Wer über Liverpool spricht, bedient sich bei der Suche nach einer passenden Gesprächsgrundlage entweder an den Beatles oder dem Verein von der Anfield Road. Nur die wenigsten verbinden den Fussballclub Everton mit der Stadt an Fluss Mersey. Dies, obwohl der Verein bereits lange Zeit vor seinem Stadtrivalen existierte. Es kommt sogar nach besser: Der Liverpool FC, für viele Fussballfans der Traditionsverein schlechthin, findet seine Ursprünge gar in einer Abspaltung von Everton. Vierzehn Jahre nach der Gründung von Everton kam es im Verein zu einem verheerenden Streit, der nicht nur die Gründung vom LFC, sondern auch den Umzug der Toffees in den Goodison Park zur Folge hatte.

Dieser liegt am anderen Ende des Stanley Parks, der die beiden Stadien voneinander trennt. Zur Herkunft des Übernamens «Toffees» ranken sich die Legenden, wobei mir die Erklärung, dass es sich hierbei um die beliebte Bonbon-Süssigkeit eines Ladens in Stadionnähe handelt, als die plausibelste erscheint. Ein weiteres Merkmal im Quartier Everton stellt der ehemalige Gefängnisturm «Prince Rupert Tower» dar, der mit seiner unverkennbaren Form nebst dem lateinischen Spruch „Nil satis nisi optimum“ das Wappen des Erstligisten ziert. Zu Deutsch bedeutet der Leitsatz „nur das Beste ist gut genug“.

Wer an Spieltagen am Stadion aufkreuzt, fühlt sich direkt in die goldene Ära unter Dixie Dean zurückversetzt. In den engen Strassen rund um das Stadion herrscht viel Gewusel, es riecht überall nach Essen und Händler verkaufen ihre Fanartikel. Dieses immer seltener gewordener Gefühl echter englischer Stadionatmosphäre übertragt sich hier auch ins Stadioninnere, wo Charaktertypen wie Leighton Baines – für mich optisch eine Mischung aus Radfahrer Bradley Wiggins und dem jungen Paul McCartney – sich für das Spiel aufwärmen. Dank dem FA Cup war es für Jens und mich auch als Nicht-Everton-Mitglied möglich, im schönsten Stadion des Königreichs zwei Tickets zu erwerben. Bei Spielen in der Premier League gibt es meistens nur noch solche Tickets zu kaufen, die mit der Bemerkung «Obstructed View» versehen sind. Vor allem die imposante Haupttribüne sowie allgemein die kompakte Bauart haben es mir angetan. Trotz Pokalspiel war das Stadion sehr gut gefüllt, schliesslich war mit Leicester City der amtierende Meister zu Gast. Dieser hatte in einer ausgeglichenen Partie anfangs das Nachsehen, konnte vor den Augen von 35’493 Zuschauer mit einem Doppelschlag von Musa in der Mitte der zweiten Hälfte die Zügel aber herumreissen. Trotz Bemühungen der Heimseite blieb es, sehr zur Freude der zahlreich mitgereisten und lautstarken Leicester-Anhängern, beim 1:2 für die Gäste.

Müde von der frühmorgendlichen Zugfahrt an die Merseyside und dem langen Fussmarsch nach Spielende zurück in die Innenstadt, entschieden wir uns dennoch für eine «Night out». Diese sollten wir nicht bereuen. Doch, Liverpool kann etwas – nebst den Beatles und Everton natürlich.