Eigentlich könnte ich alle meine Berichte mit dem Wort „eigentlich“ beginnen. Denn eigentlich war geplant, an diesem Wochenende das Spitzenspiel der Premier League zu besuchen, da ein Kumpel von mir Member bei Chelsea ist und eigentlich für jedes Spiel an Tickets kommt.
Daraus ist nichts geworden doch die Suche nach Alternativen fällt in London zum Glück nicht schwer. Schlussendlich entschieden sich Flavio und ich für die Partie Crystal Palace gegen Everton, zumal ich so auch meinen Lieblingsspieler zu Gesicht bekomme. Lieblingsspieler mag kitschig klingen, aber Everton-Verteidiger Leighton Baines – optisch eine Mischung aus Bradley Wiggins und Ringo Starr – hat es mir angetan. Ohne Starallüren strahlt er Sicherheit auf dem Platz aus und ist in meinen Augen einer der wenigen Charaktertypen im englischen Fussball.
Mitfahrer Flavio kam bereits am frühen Nachmittag in die Romandie, da er aus beruflichen Gründen jeweils am Freitagmorgen sein Wochenende starten kann. Wir trafen uns bei mir in der Wohnung und nach einer kurzen Stärkung ging es auch schon wieder raus. Ziel war die „Patinoire de Malley“, wo der HC Lausanne seine Heimspiele austrägt. Im Derby gegen Fribourg zogen die Gastgeber knapp den Kürzeren, was der guten Stimmung aber keinen Abbruch tat.
Am Samstagmorgen erreichten wir zeitig den Flughafen. Billigflüge ziehen dementsprechendes Publikum an und so muss man sich nicht über die Gestalten wundern, die bei einem Flug für 21 Franken neben einem sitzen. Nach pünktlicher Landung ging es für uns ins Stadtzentrum und weiter zur Victoria Station. Inzwischen zeigte die Uhr bereits kurz vor Mittag und wir verstauten das Gepäck, assen etwas und bestiegen den Zug nach Selhurst. Von dort sind es noch einige Fussminuten durch englische Quartiere, ehe sich das mächtige Home End vor einem auftut. Unsere Plätze befanden sich mittig auf der Gegentribüne, vierte Reihe, praktisch auf Ballhöhe.
Wer Crystal Palace kennt, weiss, dass sich hier die einzigen Ultras der Insel mit Fahnen und Trommeln eingenistet haben. Die 2005 gegründete Gruppierung nennt sich „Holmesdale Fanatics“ und zeigte heute – unterstützt durch Freunde aus Basel – ordentlichen und durchgehenden Support. Chapeau! Eine schöne Ausnahme in der von restriktiver Fanpolitik geprägten englischen Stadionlandschaft. So verweist man denn auch hier darauf, dass es sich beim Selhurst Park um einen All-Seater-Ground. Klatschen und zahlen geht in Ordnung, aber bitte nicht mehr!
Das Spiel selbst beginnt ebenfalls ansprechend und nach nur zwei Minuten gehen die Gäste aus Liverpool bereits in Führung. Romelo Lukaku nutzt einen Stellungsfehler in der Palace-Abwehr und trifft für seine Farben. Diesem Schock folgt eine Druckphase der Gastgeber, die innert kürzester Zeit mehrere hochkarätige Chancen auslassen. Vor allem Arsenal-Leihgabe Yaya Sanogo sündigt gleich mehrmals. Dafür zeigte Leighton Baines trotz lädiertem Knie eine souveräne Partie und vermochte mit seinen Angriffen über die Flügel die eine oder andere gefährliche Aktion der Gäste einleiten. Bis zum Schluss blieb es beim 0:1 vor einer Saisonrekordkulisse von 25’197 Zuschauern, darunter dreitausend aus Liverpool.