Soweit das Auge reicht: Trikots der grossen europäischen Topklubs. Doch die Szene spielt nicht etwa an einem Verkaufsstand an der Strandpromenade von Rimini, sondern am Flughafen von Barcelona. Anlässlich der 18 (!) zeitgleichen Champions-League-Spiele sind unzählige Fussballfans quer durch Europa unterwegs: Benfica-Anhänger stehen am Gate für den Flug nach Turin, gestresste Exil-Milanisti machen sich auf den Weg nach Zagreb, Arsenal-Fans reisen ins nahegelegene Girona, während Bologna-Supporter ihr Gate für den Weiterflug nach Lissabon suchen.

Bologna weckt schmerzhafte Erinnerungen. Vor zehn Jahren reiste ich mit gerissenem Kreuzband in die Emilia-Romagna, um ein Aufstiegsspiel der Serie B zu sehen. Ein Jahrzehnt später spielt Bologna in der Königsklasse – und ich habe mir das Kreuzband im anderen Knie gerissen. Doch wie damals hält mich das nicht von einem lang geplanten Spielbesuch ab. Mit Krücken kämpfe ich mich durch das Terminal und später hinauf auf den Montjuïc, Barcelonas Hausberg. Dort, im Olympiastadion der Sommerspiele 1992, trägt der FC Barcelona seit Mai 2023 seine Heimspiele aus, weil das Camp Nou immer mehr an die Sagrada Família erinnert – ein weiteres Bauprojekt ohne absehbares Ende.

Entsprechend entspannt gestaltet sich der Aufenthalt abseits des Fussballs: An der Carrer de Blai im Viertel Poble Sec laden Tapas und Tinto de Verano sowie die milden Temperaturen zum Verweilen ein. Der Spielbesuch folgt auf Rängen und Rasen dem erwarteten Muster: Während Bergamo aus sportlicher Sicht tapfer mithält und den Katalanen zum Abschluss der Ligaphase ein 2:2 abringt, bleibt der Grossteil der 42‘728 Zuschauer apathisch. Unter ihnen weilen viele Touristen – besonders junge Paare – bei denen die gelangweilte Freundin ihrem Freund wohl einen Gefallen tut. Statt Bier gibt es Popcorn, anstelle von selbstgemalten Bannern werden im Innenraum Fahnen mit der Aufschrift «Let‘s go Team» geschwenkt und die zagen Barca-Rufe verebben zügig im Rund. Generell scheint die Anhängerschaft der «Blaugrana» das nach Lluis Companys, dem ehemaligen Präsidenten Kataloniens, benannte Stadion nicht zu akzeptieren, zumal es trotz deutlich tieferer Kapazität als das Camp Nou nur selten ausverkauft ist.

Auch die dreitausend Gäste aus Bergamo wirken hinter der Plexiglasscheibe im weitläufigen Oberrang etwas verloren und vermögen einzig in der ereignisreichen zweiten Halbzeit mit einigen lauten Gesängen auf sich aufmerksam zu machen. Trotz des engen Spielplans weilen auch einige Vertreter von Ultras Frankfurt unter ihnen, zumal die Partie den offiziellen Besuch zum 25-jährigen Bestehen der Freundschaft darstellt, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Partie bereits ins 26. Jahr übergegangen ist. Auf den Tag genau 30 Jahre zurück liegt hingegen der Tod von Vincenzo Spagnolo, dem Genoa-Fan, der 1995 von einem Anhänger der AC Milan erstochen wurde. Die Bergamasken erinnern mit einem Spruchband an ihn – eine Geste, die besonders passend erscheint, trägt Spagnolo doch den Übernamen «Spagna» (Spanien).