdankt die 100‘000-Einwohner-Gemeinde ihren Thermalquellen, den römischen Bädern und der georgianischen Architektur. Besonders eindrucksvoll lässt sich diese Bauart mit dem charakteristischen Kalkstein am Royal Crescent, dem Circus und der Pulteney Bridge begutachten.

Deutlich weniger bekannt ist in Bath der lokale Fussballklub, gilt der Ort am Fluss Avon neben seinem sehenswerten Kern doch als Hochburg des Rugby Union. Die Nebenrolle von Bath City spiegelt sich sowohl im bescheidenen sportlichen Abschneiden in der semiprofessionellen National League South als auch in der Lage des Twerton Park wider, der im gleichnamigen Quartier am südwestlichen Stadtrand liegt. In dieser Gegend dominieren Sozialwohnungen und ein Leben an der Armutsgrenze den Alltag. So hat sich der Verein, der den Fans gehört, zur zentralen Aufgabe gemacht, sich in der strukturschwachen Gegend zu engagieren und betreibt dafür eine eigene Stiftung.

Wer in die Jahre gekommenen Fussballstadien etwas abgewinnen kann, kommt hier ebenfalls voll auf seine Kosten: Schräge Stehstufen, ein rostiges Dachgebälk, vom Moos überzogene Tribünendächer und massive Wellenbrecher, an denen die Farbe abblättert, dominieren die Szenerie. Das Bier ist bezahlbar, Ordner oder Polizei braucht es nicht und alle Tribünen sind frei begehbar. So wechseln nach der Pause viele der 1073 Zuschauer auf die andere Spielfeldseite, um auch das zweite Tor beim 2:0-Heimsieg gegen die Tonbridge Angels aus der Nähe mitverfolgen zu können.

Die meisten Fans finden sich am unteren Ende der Gegentribüne ein, wo mehrere sehenswerte Zaunfahnen hängen – darunter auch ein Exemplar von Calcio Lecco. Am Ursprung dieser ungewöhnlichen Freundschaft steht der Final des «Anglo-Italian Cup», bei dem der heutige Sechstligist 1977 dem italienischen Serie-C-Team gegenüberstand und deutlich unterlag. Um den 40. Jahrestag des raren Pokalsiegs zu feiern, organisierten im Frühjahr 2017 einige Anhänger von Lecco unter dem Namen «Blucelesti 1977» eine Reihe von Veranstaltungen – unter anderem einen Besuch in Bath, für den sie auch die englischen Fans anschrieben. Der Abend endete in einem Pub unweit des Stadions – der Rest ist Geschichte.