In der Dunkelheit wirken die Häuserblöcke entlang dem Chreschtschatyk noch pompöser. Sie sind lang wie Schiffe, ragen weit in den Nachthimmel und beherbergen etwa den Stadtrat, das Hauptpostamt oder den Nationalen Rat für Fernsehen und Radio. Durch die zentrale Strasse im Herzen von Kiew bläst ein kalter Wind, gepaart mit Nieselregen.

Ich bin zu Fuss auf dem Boulevard unterwegs in Richtung Olympiastadion und beeindruckt von den sich abwechselnden Bauten im Stil des Konstruktivismus oder sozialistischen Klassizismus. Erst um 22 Uhr sollte hier bei klirrender Kälte das Spiel der Gruppenphase der Champions League zwischen Dynamo Kiew und dem FC Barcelona angepfiffen werden.

An der Einlasskontrolle werden Fans mit gefälschten Zertifikaten von den Ordnern durchgewunken, Masken tragen die Anwesenden kaum und die Fiebermessung gleicht einer lästigen Alibi-Übung. Noch immer ist in der ukrainischen Hauptstadt – 100 Kilometer südlich von Tschernobyl – grosses Misstrauen gegenüber der «Krankheit» und dem «Vakzin» zu spüren. Nur gerade 18 Prozent der Bevölkerung liess sich impfen. Die zur Steigerung der Impfquote eingeführte Massnahme der Regierung, die Metro für Ungeimpfte zu sperren, endete stattdessen in von Autos heillos überfüllten Strassen.

Mit 31‘378 Zuschauern hingegen nur halb voll ist das Stadion. Die enttäuschende Kulisse ist eine Summe aus später Anstosszeit, vermeintlicher Zertifikatspflicht und der Absenz ganz grosser Namen im Kader der Katalanen. Auch die Ultras von Dynamo boykottieren seit geraumer Zeit die Heimspiele. Ihnen ist der Mann an der Seitenlinie, Mircea Lucescu, wegen seiner Vergangenheit als Trainer beim Rivalen Schachtar Donezk ein Dorn im Auge.

Überraschend ist sein Team über weite Strecken spielbestimmend, sündigt aber im Abschluss mehrfach. Barcelona ist auch nach der Absetzung von Trainer Ronald Koeman nur ein Schatten seiner selbst und bleibt lange ungefährlich. So scheint es logisch, dass der einzige Treffer nach einem Penaltypfiff fallen soll, doch die Entscheidung wird nach VAR-Konsultation zurückgezogen. Stattdessen ist es Barca-Youngster Ansu Fati vorbehalten, nach 70 Minuten aus kurzer Distanz das Spiel zu entscheiden. Das 0:1 ist aus Sicht von Dynamo ärgerlich, für die Gäste bedeutet es hingegen die maximale Ausbeute für einen glanzlosen und bescheidenen Auftritt in der Ukraine.