FC Biel - FC Le Mont

Am heutigen Mittwoch sollten nun endlich zwei bereits vor langer Zeit gesetzte Ziele in die Tat umgesetzt werden. Das eine betraf den Besuch der neugebauten Tissot Arena zu Biel, beim anderen geht es um die Strecke Thun – Bern, die man mit dem Schlauchboot hinter sich bringen wollte. Aus dem Kollegenkreis hatte man nämlich vernommen, dass diese Aktivität bei guten Witterungsbedingungen von allererster Sahne sei. Und weil man ja sonst genug auf der ganz eigenen Schiene fährt kann man einen Ferientag durchaus auch mal für so etwas „Bürgerliches“ opfern, zumal der Fussball am Abend ja nicht einmal fehlen sollte.

Somit wie an all meinen bisherigen Ferientagen (Life of a Groundhopper) frühmorgens aufgestanden und den Zug in die Hauptstadt bestiegen, in dem man noch die Schweizer Leichtathletin Léa Sprunger traf, wobei es ihr Geheimnis bleiben wird, wieso sie sich in einem völlig leeren Zug genau in mein Abteil setzte. Gestört hat es mich nicht, im Gegenteil, so konnte die Fahrt noch anständig verplaudert werden und ich erfuhr sogar, dass die Arme auf dem Weg zur Arbeit sei, da eben der Ertrag aus dem Sport zum Überleben nicht ausreicht. Schon bitter, wenn man als absoluter Durchschnittsfussballer in der Schweiz finanziell durchkommt und derartige Koryphäen in ihren Sportarten noch auf einen Nebenerwerb angewiesen sind. Zeigt einem halt schon sporttechnische Unterschiede bezüglich Marketing und Verdienst auf. In Fribourg ging die Dame mit den schön langen Beinen raus, während ich wenige Zeit später die beiden Kollegen am Bahnhof Bern in Empfang nahm. Gemeinsam ging es weiter in Richtung Thun und von da an per Schlauchboot in knapp vier Stunden mit eingebauter Grillpause zurück in die Hauptstadt. Sicherlich einer der schönsten Sommertage für mich in diesem Jahr. Ist schon herrlich, wenn man einfach in der Aare treibend bei Musik und Sonnenschein am Bier nippen darf und sobald man das Bedürfnis für eine Abkühlung verspürt sich einfach rückwärts ins Wasser fallenlassen kann.

Abgesehen von meinem Handy, welches leider etwas zu viel Wasser abbekommen hatte und dementsprechend seine Probleme aufweist sicher ein mehr als gelungenes Vorprogramm zu diesem Zweitligaspiel, über welches die folgenden arg zusammengehämmerte Zeilen rückblickend berichten.

Geplant wäre es ja ursprünglich gewesen, die Tissot Arena in einem Testspiel im Monat Juli gegen den Kantonsrivalen aus Bern feierlich zu eröffnen, allerdings gingen die Bauarbeiten im Schlussspurt nur schleppend voran und man sah sich gezwungen, schlussendlich alle vier (!) Eröffnungsspiele entweder vor leeren Rängen oder noch in der altehrwürdigen Gurzelen auszutragen, was nicht nur finanziell viel weniger reizvoll war. Dass der Komplex auch heute noch nicht zu vollständig fertig ist zeigen diverse Bauarbeiten an der Fassade sowie rund um das Stadion. Persönlich finde ich ja man soll ein Stadion entweder ganz beziehen oder gar nicht und nicht inmitten einer Grossbaustelle die Spiele austragen. Wirkt für mich einfach zu provisorisch und unprofessionell. Apropos professionell, dass man hier und heute überhaupt Profifussball sehen kann ist einzig und allein dem Krisenklub Servette Genf zu verdanken, der den sportlich bereits abgestiegenen Seeländern dank finanziellen Problemen und einem erneuten Zwangsabstieg somit in der Liga hielt. Nicht auszudenken, was das für ein Fiasko gewesen wäre, hätten die Bieler ihr modernes Domizil in der dritten Liga eröffnen dürfen.

Nun will man im neuen Wohnzimmer aber alles besser machen. Und dieses Wohnzimmer weiss grundsätzlich sogar zu gefallen. Wenn eine Neubaute, dann gerne des Öfteren eine solche. Denn durch den grossen Abstand zwischen Tribüne und Dach wird ein heller Raum geschaffen sowie eine Bewegungszone, die in den neueren Stadien meiner Meinung nach fehlt, wo man sich meistens nur rund um den Cateringstand bewegen kann. Ebenfalls überzeugend sind die ästhetischen Flutlichter im Komplex, der auch noch über ein eingebautes Eisstadion für den eigentlichen Publikumsmagneten der Stadt dient und in dieser Form gewisse Einzigartigkeit geniesst. Doch auch damit lassen sich die überteuerten Eintrittspreise meiner Meinung nach nicht rechtfertigen. Ganze 25 Franken will man hier nämlich einem Auszubildenden abnehmen für einen Platz auf der Gegengerade. Für die zweite Liga meiner Meinung nach definitiv zu viel. Da komm ich ja beim HSV für eine Sitzplatzkarte billiger und dort ist das spielerische Niveau dann leicht höher anzusiedeln. Auch wenn es „nur“ der HSV ist. 😉

Darum also kurz die Alternativen gecheckt und mal auf gut Glück eine Mail an Pressechef gesendet, ob für mich denn noch ein Platz auf der Pressetribüne frei sei, schliesslich wolle man für seine Leser natürlich nur das Beste. Wenig später die sachliche aber erfreuliche Antwort, dass auf meinen Namen eine Arbeitskarte hinterlegt werde. Und so stolzierte man kurz vor 19 Uhr vorbei an der Sicherheitskontrolle in Richtung Pressebank schön mittig auf der Haupttribüne, wo ich wie alle anderen erstmals den Computer an die Buchse schloss. Die nassen Badehosen sind dann aber Utensilien die man aufgrund Professionalität dann doch lieber nicht ans Geländer henkt. 😉 Zu meiner Rechten übrigens der Statistiker für die Liga, links von mir sass ein YB-Scout. Na dann mal guten Tag Freunde. Schaut und lernt. Nein, Spass beiseite, der Talentspäher aus Bern war dann tatsächlich ein umgänglicher Typ den es zu beneiden galt, denn neben dem Fussball schauen und Geld dabei verdienen darf der Herr auch noch den nächsten Gegner der Young Boys in der Europa League analysieren. Live vor Ort. Was dann so etwa so viel heisst wie samstags im Olympiastadion zu Baku, wo Qarabag bei Ravan Baku zu Gast sein wird. Mächtig Eifersucht. Naja, Tottenham ist aber auch nicht schlecht. 😉

Das letztjährige Kellerduell wurde hart geführt und ein Blick auf die beiden Mannschaftskader zeigt, dass die Gäste mit Daniel Gygax, Ex-Basler Mustafi oder Talent Jonas Omlin doch über den einen oder anderen Spieler von ursprünglich etwas grösserem Format verfügen. Zuschauertechnisch war das Stadion heute vor allem auf Heimseite gut gefüllt, Gäste aus der kleinen Gemeinde oberhalb von Lausanne waren wie erwartet keine vor Ort. Somit drückten alle 2’513 Zuschauer der Heimmannschaft die Daumen. Stimmung kam trotzdem nie gross auf, wiederum nichts Unbekanntes, da wie bereits erwähnt der Eishockey in Biel einen höheren Stellenwert hat als das Zweitligagekicke. Spielerisch wurden heute sicherlich keine Bäume ausgerissen und man musste von einer insgesamt doch recht schwachen Partie sprechen.

Der erste Viertel der Partie ging ohne nennenswerte Chancen vorbei. Am gefährlichsten wurde es am ehesten noch für die Zuschauer hinter den Toren, denen die ungenauen Bälle aufgrund des (noch?) fehlenden Netzes teilweise nur so um die Ohren flogen. Nach einer guten halben Stunde ging der Fast-Absteiger dann mit der ersten guten Aktion in Führung. Die Führung währte jedoch nicht lange, denn die Gäste konnten nur drei Minuten später vom Punkt aus egalisieren, da der Heimverteidiger äusserst stümperhaft seinen Gegenspieler zu Boden riss.

Kurz vor der Pause dann noch Glück für die Gastgeber, die in extremis auf der Torlinie einen erstmaligen Rückstand verhindern können. Kaum wieder angepfiffen holte sich ein Akteur der Hausherren die Ampelkarte. Nun war Pfeffer drin in der Partie, bei der es auf beiden Seiten haufenweise individuelle Fehler gab. Zwanzig Minuten vor Schluss traf dann Ex-Berner Xavier Hochstrasser zur erstmaligen Führung für die Gäste, was natürlich zu Sticheleien meinerseits gegen den Berner Scout führt, der es aber mit Humor nahm. Dem ersten Sieg nun ziemlich nahe verspielte Le Mont den Vorteil mit der Überzahl selber und nach 75 Minuten herrschte wieder Ausgeglichenheit bezüglich Spieleranzahl. Und prompt konnten die Bieler wenige Minuten vor Schluss eine empfindliche Niederlage abwenden und doch noch ausgleichen. Um nicht den letzten Zug in die Heimat zu verpassen musste man noch vor der Nachspielzeit die einem an den Kasten in Thun erinnernde Arena im Industriegebiet verlassen. Nach Spielschluss dann noch kurz das Resultat nachgeschaut. Es blieb beim Unentschieden. Allerdings bei einem 3:3. Tatsächlich trafen noch beide Parteien einmal in den gegnerischen Kasten. Nicht das erste Mal, dass mir so etwas widerfährt. Ich hätte es mir denken können.

Immerhin gewann St. Gallen überraschend in Luzern. Dort hätte es für mich aber zeittechnisch sowieso nur für eine Halbzeit gereicht und damit hätte man den siegbringenden Prachtstreffer wiederum verpasst. Wobei wir wieder gleich weit wären.


AIK Solna - Djurgardens IF

Nun ist mit dem Stockholmer Derby also die Hauptspeise des Schwedenaufenthalts an der Reihe. Für dieses Spiel sollte man allerdings nicht alleine am Tische sitzen, sondern vom Kollegen Thomas und seiner Freundin aus der heimischen Ostschweiz flankiert werden. Diese verbrachten einige Zeit hier im Norden und die Gegend gefällt ihr und ihm nun sosehr, dass es die beiden beinahe bei jeder Gelegenheit wieder zurück in den Norden zieht. Und so kam es, dass man sich nach einem, zumindest meinerseits, abwechslungsreichen Tag und dem obligaten Besuch der Altstadt (Gamla Stan) sowie dem bekannten Fotomuseum gegen 17 Uhr vor dem Hotel des Kumpanen traf. Da diesem Herrn in der Heimat ein mehrjähriges Stadionverbot aufgebrummt wurde, ist er nun doch schon das eine oder andere Male an den Derbys hier in Schweden vor Ort gewesen und auch gestern hatten die beiden mit der Partie Malmö – Göteborg einem fantechnisch durchaus unterhaltsamen Kick beigewohnt. Schon lustig, wenn man sich 1500 Kilometer nördlich von der eigentlichen Heimat einfach mal so kurz auf eine Fussballpartie trifft.

Bewusst wird für einmal mit der Berichterstattung zur Stadt und den Sehenswürdigkeiten etwas zurückgeschraubt, dies obwohl Stockholm mir wirklich gut gefallen hat und auch das Museum mitsamt seiner Aussicht überzeugen konnte. Schliesslich will man sich nicht in Details und zu langen Texten verlieren, zumal man das Hauptaugenmerk doch auf den Sport und die damit verbundenen Aktivitäten gelegt hatte.

Nach kurzer Unterredung entschied man sich in Richtung Vorort Solna zu fahren, wo die herzlose Friends Arena das mittlerweile abgerissene Rasunda ersetzt und der gleichnamige Fussballverein seit längerer Zeit sein Zuhause findet. Dort angekommen noch ein „Briska“ offeriert bekommen, sowie den von Thomas gewählten Cider mit dem lustigen Namen „Rekorderlig“ ebenfalls für äusserst süffig befunden. Von der U-Bahn-Haltestelle hätte man den Weg zur Spielstätte wohl auch ohne die Hilfe meiner beiden Begleiter gefunden, zumal sich recht früh schon gut Volk in Richtung Stadion bewegte. Vorbei an einem mit Djurgarden-Fans gefülltem Pub läuft man eine gute Viertelstunde, ehe sich das grösste Stadion Skandinaviens vor einem auftut. Mehr als 50’000 Leute finden in dieser Baute Platz.

Wirklich bekannt ist Schweden für die Normalbürger fussballbezüglich nicht, im Gegenteil, neben Zlatan Ibrahimovic kennt man am ehesten noch die beiden Vereine aus Malmö und Göteborg dank den internationalen Auftritten aber dann hat es sich auch schon wieder. Und so wissen viele nicht, dass hier jeweils das wohl beste Derby im ganzen nordischen Reich über die Bühne geht. Und dies zwischen dem AIK, ausgeschrieben Allmännä Idrottsklubben, was jedoch nichts mit irgendwelchen urdeutschen Idioten zu tun hat sondern vielmehr einfach Allgemeiner Sportklub heisst. Dieser Verein gehört mit elf Meisterschaften dann auch gerade zu den erfolgreichsten des Landes und ist somit auch logischerweise einer der beliebtesten, wenn nicht sogar der beliebteste Sportclub innerhalb der Landesgrenzen. Den zweitgrössten Verein stellt das heutige Gegenüber aus Djurgarden. Beide Vereine gehören daher auch seit Jahren zu den Titelaspiranten, tun sich aber gegen die Konkurrenz aus Malmö und Göteborg in letzter Zeit äusserst schwer. Fantechnisch sind sie aber definitiv Spitzenreiter, AIK mit der Black Army unter der Leitung eines schwarzen Vorsängers (wie passend) während die „Järnkaminerna“ genannten Djurgarden-Fans dem britischen Vorbild folgen und eher als stimmgewaltig gelten und darum auch auf den Einsatz von Trommeln und Fahnen verzichten. Freunde der dritten Halbzeit sammeln sich bei den Gästen wie gewöhnlich hinter dem Banner „DFG – Djurgardens Fina Grabbar“ übersetzt Djurgardens feine Kerle, wobei ein genauer Blick genügt, um das Potenzial dieser „feinen Kerlen“ zu erkennen. Des Weiteren verfügen sie mit dem 2003 gegründeten Ultra Chaos Stockholm über eine weitere schlagkräftige, im Gegensatz zur DFG, aber auch supportwillige Truppe.

Die letztgenannte Vereinigung musste dann auch gerade für eine erste gelungene Derbyprovokation seitens der AIK-Fans herhalten, die noch vor Anpfiff den Slogan „UCS: Schwedischer Meister im 100-Meter-Lauf“ präsentierten. Dies konnte dank der Herzensdame von Thomas entschlüsselt werden, die glücklicherweise der schwedischen Sprache mächtig ist. Und so hatte man auch kein Problem, die Eingangschoreo auf der gegenüberliegenden Seite zu verstehen, wo ein schönes Fahnenmuster mit einem Bild und dem Slogan „Kungarna av Stockholm – Könige von Stockholm“ untermalt wurde. Kurz darauf wurden diverse Rauchtöpfe in den Vereinsfarben gezündet, was mehr als ordentlich aussah. Da der Heimanhang wie von ihnen angekündigt gegen die verschärften Massnahmen protestiert, verzichtete man auf eine Choreografie und so erblickten lediglich einzelne Pyros das Licht der Welt. Definitiv mehr als schade, zumal man dann auch die überraschende Einlage verpasste, die leider in der Pause veranstaltet wurde und man bei der Rückkehr nur noch die dicken Rauchschwaden zu sehen bekam. War aber wie später gesehen auch sehr gelungen und kann auf den bekannten Seiten wie Ultras-Tifo oder Faszination Fankurve für Interessierte noch nachgeschaut werden.

Spielerisch war die Partie wie in der letzten Zeit so oft (zu oft?) auf äusserst schwachem Niveau und so sahen die 39’387 Zuschauer in der, abgesehen von den Pufferzonen, beinahe ausverkauften Arena ein Spiel, das immerhin nicht torlos endete; mit einem 1:0 Sieg für die Gastgeber aber trotzdem einen bescheidenen Ausgang gefunden hatte.

Vom Support her attestierten mir meine zwei Begleiter das Gesehene als eher schwaches Derby; von der Lautstärke her was es aber trotzdem äussert nett anzuhören, wobei AIK meiner Meinung nach etwas den Kürzeren gegenüber den stark aufgelegten Gästen zog. Auch hier wird allerdings langsam an der Repressionsmaschine gedreht, als erstmals in den Derbys der Speaker die Fankurven aufgrund der doch grossen Spielverspätung aufforderte, das „Abbrennen bengalischer Gegenstände“ doch bitte zu unterlassen. Das Stadion erinnert mich sehr an dasjenige im nordfranzösischen Lille, wobei hier doch deutlich bessere Stimmung als in Frankreich, Deutschland oder in unserer überschaubaren Schweiz herrschte.

Erstmal zu Max hiess es nach Spielschluss kurz vor 22 Uhr, bei einer ursprünglichen Anspielzeit von 19.05 Uhr. Max ist allerdings kein schwedischer Kumpane unseres Trios, sondern eine Burgerkette, die als Alternative herhalten musste da bereits alle anderen Lokalitäten geschlossen hatten. Ausschreitungen wird es wohl auch noch gegeben haben, wobei aber lediglich ein Angriff der AIK-Hooligans auf das anfangs von Djurgarden bevölkerte Pub in den Medien Erwähnung gefunden hatte. Vielleicht ja auch besser so, wer weiss…

Zurück in der Innenstadt verabschiedete ich mich von meinen beiden Weggenossen und ging zurück in Richtung Hotel, wo man auschlafen durfte und bald schon den Heimweg antrat, während sich die beiden noch ein paar Tage Shopping und Entspannungen in Sverige gönnten. Zwar nicht wie der kleine Nils Holgersson auf den Rücken der Gänse, aber immerhin im Innern der Swiss-Maschine erreichte ich am frühen Dienstagabend wieder die Schweiz mit ausschliesslich guten Erinnerungen an eine schöne Tour im erfrischend warmen Schweden.


Hammarby IF - IF Elfsborg

Für all die vielen unpassenden Terminierungen in den letzten Jahren konnte sich der Spielplangott also an diesem Wochenende erstmals revanchieren und schenkte mir neben dem morgigen Derby auch ein Heimspiel des dritten Vereins in Stockholm. Und dieser dritte Verein, die Idrottsförening (das deutsche Pendant dafür wäre der Namenszusatz Sportvereinigung) von Hammarby sollte der heimliche Star der gesamten Reise werden. Bis zum Anpfiff am späten Nachmittag unweit von meinem Nachtquartier auf der Halbinsel Södermalm würde es aber noch mehr als einen halben Tag dauern. Genügend Zeit also, um Sack und Pack im Hotel zu lassen und sich auf den Tipp eines Kollegen hin mit der T-Bana (U-Bahn in Stockholm) zur Station Slussen zu begeben. Von dort aus bringt einem nämlich ein kleiner Bus in knapp dreissig Minuten raus aus dem Zentrum Stockholms und mitten in die herrliche Natur Schwedens. So ruhig und friedlich wie es hier draussen zu- und hergeht, könnte man beinahe vergessen, dass man sich nur unweit einer Metropole befindet.

Die Haltestelle Hellasgarden bedeutete für mich auszusteigen und die kurze Strecke bis hin zum See Källtorpssjön zurückzulegen. Bereits vor dem Mittag erfreuten sich am öffentlichen Strand viele Leute einer Abkühlung. Mein Ziel war aber nicht der gut bevölkerte Strand und schon gar nicht die dortige FKK-Abteilung, nein, für mich ging es am Seeufer entlang in einer halben Stunde auf die gegenüberliegende Seite, wo man mitten in der Natur ein ruhiges Plätzchen fand, bei dem der Einstieg ins erstaunlich warme Wasser besonders einfach zu bewerkstelligen war. Pure Entspannung und eine Aussicht in den Tannenwald sowie fast keine Menschenseele um sich herum. Da tanke ich Kraft. Nachdem die Batterien wieder vollends geladen waren ging es den Hinweg im gemächlichem Tempo zurück, was mit der Stimme von Bon Iver im Ohr ebenfalls ein wunderbar effizientes Mittel ist um abzuschalten. Gerade zufällig stand beim Erreichen der Haltestelle auch schon der Bus bereit, der mich zurück ins „zivilisierte Leben“ bringen sollte. Da die Uhr am heutigen Sonntag langsamer tickte als gedacht bot sich vor der Partie noch die Möglichkeit an, ein eigentlich für morgen geplantes Prunkstück der Stadt zu besuchen. Das Stockholmer Olympiastadion und damit die alte Heimat vom Verein auf der schönen und gleichnamigen Insel Djurgarden.

Nach dem Abriss des Rasundastadions ist dies wohl noch die einzige Stadionperle, welche die schwedischen Hauptstadt zu bieten hat. Leider war die Anlage wie erwartet rundherum abgeschlossen, „echte Groundhopper“ finden aber natürlich immer einen Weg, sodass ich wenige Zeit später an der zweiten Ruheoase des Tages den wunderschönen Ausblick ins Rund genoss. Punkten kann die Spielstätte nicht nur durch ihre zwei einmaligen Wachtürme sondern auch durch schön langgezogene Sitztraversen aus Holz, die zum Teil richtig aufwendig verziert sind. Des Weiteren erinnert einem das kleine Dach auf der Haupttribüne auf irgendeine Weise an den Vorbau einer chinesischen Tempelanlage.

Bevor man allenfalls noch von einem Sicherheitsbeauftragten entdeckt wurde schlüpfte ich wieder ins Freie und machte mich nun langsam aber sicher auf den Weg zum heutigen Austragungsort der Allsvenskan-Partie. Vorbei an einigen schönen U-Bahn-Stationen ging es für einen kurzen Stopp noch einmal ins Hotel, um die Kamera zu schnappen, ehe man zurück zur U-Bahn eilte und dabei in der Hotellobby beinahe noch einen Celtic-Fan über den Haufen rannte. Dieser war hier um seine Zweitliebe Hammarby zu unterstützen. Vom morgigen Derby wusste er nichts wie sich herausstellen sollte, er versicherte mir aber, wenn der Preis stimmt doch noch hinzugehen. Mach was du willst Scotsman! Dort sei er aber gut beraten, wenn er sein Hammarby-Shirt im Hotel lassen würde, wie auch ich gut beraten war, ihm meine Rangers-Vorliebe zu verschweigen.

Obwohl der Stadionkomplex nur etwa zehn Fussminuten entfernt liegt, war man so faul und hüpfte (bin ja schliesslich Hopper höhö) für die eine Station noch in die Metro, schliesslich will man ja auch seine Access-Karte ausnützen. So heisst hier das Pendant zur Londoner Oyster Card und ist ebenfalls einfach in der Handhabung sowie auch touristenfreundlich. Vor dem heutigen Duell liegen die Widersacher der Hauptstädter auf dem guten vierten Rang, während Hammarby, nach dem Aufstieg im letzten Jahr, auf dem elften von 16 Tabellenplätzen zu finden ist. Trotz der sportlichen Belanglosigkeit in der sich der Club befindet, darf er sich ligaübergreifend über einen sehr hohen Zuspruch der Bevölkerung freuen. Hier zeigen sich bereits einige Gemeinsamkeiten zu meinem Herzensverein, dem FC St. Gallen. Nicht aus den heimischen Gefilden bekannt war mir die Dichte von Fanartikeln, die man als weiblicher Fan auf sich tragen kann. Zum Teil rechte schicke Kurzarmshirts mit der Aufschrift „Ultras Hammarby“ und definitiv nicht solch offizielle Fantrikots mit nervigen Werbebadges drauf, wie man sie von Zuhause kennt. Sah schon recht nett aus, wenn da die blonden Schwedinnen so herumliefen. Allgemein hatte der Club nur schon wegen den gleichen Farben relativ schnell Sympathien in mir geweckt. Nur die leider etwas zu ähnlichen Bierpreise verglichen mit der Heimat trübten die Romanze.

Die etwas mehr als 30’000 Zuschauer fassende Tele2Arena teilt sich Hammarby mit dem Stadtrivalen Djurgarden, der somit ebenfalls jede zweite Woche auf dem Kunstrasen im Stadion neben dem interessanten Globe, einer runden und nicht minder imposanten Eventhalle kickt. Nach der Eingangskontrolle sticht einem dann wieder die soziale Ader der Schweden in die Augen, wenn man sieht, wie sich die jüngeren Semester mit Tischfussball, Torwand schiessen oder dem Aufmalen von Schminke in der Vereinsfarben vor dem Spiel beschäftigen dürfen.

Gut eine halbe Stunde vor Anpfiff nahm ich Platz auf meinem Sitz schön mittig der Haupttribüne, dieser hatte aber auch seinen Preis. Dafür bekam man eine perfekter Sicht auf den Fansektor geliefert, dessen Revier sich nicht wie bei den Heimspielen des Kontrahenten nur auf eine Hintertorseite beschränkt, sondern auf einer Seite sogar noch um die Kurve bis beinahe zur Mittellinie hin erstreckt. Diese Kurve sorgte dann auch bereits vor Spielbeginn für den ersten positiven Eindruck, als sich der Kidsclub (aus der Bundesliga ja mittlerweile jedem bekannt) vom Pöbel mächtig feiern lassen durfte und prompt mitzog und nicht wie bei jedem anderen Trottelverein völlig abwesend und eingeschüchtert einmal fahnenschwingend im Kreis umherlief.

Als dann die von den Fans gesungene Hymne durch das mit 21’165 Zuschauer äusserst gut gefüllte Stadion dröhnte, hatte man das erste Mal Gänsehaut und auch in der Folge war die Stimmung meiner Meinung nach abgesehen von Derbypartien als eine der besten in der nördlichen Hemisphäre zu bezeichnen.

Die Gäste aus der Stadt Boras, die mit knapp 150 Gästefans im Gepäck angereist waren bestimmten zu Beginn das Geschehen, wobei aber Hammarby immerhin hinten dicht halten konnte. Bei den eigenen Angriffsbemühugnen scheiterte man aber jeweils am technischen Unvermögen einiger Akteure oder an den absolut wirren Entscheidungen des Unparteiischen, der seinen Namen heute definitiv nicht rechtzufertigen wusste. Beispielhaft dafür eine Szene in der 45. Minute, als er trotz einer Minute Nachspielzeit genau vor der Ausführung eines Freistoss von Hammarby am Sechzehner die Akteure in die Kabine bat. Kollektives Ausrasten auf den Rängen und die vier Herren wurden zurecht mit einem gellenden Pfeiffkonzert verabschiedet.

Wenn wir schon bei den Kuriositäten angelangt sind gilt es zu erwähnen, dass die Tribünen schräg verlaufen und zum Hammarby-Sektor hin noch ein stattliches Stück an Grösse zulegen. Das Schiedsrichtergespann blieb auch im zweiten Durchgang desolat, was bei gewissen Szenen manchen Zuschauer wild gestikulierend aus den Sitzen riss. Verständlich, eine solche Leistung hätte mich als Supporter wohl ebenfalls in Rage gebracht. Immerhin beschränkte sich die Unterstützung der Fans wie so oft aber nicht nur auf die Pfiffe gegen den Schiedsrichter sondern auch auf sehr lauten und durchgehenden Support. Zwar nicht die schönsten Melodien aber sicherlich Lieder mit Ohrwurm-Charakter! Trotz allem vermochten die Akteure den Ball nicht im gegnerischen Tor unterzubringen und das gefürchtete Abtraumszenario einer Nullnummer ist eingetroffen, nachdem es in den beiden vorherigen Partien noch durch äusserst späte Tore abgewendet werden konnte. Somit reisst also die 75-Spiele-Serie, die seit dem ersten Tag des Jahres und dem 0:0 zwischen Aston Villa und Crystal Palace Bestand hatte. Enttäuscht trat ich den Rückweg zum Hotel trotzdem nicht an, zu gut war die Unterstützung heute gewesen. Mir ja war aus diversen Berichten anderer Hopper klar gewesen, dass Hammarby durchaus seinen Reiz hat, aber dass der Support so nett war hätte ich nicht gedacht; vielleicht hatte ich aber auch nur Glück gehabt. Ist als Groundhopper ja immer schwierig zu sagen, wenn man nur einmal vor Ort ist.

Nach einer kurzen Verschnaufspause ging es auf den Tipp meines schwedischen Kollegen Jonas hin in Richtung Medborgarplatsen, wo tatsächlich gut etwas los war. Und so lernte man noch eine dänische Kindergartenlehrerin kennen, die vor ihrem ersten Arbeitstag noch „kurz einen Trinken“ ging. Sympathisch! Ich selbst verliebte mich ebenfalls an diesem Abend, allerdings in Briska, und nein, dies ist kein falsch geschriebener Mädchenname, sondern das beste alkoholische Getränk das ich je getrunken habe. Schlummertrunk und dann gute Nacht.


IK Sirius - Ljungskile SK

Meine Freundin rief an, ob ich mitkommen kann auf die Hütte im Schnee und sagte: Nein danke, es sei bereits eine kleine Tour ins Inselreich Skandinavien geplant. Und so traf sie wohl alleine auf den hübschen Studenten aus dem schwedischen Städtchen Uppsala, mit dessen Hilfe die Sängerin Kirsti damals im Jahre 1989 einem Schlagerhit landen konnte. Und so stammen natürlich auch die ersten Zeilen in diesem Beitrag von jenem Ohrwurm. Uppsala damit auch die heutige Destination, als man sich am frühen Morgen zusammen mit Kumpel Schenk an den Flughafen Genf begab. Allerdings für einmal nicht mit dem gleichen Ziel. Während bei mir, wie bereits erwähnt Skandinavien als Reiseziel auserkoren wurde, ging es für den Herrn Kollegen eine Woche in den Segelurlaub an die Adriaküste von Kroatien. Aufgrund des zeitgleichen Fluges bot ich ihm an bei mir zu Übernachten und zumindest bis zum Abflug gemeinsam unterwegs zu sein. Klappte dann auch alles wie geplant und der Junge schwärmt auch heute noch von den malerischen Sonnenuntergängen, die er in den kroatischen Gewässern geniessen durfte.

Das erste malerische Erlebnis meinerseits war der Anflug auf die schwedische Hauptstadt. Wirklich beeindruckend die Gegend aus der Vogelperspektive mit den abertausenden von kleinen Inseln zu betrachten. Ideal mit dem Anreisetag verbinden lassen, sollte sich eine Partie in der Stadt Uppsala, wo der zweitklassige IK Sirius beheimatet ist. Die viertgrösste Stadt des Landes, dessen Namen an den Ausruf nach einer ungestümen Bewegung erinnert, liegt circa 70 Kilometer nördlich von Stockholm. Was wiederum jedoch nur knapp die Hälfte ist, wenn man von meinem Zielflughafen Arlanda aus rechnet. Und somit ging es direkt nach der Landung per Zug auf in die Universitätsstadt. Uppsala hat knapp 150’000 Einwohner und das Stadtbild wird durch den Fluss Fyrisan und dem Schloss auf einem Hügel mit botanischem Garten geprägt. Besagte Anlage wurde von mir aufgesucht und wusste durchaus zu gefallen. Zeitig ging es jedoch wieder runter in die Innenstadt, wo ich mich zu Fuss zum naheliegenden Stadion aufmachte.

Neben der eigentlichen Anlage entdeckte ich noch ein zweites Stadion, welches mit etwas Geschick auch prompt für das obligate Foto betreten werden konnte. Und nein, das ist kein Schnee auf dem Boden und trotzdem scheiden sich die Geister bei mir weiterhin, welcher Sportart der schöne Ground als Zuhause dient. Mittlerweile weiss ich, dass dort Bandy gespielt wird, also eine Art Vorreiter des Eishockeys. Da die Anlage direkt neben dem Fussballstadion liegt, ging es einfach mal quer über dem Platz vorbei am VIP-Zelt und ehe man sich versah stand ich vor der Haupttribüne.

Da steuerte bereits ein Ordner auf mich zu und redete in der Landessprache auf mich ein. Was er da konkret zu mir sagte, weiss ich bis heute nicht, anscheinend sprach aber alleine bereits meine Mimik für sich und er wies mich an, ihm zu folgen. Schon mit einem Rauswurf rechnend stand ich wenige Zeit später in der Vereinsstätte, wo mir eine Art Weste sowie ein Presseausweis in die Hände gedrückt wurden. Sichtlich verdutzt wurde mir langsam bewusst, dass meine neue Spiegelreflexkamera wohl des Rätsels Lösung sein musste und den Sirius-Verantwortlichen in die „Presse-Irre“ führen liess. Aber ist ja nicht weiter schlimm, heute ist dann halt mein Glückstag.

Rückblickend muss ich sagen, dass ich mich abgesehen von der orangen Weste und dem ständigen Gefühl beobachtet zu werden durchaus daran gewöhnen könnte. Ist doch nett, wenn man in der Halbzeit sich in den Presseraum zurückziehen darf und bei Kaffee und delikaten Kanelbullar die Torschützenliste sowie weitere Statistiken „serviert“ bekommt. Zudem konnte eine echt flotte Partie vor 2’100 Zuschauer aus nächster Nähe beobachtet werden und dementsprechende Schnappschüsse eingefangen werden. Torreich ging es ganz nach meinem Gusto am heutigen Samstag bei herrlichem Sonnenschein und Temperaturen um die zwanzig Grad auch zu und her. 3:3 Unentschieden lautete das Schlussverdikt, wobei die Gäste aus Ljungskile dreimal einen Rückstand ausgleichen konnten und zuletzt nicht ganz unverdient zum Punktgewinn kamen. Auf der Heimseite trauerte die kleine aktive Fanszene am Tribünenrand wohl vor allem den vielen verpassten Konterchancen nach.

Als der Schiedsrichter die Partie beendete ging es für mich zurück in Richtung Bahnhof und per Zug in die Hauptstadt. Die Fahrt vorbei an den Birken, Seen und den typisch weinroten Häuser mit weissen Holzbalken liessen Erinnerungen an Astrid Lindgrens Erzählungen aus der Kindheit aufkommen. Wer hätte damals wohl je gedacht, dass ich eines schönen Tages als offizieller Medienvertreter einem schwedischen Zweitligaspiel beiwohne.


CS Chênois - FC Veyrier Sports

Der heimische Fussball wird ja quasi wenn dann nur noch unter der Woche beehrt, da man am Wochenende meist über die Landesgrenzen hinweg aktiv ist. So nimmt man Gelegenheiten wie die heutige gerne war, um einen heimischen Bolzplatz am Freitag noch vor Beginn des Wochenendes zu besuchen. Wobei so richtig weit weg vom vielzitierten Ausland in Form der „Grande Nation“ ist der heutige Austragungsort gar nicht einmal. Das Genfer Vorort Chene-Bourg liegt nämlich nur knapp zwei Kilometer von der französischen Grenze. Ebenfalls ganz in der Nähe zu finden ist die Heimat des heutigen Gästeteams, nämlich Veyrier. Von einem Derby zu sprechen ist dann abgesehen von der geografischen Nähe in dieser Spielklasse schlussendlich aber doch etwas zu viel.

Trotz dem Wochentermin verirrten sich knapp 200 Zuschauer in das Stadion Trois-Chênes (zu Deutsch „Stadion zu den drei Eichen“) welches jedoch mindestens zweitklassig sein könnte und dort am ehesten der Spielstätte des FC Aaraus gleicht. Die erfolgreichen Zeiten sind hier am Tor zur Calvinstadt aber vorbei und man ist froh, dass man zumindest den heutigen Anwesenden prächtige Grillwaren servieren darf und so etwas Geld in die Kassen spülen kann. Dazu ein Gespräch mit einem ehemaligen englischen Proficoach und ein kühles Super Bock. Der gute alte Herr hiess übrigens Frank McDonald (welch klingender Name) und siedelte nach dem zweiten Weltkrieg in die Schweiz über und geniesst bei erstaunlicher Vitalität nun seinen Lebensabend.

Ach, wie ich diesen Amateurfussek gerade darum doch so liebe! Die Partie ging übrigens dank einem späten Treffer verdient mit 1:0 an das Heimteam, während sich die Gäste im Norwich-Look noch glücklich schätzen können, hier nicht mehr als einen Treffer eingeschenkt bekommen zu haben. Die Trikots der Gastgeber erinnern übrigens sehr an das Produkt aus Salzburg; somit gehen immerhin trikottechnisch die Punkte ins Nachbardorf.

Einen etwas weiteren Heimweg hatte ich vor mir, den man nach dem Schlusspfiff auch prompt in Angriff nahm und kurz vor Mitternacht konnte die Wohnungstür für einen somit garantiert ungestörten Schlaf verriegelt werden.


FC Basel – Lech Poznan (05.08.15)

Bereits das nächste Kracherduell, nachdem die Polen in der vorherigen Runde auf den FK Sarajevo trafen. Mit einem sogenannten Kracher ist allerdings nicht der spielerische Teil gemeint, sondern die Anhänger der beiden Teams, die allesamt als besonders heissblütig gelten. Ich persönlich würde die Poznan-Supporter bezüglich Support und Gewaltpotenzial sicherlich auf einem der Podestplätze einordnen, so etwa auf der Höhe mit den beiden Belgrader Vereinen. Sarajevo und Basel sind da etwas kleinere Nummern. Trotzdem gilt es die Bosnier vor allem auch dank ihren Freunden aus Dresden durchaus ernst zu nehmen sowie auch den Schweizer Krösus Basel, der schon die Bayern, Chelsea und viele andere internationale Grössen in deren Heimstadion an die Wand gesungen hatte.

Einen kurzen "fantechnischen Rückblick" auf das vorhergehende Duell gegen Sarajevo erlaube ich mir vor der eigentlichen Berichterstattung ebenfalls: Wie immer reisten viele Polen ihrem Team nach und wurden von den lokalen Leuten erwartet. Dabei war ein Übergriff in den Medienblätter besonders präsent. In der Dämmerung griffen rund 100 Heimtifosi knapp 50 polnische Fans an, die in einem Pub friedlich (!) ihr Bier tranken. Die ganze Auseinandersetzung dauerte beinahe eine halbe Stunde, bis die Polizei den Vorfall unter Kontrolle hatte. Das überraschende und für sich sprechende Fazit: Laut Überlieferungen gab es 18 Verletzte seitens der Sarajevo-Anhänger, 12 verletzte Polizisten und lediglich 7 Fans der Polen, die medizinisch behandelt werden mussten. Schon wahnsinnig. Beim Rückspiel waren dann auch nur eine ganz kleine Sektion Gäste vor Ort, einerseits verständlich da das Ganze doch nahe an Kamikaze grenzt, andererseits etwas "schwach", zuhause den Max zu machen und dann auswärts einfach nicht zu fahren.

Da hatte es Basel leichter, die zuerst in die "Pyrohölle" reisen durfte. So zumindest nannte es ein Journalist eines Schweizer Boulevard-Blattes. Ein Journalist, der mit hundertprozentiger Sicherheit weder je in seinem Leben in Posen war und wohl noch weniger jemals polnischen Fans begegnet ist. Tatsächlich sorgen sie immer wieder für Negativschlagzeilen, auf die sich die Medien dann wie gierige Geier jeweils stürzen.

Doch das Problem ist grösser und tiefgründiger als die meisten zu glauben scheinen. Es reicht zurück bis in die kommunistische Zeit, von der sich Teile des Ostens bis heute noch nicht vollständig erholt haben und dementsprechend unter den Spätfolgen leiden. Eine dieser Folgen ist auch die zum Teil fehlende Bildung und der damit in Verbindung zu bringende Hang zum Extremismus, wobei die „Täter“ in diesem Falle meistens im Fanumfeld Unterschlupf gefunden haben.

Nun aber zurück zum Hinspiel, welches Basel übrigens klar mit 1:3 Toren für sich entscheiden konnte, wobei, welch Wunder für die heimische Presse, kein Schweizer Fan niedergestochen noch in irgendeiner anderen Weise geschädigt wurde, soweit ich weiss. Somit scheint die sportliche Angelegenheit also bereits vor dem Rückspiel ziemlich klar zu sein. Und trotzdem reisten knapp 1500 Polen in die Schweiz. Diese waren natürlich der Grund weshalb auch ich und Andrin zwei zu Gast waren, da das fussballerische Können der polnischen Teams jeweils relativ überschaubar ist.

Mein Pendant konnte erst pünktlich zum Spielbeginn aufkreuzen, während ich mich bereits zur Nachmittagszeit in Richtung Basler Innenstadt bewegte, um den Treffpunkt der Gästeanhänger ausfindig zu machen. Wie erwartet war dies der Barfüsserplatz, wo es von Polen in blauen Shirts nur so wimmelte. Mächtig Kampfsportler vor Ort, die bereits zur frühen Stunde gut Bier zum Gaumen führten. Falls ich in irgendwelche Probleme verwickelt werden sollte, hatte ich immerhin noch meinen Joker in Form der Karta Kibica von den Lech-Freunden Cracovia zur Hand. Bald einmal formierten sich die Herren und machten sich geschlossen auf zum Stadion. War schon eindrücklich der Marsch. Tröstet zumindest ein wenig über das Vorprogramm hinweg, welches man eigentlich auf dem Schirm hatte, ehe die Testpartie zwischen den Berner Young Boys und dem SC Freiburg auf dem schönen Neufeld verschoben wurde. Ebenfalls verschoben wurde der Besuch vom Landhof, einem sogenannten Lost Ground mitten in der Basler Innenstadt, um eben das obengenannte Spektakel nicht zu verpassen.

Das Spiel war dann etwa wie das Cateringangebot. Fade und überteuert. Ganze 36 Franken musste man hinblättern, um die Partie und einen guten Auftritt beider Fankurven sehen zu dürfen. Bei den Gästen gefiel mir besonders der brachiale Fangesang „Hooligans, Lech Poznan Hooligans“ der jeweils auswärts zum Besten gegeben wird. Die Partie endete übrigens dank einem späten Treffer 1:0 für den FC Basel, was jedoch ziemlich wenige der 18'196 Zuschauer an diesem Abend interessierte. Ansonsten dominierten wirklich die hohen Preise den Abend, sei es die 10.- Gebühr, wenn man sein Ticket statt zuhause selbst ausdruckt vor Ort abholen will, die schlechte Dönerbox für eine zweistellige Summe oder die überteuerte und kurze Nacht, ehe es auch schon wieder zur Arbeit ging.

Egal, alles für Lech Poznan! ;-)


RB Salzburg - SK Rapid Wien

Heute war sie also gekommen: die erstmalige Begegnung zwischen dem Schweizer Hopperjüngling mit Hang zur fussballerischen Romantik und dem gigantischem Plastikspielzeug von Unternehmer Dietrich Mateschitz.  Ein Date mit der ältesten Lieblingstochter einer steinreichen Familie mit Kindern in Deutschland, Ghana und Brasilien. So wird dieser Spielbericht denn auch zum „literarischen Selbstversuch“ in der Erzählform eines Dates. Hauptdarsteller ist der Autor und Rapid-Sympathisant selbst, Musik und Ton kommt in Salzburg natürlich von Wolfgang Amadeus Mozart.

Der Himmel über Wals-Siezenheim ist beinahe wolkenlos, als ich mich zur besagten Stunde per Taxi vor die Lokalität chauffieren lasse. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät: gerade noch rechtzeitig. Kritisch begutachte ich das auf der Anhöhe gebaute Gebäude und schlängle mich durch abertausende Menschen der Marke Salieri zielgerichtet auf den Eingang zu, stets mit dem einen Gedanken im Hinterkopf.

Ich habe nicht vergessen, dass diese Dame bereits einen guten Jungen von einen Tag auf den anderen in die Wüste geschickt hatte. Ich habe auch nicht vergessen, wie sie ihr altes Umfeld für ein neues, nobleres eingetauscht hatte.

Zurück zum Eingang, vor dem sich bereits eine Schlange gebildet hat. Doch kein Wunder, denn das Lokal ist mit 17’500 Zuschauern gut gefüllt und nach kurzer Begutachtung durch den Türsteher geht es auch für mich hinein, leicht nervös. Die Begrüssung mit ihr ist kurz und nicht intim. wir setzen uns und schon bald umfassen meine Hände ein Salzburger Stiegl – ein vertrautes Gefühl. Eines, das mich sofort entspannt. Mein Date wirkt schön, wenn auch beinahe ein wenig zu perfekt.

Zu Beginn tasten wir uns vorsichtig ab, ehe wir beide mehr und mehr aus uns herauskommen. Zu meiner eigenen Überraschung präsentiere ich mich selbst in ziemlich souveräner Manier. Ihr Auftreten hingegen verfehlt bei mir die gewünschte Wirkung. Vielleicht mag sie aufgrund der wenigen Erfahrung noch nicht mit mir mithalten. Alles andere lässt sich mit Geld kaufen, von dem sie viel besitzt hat und entsprechend grosszügig mit den Preisen umgeht.

Vom Nebentisch dringen ätzende Geräusche herüber, die mich an aufblasbare Klatschpappen erinnern. Ich drehe genervt den Kopf ab und wende mich meiner Begleitung zu. Sie kommt nun nach Startschwierigkeiten langsam in Fahrt und erzählt flüssig von Dingen, die durchaus zu gefallen wissen. Nach einer Viertelstunde lande dennoch ich den ersten Treffer, wobei sie zu stottern beginnt und aus dem Rhythmus kommt. Kaum jemand hätte es mir zugetraut, doch eine solche Chance lasse ich mir natürlich nicht entgehen.

Wider Erwarten wirkt sie von nun an dominanter in unserem Gespräch und ist für eine stolze Dame sehr aktiv, wirklich zu mir durchdringen kann sie aber noch nicht. Kurz bevor ich mich in Richtung Toilette verabschiede, spreche ich noch einmal etwas an, das sie erneut aus der Rolle wirft. Diese Dame, die anscheinend so perfekt ist. Mein zweiter Treffer. Ich stehe auf, während sie sich auf ihren Handy mit einem sinnlosen Spiel die Zeit bis zu meiner Rückkehr vertreibt.

Der zweite Teil des Abends beginnt mit einem Funkeln in ihren Augen, als hätte sie ihre Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ein Funkeln, dass auf gewisse Art irgendwie künstlich wirkt. Mein Funkeln ist hingegen echt, jedoch umgeben von einem dunklen Aura, vielleicht weil ich zu wenig geschlafen hatte. In der Folge übernimmt sie grosse Teile des Gesprächs, stichelt immer wieder nach und drängt mich in die Defensive. Irgendwann entdeckt sie meinen Schwachpunkt und nutzt ihn prompt aus. Treffer für sie. 1:2.

Mein Joker mag nicht zu stechen, so beric hte ich halt von anderen Sachen oder höre ihr zu. Obwohl sie sich nun sehr engagiert, merke ich, dass es zwischen uns nicht passt und bleibe daher reserviert. Die Verabschiedung zieht sich hin. Doch irgendwann ist Schluss. Eine weitere Niederlage für sie, wenn auch eine von überraschender Natur. Doch wer stets alles hatte, fällt auch einmal auf die Nase. Der Anblick gefällt mir, denn sie muss lernen. Auch ich musste es damals lernen, hatte jedoch stets ein treues Umfeld. Dies kann sie von sich nach ihrem Wandel nicht behaupten.

Ich gebe zu, es gibt definitiv sachlichere Möglichkeiten, konstruktiv Kritik am Projekt Salzburg zu äussern. Was man als Leser davon hält, ist jedem selbst überlassen. Ich zerbrach mir lange Zeit den Kopf, in welcher Variante ich den Besuch hier niederschreiben soll. Entschieden habe ich mich schlussendlich für die oben notierte, dritte Fassung.

Feststeht, dass ich in Wals-Siezenheim Leuten begegnet bin, die vergessen haben, für welche Werte sie, die Austria und auch Salzburg ursprünglich gestanden hatte. Süchtig nach Erfolg hinterfragen sie neuartige Projekte mit gewaltigen Ressourcen nicht mehr und verkaufen ihr Eigen als Werbefläche für einen Menschen, der lediglich die effizientere Vermarktung eines klebrigen Tauringetränks zum Ziel hat.


SV Austria Salzburg - Austria Klagenfurt

Das Wochenende rund um den Schweizer Nationalfeiertag sollte zwei Partien in Deutschland und Österreich mit sich bringen. Zuerst sollte ich den Heimauftakt der Austria miterleben, ehe am nächsten Tag ein Besuch bei Wacker in Burghausen anstehen sollte. Bald aber gab Wacker bekannt, die Auftaktpartie der Regionalliga Bayern zu verschieben. Es war nun einmal mehr an der Zeit, umzudisponieren. Und dabei brach ich meine eigenen Prinzipien. Denn ich sah, dass die Retorte aus Salzburg an jenem Wochenende den SK Rapid Wien empfangen sollte. Und wenn ich mir jemals ein Spiel des Salzburger Produkts ansehen sollte, dann gegen Rapid.

Auf die Tour sollten mich zwei Kollegen aus dem Umfeld begleiten, wobei einer davon bereits zum Auftakt wegfiel, da der gute Herr die Abfahrtszeit verschlief. Prinzipiell schreibe ich meinen Mitreisenden – wenn Verdacht besteht – am Morgen jeweils, wenn es richtig früh raus geht. Diesmal erfolgte die „Kontrolle“ allerdings schon am Vorabend, was sich rächen sollte. So ging es nur zu zweit in die Mozartstadt, wo ein hoppertechnisches Traumwochenende bevorstand. In welcher Stadt Europas haben die beiden Rivalen am gleichen Wochenende ein Heimspiel? Berlin, Hamburg, Sevilla? Salzburg!

Die Anreise gestaltete sich dank dem Bayern-Ticket äusserst kostenfreundlich. Nach Ankunft in Salzburg ging es für uns direkt weiter nach Schwanenstadt, das kurz vor Linz liegt. Dort sollte die von Fans ins Leben gerufene Austria ihr erstes „Heimspiel“ im Profifussball bestreiten. Der Makel mit dem Exil trat ein, da der Stadionumbau in Salzburg nicht bis zum Saisonstart erfolgte. Lange Zeit galt das näher gelegene Vöcklabruck als Ausweichstätte, nach den Tumulten rund um das Pokalspiel gegen Sturm Graz hat die Gemeinde aber eine weitere Zusammenarbeit abgelehnt.

In unser Zugabteil setzten sich auch zwei Austria-Fans, die es fertig brachten, ohne Fahrkarte ausgestattet beim Kontrolleur statt einer Busse sogar noch einen ermässigten Preis für das Ticket auszuhandeln. Da bezahlen die beiden also ein Ticket ab den letzten Halt, obwohl sie seit Salzburg neben uns im Zug hocken, schaffen es mit viel Wortwitz und etwas Schwindel den Preis zu drücken und dann reklamiert einer der beiden – mit dem Bier in der Hand – noch stinkfrech über zu hohe Temperaturen im Zug.

Nach einer knappen Stunde Fahrt erreichten wir besagten Austragungsort, wo wir ungewollt Dorf-Sightseeing betrieb, da das Stadion am anderen Ende der Häuseransammlung lag. Viel mehr als einen Supermarkt für den Biernachschub unserer neuen Austria-Freunde gab es allerdings nicht zu sehen. Insgesamt waren die beiden aber sehr umgänglich und ich erfuhr doch noch das eine oder andere Detail über den Club, das mir vorher nicht bekannt war. So zum Beispiel, dass der Verein bei der Gründung einst bewusst die Farbe violett wählte, um politisch neutral zu wirken und als Verein dazustehen, der für jeden ein Zuhause bietet.

An der Spielstätte angekommen, merken wir schnell, dass hier alles recht provisorisch ist, zum Beispiel, als wir die Tickets an der umfunktionierten Tierkörpersammelstelle kaufen. Charmant-makaberer Fussballflair im Salzburger Umland!

Trotz Exil fanden 2’650 Zuschauer den Weg nach Schwanenstadt. Darunter auch eine Busladung mit jungen Casuals aus Klagenfurt, die mit ihrem typisch englischen Support jedoch nicht gegen den lautstarken Heimanhang ankamen. Immerhin aus pyrotechnischer Sicht ging diese Runde an die Gäste, nach dem Fall Vöcklabruck ist dies aber verständlich, schliesslich will die Austria nicht die wohl letzte Möglichkeit auf Profifussball vergeigen. Zu lange war der bemerkenswerte Weg zurück.

Spielerisch präsentieren sich die beiden Aufsteiger zu Beginn ebenbürtig, allenfalls mit leichten Vorteilen für die Klagenfurter, was ihnen praktisch mit dem Pausenpfiff die Führung beschert. In Abschnitt zwei folgt anfangs eine Druckphase der Gastgeber, die prompt zum 1:1 führt und den Lautstärkepegel auf eine ansprechende Höhe anschwellen lässt. Anschliessend haben beide Seiten Chancen auf den Lucky Punch, es bleibt jedoch beim gerechten Unentschieden im Stadion Vor der Au, wo lediglich die Haupttribüne nicht aus provisorischem Stahlrohr besteht.

In Salzburg nur die Austria!


Young Boys Bern – AS Monaco (28.07.15)

Ohne Fussball wäre das Leben doch langweilig, nicht? Darum am freien Nachmittag einmal kurz den Namensvetter aus der Arbeit geklingelt und gefragt ob er mächtig zu tun habe, ansonsten würde ich ihn nach Bern zum Champions-League-Qualispiel einladen. Prompt kam die Zusage seinerseits und ich verliess verfrüht die Badeanstalt und machte mich auf den Weg in Richtung Hauptstadt, da man wieder einmal so richtig Bock auf eine Partie hatte. Das letzte Spiel ist nun immerhin schon zwei Tage her. Spontane Ausflüge mag ich ja besonders und bereits beim letzten Mal ging es nach Bern. Damals bei eiskalten Verhältnissen zum FC Breitenrain, wiederum mit dem zweiten Andrin im Gepäck. Heute also wieder so eine Aktion. Der Vorteil bei den Young Boys ist ja der, dass man sich, wenn nicht gerade Liverpool zu Gast ist, keine Sorgen bezüglich der Kartenfrage machen muss. Sogar der lokale Eishockeyclub erhält grösseren Zuspruch und vom fantechnischen Auftritt der Schweizer war ich richtig enttäuscht heute, um dies vorweg zu nehmen.

In dieser Qualifikationsrunde gelten die Monegassen als klarer Favorit. Auf dem Feld wurde dies allerdings erst im zweiten Abschnitt eindrücklich aufgezeigt mit drei Toren von französischen Youngstern, während die Gastgeber im ersten Durchgang mehrmals fahrlässig mit Möglichkeiten umgingen und in zweiten Abschnitt lediglich den Ehrentreffer zum 1:3 erzielen konnten. Da wäre definitiv mehr drin gelegen, die Franzosen spielten trotz Spielergrössen in ihren Reihen wie Carvalho oder Toulalan relativ schwach, schlussendlich sollte es trotzdem für eine vorzügliche Ausgangslage reichen.

Der Support wie anfangs erwähnt richtig schwach, wobei man zumindest von den hundert Gästen nicht gross etwas erwarten durfte. Dass man es aber auf Heimseite nicht ein einziges Mal fertigbrachte, die gesamte Kurve zu animieren ist dann doch schon ziemlich erschreckend. Man möge sich vorstellen was in St. Gallen bei so einem Spiel los wäre. Volle Hütte und Hexenkessel-Atmosphäre. Hier aber Tristesse und nur 16'079 Zuschauer, was ziemlich genau heisst, dass jeder zweite Sitz an diesem Dienstagabend leer geblieben ist. Vielleicht wird die Europa-League in Bern ja tatsächlich bereits als Alltag abgetan. Nein, definitiv kein sympathisches Pflaster, auch durch die extrem laut eingestellten Lautsprecheranlagen. Zudem ist es ja auch der Ort, an dem ich mir meine gravierende Knieverletzung zuzog. Und doch versprüht jener Ort immer noch genug Anziehungskraft, um zwei fussballverrückte Jungs an einem Wochentag an sich zu reissen. Das magische an Fussball eben. Wie die Sterne der Champions League.


Pogon Szczecin - Slask Wroclaw

Pogon was? Zugegeben mir ging es zu Beginn nicht anders, als ich das erste Mal vom polnischen Erstligisten gehört hatte, der unweit der deutschen Grenze im Nordwesten des Landes beheimatet ist. Der deutsche Name für die Stadt, die man „Schchechin“ ausspricht ist mit Stettin übrigens etwas leichter und kürzer anzuhören. Die Seehafenstadt liegt an der Oder und der vergessene russische Reformer Nikita Chruschtschow ist Ehrenbürger des heutigen Austragungsortes. So viel erfuhr ich bei der kleinen Recherche, bevor man aus dem Hotel in Poznan auscheckte und sich in Richtung Zungenbrecher-Stadt verabschiedete. An die etwas mehr als drei Stunden lange Fahrt habe ich keine Erinnerungen mehr, soll heissen, dass ich die ganze Fahrt aufgrund einer langen Nacht verschlafen hatte und auch sonst unterwegs nichts Erwähnenswertes geschah, was mich aus dem Träumen hätte reissen können.

Bei der Ankunft sticht einem jedem Besucher wenn er aus dem Bahnhof tritt erstmal ein imposantes Graffiti des örtlichen Fussballvereins in die Augen. Für uns ging es aber zunächst in die andere Richtung zur Innenstadt, wo eine Art Flohmarkt im gange war. Für die Liebsten zuhause noch kurz ein Souvenir gesichert, ehe man nach weiteren Sehenswürdigkeiten Ausschau hielt. Da diese hier offenbar aber relativ rar gesäht sind, fand man sich schon bald zur Nahrungsaufnahme in einem bekannten Schuppen mit dem Kürzel KFC wieder, der vor allem für uns Schweizer beinahe schon als kulinarische Sehenswürdigkeit abgetan werden darf, zumal man es uns in der Heimat vorenthält, einer dieser Ketten für gebratene Hühnchen finanziell unter die Arme greifen zu dürfen.

Die Stadt zusammen mit ihren Ballungsraum doch von ordentlicher Grösse, was jedoch auch nicht weiterhelfen konnte, dass sie vom Sehenheitswert her auf dem letzten Platz bezüglich den besuchten polnischen Städten landete. Nach dem Essen drängte Mirko schon bald darauf, zu Fuss den Weg zum Stadion in Angriff zu nehmen, wobei mir das Ganze bei einer Anspielzeit von 15:30 Uhr doch noch etwas früh vorkam. Im Nachhinein ist man aber immer gescheiter und so gilt es dem deutschen Kollegen rückwirkend meinen Dank auszusprechen. Vorbei an rauchenden Kaminen mitten auf der Strasse (ehrlich!) lief man also in gut 45 Minuten einmal quer durch die Stadt zum Stadion Florian Krygier, einem polnischen Trainer der lange Zeit selber im Verein aktiv war und hier auch sein irdisches Dasein beendet hatte. Mit der nach ihm benannten Spielstätte wird ihm nun also auf beliebtem Wege Tribut gezollt.

Und bevor man diese wirklich sehenswerte Anlage betreten durfte, musste man erneut das Karta-Kibica-Prozedere über sich ergehen lassen, was zu allem Überfluss noch deutlich länger dauerte als zwei Tage zuvor in Krakau. Dies auch der Grund, dass ich Mirko für das Drängen am frühen Nachmittag dankbar war.

Aber auch kein Wunder, dass sich die Abfertigung derart in die Länge zieht, wenn irgendwelche Module zusammen mit ihren Kraftsportlerkollegen nach vorne drängeln. Da sagt man halt besser nichts. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, oder in dem Falle wohl eher Goldzahn. Irgendwann kam man dann aber doch noch an die Reihe und staunte nicht schlecht, als man den Eintrittspreis von einem polnischen Zloty auf dem Ticket stehen sah. Zur Erinnerung; vier Zloty entsprechen ziemlich genau einem Franken, wobei wir hier also von 30 Cent/Rappen Eintrittsentgelt sprechen und dies in der höchsten Spielklasse. Eine willkommene Abwechslung zu den überrissenen Preisen, die man zum Beispiel auf der Insel für den gleichen Sport zahlt.

Das Beste kommt aber noch! Für diesen Preis sassen wir nämlich nicht irgendwo, sondern schön mittig auf der Haupttribüne. Und kaum hatte man ein ebenso billiges Bier und eine sogenannte Kielbasa (Krakauer Wurst) in den Händen, wurde auch schon angepfiffen. Nach einigen Minuten stupste mich dann einer von unserem Trio zurückhaltend an und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Reihe hinter uns, wo doch tatsächlich die Kerle vom Ticketstand sitzen mussten. Na toll, da sind offiziell 8’658 Zuschauer vor Ort (hätte aber klar auf mehr getippt) und genau diese Schurken müssen sich hierhin setzen. Will ja gar nicht wissen, wie das restliche Publikum aussieht, wenn diese Freunde der dritten Halbzeit auf der Haupttribüne sitzen. Der eine von denen sah mit seinem vernarbten Gesicht und seinen äusserst weissen, wohl künstlichen Zähnen wirklich aus wie ein Serienmörder, wie mir auch Kollege Jonathan beipflichtete. Also ich hätte meinen Favoriten für die neue Joker-Rolle im Filmklassiker Batman ja gefunden.

Aus Breslau waren knapp 200 Leute dabei, kann mir gut vorstellen, dass da nur ein kleines Kontingent an Karten für die reisefreundigen Fans zur Verfügung stand, zumal die Herren ja auch im viel weiter entfernten Slowien zum Europacup-Match gegen Celje mit einem vierstelligen Aufgebot an „Fussballinteressierten“ aufkreuzten. Zu sehen bekamen sie eine ausgeglichene Partie, die wie bereits die beiden vorherigen Spiele auf äusserst überschaubaren Niveau ausgetragen wurde und deutlich unter demjenigen der heimischen Super League anzusiedeln war. Hätte indes nicht gedacht, dass man in einer ersten Spielklasse eines anderen europäischen Landes noch schlechter als bei uns spielen würde. Aber man lernt ja immer was dazu. Tore gab es wie bereits beim Krakau-Derby auf beiden Seiten eines zu verzeichnen, was zum logischen Unentschieden und dem gerechten 1:1 Schlussstand führt. Support bei beiden Supportergruppen durchaus in Ordnung.

Eigentlicher Star neben dem idealen Wetter und den tiefen Preisen war aber diskussionslos die Spielstätte. In einer Mulde als U-Form angelegt, verfügt sie über mächtige Kurven und einer nur sehr kleinen überdachten Haupttribüne. Hinter einem Tor gab es überhaupt keinen Ausbau. Erinnerte mich persönlich etwas an das Stadion im tschechischen Brno. Und deshalb ganz charmant. Vor einem allfälligen Abriss/Umbau in ein paar Jahren vielleicht ist ein Besuch wirklich zu empfehlen, allenfalls kann man das Unterfangen sogar mit einem Spiel in der deutschen Hauptstadt kombinieren, die ja nur knapp 120 Kilometer von hier entfernt liegt. In Richtung Deutschland ging es auch für Mirko, der verfrüht aufbrechen musste und schliesslich per Zug und Bus die ganze Nacht durchfuhr, nur um am nächsten Morgen wieder pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen. Teufelskerl!

Die anderen beiden „Teufelskerle“ konnten es da nach Spielschluss etwas gemächlicher angehen und so nahm man die Strassenbahn zurück ins Stadtzentrum und von da an weiter zu Fuss ans Oderufer, wo man noch etwas den schönen Sonnenuntergang mit ein paar Getränken genoss. Zumindest bis die Polizei auftauchte und mir und Kumpane Jonathan wieder die mahnenden Worte unseres deutschen Mitstreiters durch den Kopf gingen, dass in diesem Lande öffentliches Trinken von Alkohol eben verboten sei. Bereits mit meiner ersten Schmiergeldzahlung an die Staatsmacht rechnend blieb es schlussendlich doch bei einer Ermahnung und dies obwohl der eine Polizist uns am liebsten noch den Fluss geworfen hätte, derart feindlich gesinnt war er gegenüber „Eindringlingen“. So aber durfte man trocken den Zug in Richtung Berlin Gesundheitsbrunnen besteigen, wo man nach gut zwei Stunden heiterer Fahrt (das Trinken musste ja nachgeholt werden) auch eintraf. In der deutschen Hauptstadt angekommen wollte ich für das obligate Touristenfoto unbedingt noch schnell am Brandenburger Tor vorbei, was erfreulicherweise auch klappte.

Danach folgte ein unterhaltsamer Abend, bei dem sich vor allem ein gewisser Herr M. aus St. G. als unterhaltsamer Genosse in Bezug mit dem Verzehr von alkoholischen Getränken hervortat. Am frühen Morgen trennten sich dann die Wege von uns zwei, weil ich ab Schönefeld mit Easyjet zurück nach Genf flog, während mein Gefährte etwas später in Richtung Zürich abheben sollte. Kaum geschlafen erreichte man dann nach unbequemen Flug gegen 10 Uhr endlich wieder heimischen Boden und tauchte wie geplant für eine Nachmittagsschicht wieder am Arbeitsplatz auf. Groundhopping muss eben richtig weh tun.

Wie zweimal Gästeverbot auf einer sonst erfreulich verlaufenden Polentour. Einen Dank nochmals an die beiden Mitfahrer, hat Spass gemacht. Na zdrowie!