Ende Oktober besuchte ich mit der Partie zwischen Foggia und Lecce das erste von zwei Duellen, das ich mir nach Bekanntgabe des Spielplans dick im Kalender angestrichen habe. Ein knappes halbes Jahr später sollte die zweite spannende Konstellation endlich folgen.
Es ist das Duell zwischen Kalabrien und Sizilien, genauer gesagt zwischen Cosenza und Palermo, das letztmals vor 17 Jahren stattfand. Da in der drauffolgenden Woche ein gesamter Spieltag mit spannenden Terminierungen für Süditalien angesetzt wurde, weitete ich das Wochenende zu Frühlingsferien aus. Kollege Marty fand an der Variante Kalabrien ebenfalls Gefallen und sicherte mir seine Begleitung zu. Wie der Zufall es wollte, war ich bereits exakt vor einem Jahr mit ihm in Italien unterwegs. Wie bei einer Metamorphose von der hässlichen Raupe zum Schmetterling hat sich die damaligen Variante bei Nebel in Norditalien zum Flug in den sonnigen Süden weiterentwickelt.
Die Ansetzungen liessen uns nach Cosenza, Vibo Valentia und Crotone reisen, sodass wir die Basis in die Mitte nach Santa Eufemia Lamezia legten. Das verschlafene Nest in Flughafennähe ist wahrlich keine Schönheit, bekam jedoch dank seiner strategisch günstigen Lage den Zuschlag für die erste Ferienhälfte.
Am Samstagmorgen führte uns der Weg nach Cosenza. Ein Fenster mit Meerblick sowie eines mit Aussicht auf die Ausläufer des Sila-Gebirges lassen die stündige Zugfahrt wie im Flug vergehen. Der Bahnhof liegt weit entfernt vom Zentrum und sorgt mit seiner heruntergekommenen Art für einen kurzzeitigen Kulturschock. Plattenbauten, viel Abfall und einige Ratten rundeten den ersten negativen Eindruck ab. Im Zentrum angekommen, präsentiert sich die kleine Stadt mit ihren Restaurants und einer lebendigen Einkaufsmeile allerdings nicht anders als ihre nationalen Pendants. Ruhiger geht es im historischen Teil hinter dem Fluss Busento zu und her. Hier in der Nähe liegt auch das „Castello Normanno Svevo“, das unserem Duo einen schönen Ausblick auf die kalabrische Stadt mitsamt ihrer Brücke von Santiago Calatrava bietet. Der Architekt hat mit der Marktplatzüberdachung auch im heimischen St. Gallen seine Spuren hinterlassen.
Am anderen Ende der Stadt lässt in den Nachmittagsstunden das altehrwürdige „Stadio San Vito“ bei bestem Wetter mein Fussballherz höher schlagen. Sportlich scheint Kultfan Padre Fedele für die Cosentini ein gutes Wort eingelegt zu haben. Sah der Aufsteiger zu Beginn der Saison noch wie der sichere Absteiger aus, sammelt er in der Rückrunde fleissig Punkte. Auch heute trotzen die Wölfe dem Favoriten aus Palermo vor 9’268 Zuschauern dank dem 1:1 einen Zähler ab. Trotzdem hatte ich in diesem Duell nicht selten das Gefühl, meine süditalienischen Stereotypen in Bezug auf die Faulheit durch Akteure beider Mannschaften bestätigt zu bekommen.
Meine Aufmerksamkeit galt jedoch zum grossen Teil den Fanlagern. Die heimische Fanszene hat sich einerseits auf der Gegentribüne (Anni Ottanta) und in der nahegelegenen Curva Sud (Ultrà Cosenza) breitgemacht. Vom Material her war das Ganze eine reine Wucht und stimmlich wurde es zwischenzeitlich richtig laut. Eine erfreuliche Nachricht, leidet Ultrà Cosenza doch unter einer stattlichen Anzahl an Stadionverboten. Interessant weiter die Information, dass die Curva Nord Bergamo mit der Gruppe „Amantea 1986“, welche wie die bekannte Gruppe Luzzi nach einer nahegelegenen Ortschaft benannt ist, eine Freundschaft pflegt. Für die grösste Überraschung sorgten jedoch die Gästefans. Präsentiert sich das Stadion auf Sizilien bei Heimspielen oftmals fast gänzlich leer, sind heute, begünstigt durch die Aufhebung der Tessera-Pflicht, stattliche vierhundert Anhänger mitgereist. Oben ohne legten sie Süditalien-like einen starken Auftritt hin, mit im Gepäck einige Melodien, die ich vorher noch nie gehört hatte.
Zurück in die Stadt, in deren Norden mit Drittligist Rende Calcio ein zweiter Profiverein Exil gefunden hat, ging es nur zu Fuss. Amüsiert konnten wir dabei mitansehen, wie sich die Seitenstrassen binnen Sekunden mit hupenden Autos füllten.