Das Duell zwischen Deportivo Alaves und Real Oviedo avancierte bereits vor Anpfiff zur Zitterpartie. Grund dafür war die wieder entfachte Diskussion zu Artikel 89 im spanischen Sportgesetz. Als sich im vergangenen Frühling mit Real und Atletico Madrid sowie dem FC Barcelona nämlich auch drei LaLiga-Vertreter für eine europäische Super League aussprachen, rief dies die Legislative auf den Plan.
Diese wollte den spanischen Fussball durch eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen künftig besser schützen, welche der Liga und dem Verband die Befugnis einräumt, abtrünnigen Klubs die Lizenz zu entziehen.
Im Oktober 2022 nahm die Regierung die damals ausgesprochene Zusage aber plötzlich wieder zurück. Dies rief das Gros der 42 Klubs aus den ersten beiden Profiligen auf den Plan, die im Falle einer Kehrtwende der Exekutive in den Streik treten wollten. Die Drohung zeigte Wirkung: In letzter Minute fanden die involvierten Parteien in einer ausserordentlichen Generalversammlung doch noch einen Konsens.
Doppelt durchatmen meinerseits, hatte zuvor doch bereits die Fluggesellschaft für die Reise ins Baskenland rund um die Diskussion zum neuen Gesamtarbeitsvertrag mit Arbeitsniederlegung gedroht.
So stand dem Zweitliga-Duell am Samstagabend in Vitoria-Gasteiz nichts mehr im Weg. Dabei würde die lebendige Altstadt und allen voran ihre «Calle Cuchilleria» genug Unterhaltung bieten, um auch ohne Fussball einen kurzweiligen Samstagabend zu verleben. Im erhöht gelegenen Stadtkern Vitorias, wie die Stadt im Spanischen heisst, während Gasteiz den baskischen Namen darstellt, lässt sich nebst lokalen Brauerzeugnissen auch vorzüglich die lokale Küche geniessen.
Dass Vitoria-Gasteiz das Zentrum der «Autonomen Gemeinschaft Baskenland» darstellt, gründet auf einem klugen Schachzug des baskischen Parlaments im Jahr 1980: Weil damals die innerstädtische Loyalität zwischen jener zu Spanien und dem Baskenland schwankte, riefen die Verantwortlichen die 250’000-Einwohner-Gemeinde als Hauptstadt aus – der Plan ging auf und die Stadt ist seither baskisch geprägt. Nicht zu verwechseln ist diese Gemeinschaft mit dem «Baskenland» im kulturellen Sinn, das sich unter anderem auch über die Region Navarra und bis in den Südwesten Frankreichs erstreckt.
Im Süden der Stadt liegt das Estadio Mendizorrotza (baskisch für Bergspitze). Mit der Nähe zum Spielfeld und den fehlenden Netzen hinter den Toren, den Stützpfeilern sowie den trapezförmigen Dachrändern erinnert es mich an die einstige White Hart Lane in London. Seine Glanzzeit erlebte «El Glorioso», wie die Fans ihren Klub nennen, kurz nach der Jahrtausendwende. Im UEFA-Pokal-Final 2001 stoppte ihn der FC Liverpool erst mit einem Golden Goal in der Verlängerung.
Von europäischen Endspielen ist Deportivo, das seinen richtigen Namen übrigens der Provinz Alava zu verdanken hat, in der Gegenwart weit entfernt. Aus einer schwachen Vorsaison resultierte der Abstieg in die zweite Liga und auch der Ausbau des Stadions wurde daraufhin auf unbestimmte Zeit vertagt.
Gegen Mittelfeldklub Real Oviedo ging der Tabellenführer der Segunda Division vor 14’209 Zuschauern als Favorit in die Partie. Die Gäste aus dem dreieinhalb Stunden entfernten Oviedo wurden von vielen Fans begleitet, diese blieben aber – im Vergleich zu ihrer Präsenz im Stadtzentrum in den Stunden zuvor – erstaunlich blass.
Einzig beim Ausgleich der Gäste erhoben sie sich aus ihren Sitzen und machten sich bemerkbar. Der Treffer fiel kurz vor Anbruch der Schlussphase und läutete für Alaves damit den doppelten Charaktertest ein. Diesen bestanden die Hausherren sowohl auf den Rängen als auch dem Rasen bravourös: Angetrieben von einer nimmermüden Fankurve gelang ihnen schliesslich doch noch der viel umjubelte Siegtreffer zum 2:1 – per Penalty in der 99. Minute.