Als ich über die Spreebrücke schlendere, erkenne ich ihn wieder: den Platz, auf dem Investigativjournalist Günter Wallraff anlässlich seines Films «Schwarz auf Weiss» einst gegangen ist und etwas von der Cottbuser Willkommenskultur erlebt hat. Doch die Zeiten ändern sich – zumindest teilweise. Denn heute erklärt mir an ebendieser Stelle ein ergrauter Mittdreissiger mit Jutebeutel nicht ohne Euphorie, dass man auch in Cottbus für 7.50 Euro veganen Nudelsalat mit Falafel im Stadion essen kann.

Die Gruppe Inferno Cottbus ist mittlerweile aufgelöst und auf den Rängen verboten. Schliesslich gehören Teile der Lausitzer selbst einer Minderheit an. In «Chosebuz» finden sich viele Strassenschilder und schön gemalte Wandbilder, die zeigen, wie stark die sorbische Sprache verankert ist und sich die Bewegung auch hier auf einem bisherigen Höhepunkt bewegt. Der Auftritt rund um «Ultras Energie» sowie die Gruppen «Collettivo Bianco Rosso» und «Ultima Raka» (Raka steht im Sorbischen für Krebs) überrascht trotzdem positiv. Natürlich war das auch dem Spielverlauf geschuldet – aber es war eine wirklich reife Leistung der Fanszene, die Cannabis verteufelt, Basels Liedgut adaptiert und Kontakte zu Anhängern von Union Berlin, Beskid Andrychow und dem VfB Stuttgart pflegt. Nur aus Dresden gab es zuletzt Nadelstiche in Bereichen, wo im Vergleich zu den ganz Grossen des Ostens noch Aufholbedarf besteht.

Im sportlichen Wettkampf auf dem Rasen ist der Klub aus der Stadt mit knapp 100’000 Einwohnern nahe der polnischen Grenze nach einer sehr ansprechenden Premierensaison in der 3. Liga auf Bestätigung aus. Pünktlich zum 60-jährigen Jubiläum – das historische Wappen prangt bereits auf dem Trikot – soll am Ende der Saison der nächste Schritt vorwärts gemacht werden. Schliesslich spielten die Brandenburger 2009 noch in der Bundesliga. Ihren Namenszusatz Energie verdanken sie übrigens einem Leserwettbewerb der Lausitzer Rundschau, zumal der ehemalige Bezirk Cottbus mit seinen Kraftwerken und Braunkohletagebauen als Energieproduzent galt.

Mehr Energie beweisen die Hausherren auch im Pokalfight gegen den Zweitligisten. Hannover präsentiert sich auf den Rängen deutlich eingespielter als auf dem Rasen; einzig die Adaption des Ostdeutschland-Fangesangs der Dresdner hin zu «ostdeutsche Dullis» wirkt plump und etwas an den Haaren herbeigezogen. Die Quittung gibt es prompt auf dem Platz: Vor 18’659 Zuschauern bezwingt Cottbus die Gäste – auch dank eines gehaltenen Elfmeters – mit 1:0. Die über zweitausend Niedersachsen im Stadion der Freundschaft müssen damit das dritte Erstrunden-Aus hintereinander verkraften.