Ich muss zugeben, ich gehöre zur Gattung der Gewohnheitstiere. So gehört auch der Besuch einer Partie der Königsklasse mit meinem ehemaligen Schulkollegen Bego zu einem alljährlichen Ritual. Zu einem seiner Sympathievereine zählt auch der SV Bayer aus Leverkusen, wobei bei ihm als aktiver Fussballspieler natürlich nur der fussballerische Aspekt zählt. Es soll ja Leute geben, die interessieren sich beinahe noch mehr für das Drumherum. 😉 Um also auch diesem eigenartigen (?) Begehren nachzukommen, wurde das Duell mit den reisefreudigen Yids aus der englischen Hauptstadt ausgewählt. Dank günstigen Verbindungen ab Zürich nach Köln vom neuformierten Konsortium «Eurowings» (ehemals Germanwings) war auch der Aspekt der Anreise relativ schnell geklärt. Karten gibt es bei den Nordrhein-Westfalen auch in der Champions League erfreulicherweise ohne grossartige Schweissausbrüche und zu tiefe Griffe ins Portemonnaie zu erwerben.

Und so reisten wir am besagten Dienstag früh in die Domstadt, in freudiger Erwartung an den Auftritt einiger versierter Ballkünstler zu späterer Stunde. Gerade für meine arg gebeutelten Augen als Fan der St. Galler also etwas Fussballbalsam. Die Landung in Bonn ziemlich hart und nach dem Verstauen des Gepäcks im Nachtquartier blieb genügend Zeit, um in der Innenstadt umherzugehen. Einen Fixpunkt sollte es im Zeitplan jedoch noch geben. So hatte ich mich im Vornherein etwas über Aktivitäten in Köln (abseits von den grundsätzlichen Sehenswürdigkeiten) informiert und bin dabei auf das NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz gestossen. Es diente als Verhörgefängnis der Kölner Gestapo und verfügte über Folter- und Verwahrungskammern. Bis kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im Jahre 1945 wurden hier also Verbrechen an vermeintlichen Verrätern und Behinderern der damals herrschenden Form der Justiz begangen. Das Museum informiert und klärt eindrücklich über die damaligen Zustände unter der Führung der Geheimen Staatspolizei auf. Vor allem das weiterhin erhaltene Gefängnis im Untergeschoss sowie deren eingeritzte Inschriften ehemaliger Insassen, lassen es einem oft kalt den Rücken hinunterlaufen. Ironie des Schicksals ist wohl, dass genau dieses Gebäude als eines der wenigen die Bombenangriffe der Alliierten auf die Stadt Köln beinahe unbeschädigt überlebt hatte. Einen geschichtlichen Abstecher hierhin kann ich jedem Besucher Kölns sehr ans Herz legen.

Es mag für den neutralen Leser nun vielleicht etwas makaber klingen, aber soeben Erlebtes verarbeiteten wir am besten mit einem Glas Kölsch und einer rassigen Mahlzeit in einem typischen Gasthaus in der Innenstadt. Überraschenderweise waren hier relativ wenige Casuals aus dem Lager von Tottenham zugegen. Wie ich später erfuhr, haben diese sich in einem Pub in Leverkusen gesammelt. Da war das absolut überdimensionierte Polizeiaufgebot am Kölner Hauptbahnhof wohl für nichts gewesen, liebe Staatsmacht. Einige Nachforschungen hätten gereicht, um zu wissen, dass der englische Fussballfan keine Märsche oder prunkvolle Eintreffen in fremden Städten pflegt. Gegen Abend machten auch wir uns auf zum Stadion, wobei ich bei der Eintrittskontrolle noch aus Versehen einen etwas älteren Herren anrempelte, was Startschuss zu einem Gespräch bis hinein ins Innere der Arena war. Der Fremde stellte sich nämlich als Friedhelm Szczesny heraus, der Onkel von Wojciech, dem Schlussmann der AS Rom. Friedhelm war ebenfalls weit herumgekommen und wusste dementsprechend viel zu erzählen, sodass wir uns beinahe von ihm losreissen mussten, um rechtzeitig zur Choreografie der Heimkurve auf den Plätzen am äusseren Teil der Gegentribüne zu sitzen.

Diese zeigte aus goldenen Blättern die Zahl 30, sowie den darunterliegenden Schriftzug «Jahre Bayer Leverkusen international». Vom Oberrang wurde die gelungene Choreografie durch ein Filmband mit entsprechenden Meilensteinen sowie beiden Jahreszahlen unterlegt. Laut Ultras Leverkusen hatte die ganze Aktion knapp 4’500 Euro gekostet. Schade, wenn dann in solchen Momenten gewisse Kurvengänger zu wenig Wertschätzung aufbringen können, um Teile der Choreografie länger als dreissig Sekunden in den Himmel zu halten. Auf der Gegenseite gewohnt englische Verhältnisse, sprich voller Block und Support ohne optische Stilmittel. Wobei sich diese Art von Unterstützung, vor allem im ersten Abschnitt, teils auf eine ohrenbetäubende Lautstärke hinaufschraubte. Auf dem Rasen entwickelte sich bei einsetzendem Regen mehr und mehr ein zerfahrenes Spiel, bei dem Chicharito im Dienste von Bayer 04 die grösste Chance auf eine Änderung vom Ausgangsspielstand 0:0 vergab. Die «Lillywhites» blieben wider Erwarten erstaunlich blass und konnten die ganze Spielzeit über keine grossen Akzente setzen. Erstaunlich in meinen Augen auch die hohe Anzahl an Holländern unter den 28’887 Zuschauern, die dieses Spiel im Stadion mitverfolgten.

Scheint Bayer seine Fans also auch im nahen Nachbarland gefunden zu haben. Mit dem Schlusspfiff und einer verhältnismässig langen Nacht im Hotelbett, fand der kurzweilige Ausflug bereits am nächsten Mittag mit dem Aufsetzen der Maschine in der Heimat sein Ende. Immer weiter «jraadus» und bis nächstes Jahr!