Eine Weiterbildung im Raum Fribourg bugsiert mich zurück in meine Westschweizer Vergangenheit. Zu jener Zeit hatte ich beim Amateurfussball oft Ablenkung vom Alltag gefunden. Heute sollte sich diese Gelegenheit mit einem Duell zweier Mannschaften der vierten Schweizer Spielklasse nach Kursfeierabend wieder einmal anbieten. Da aber Abfahrt- wie auch Zielort derart unerschlossen in der Schweizer Prärie liegen, dauert die Anreise satte drei Stunden. Von der eigentlichen Heimat St. Gallen hätte ich daher wohl nur minimal länger gebraucht. Um der Woche aber auch auf sportlicher Ebene einen Sinn zu verleihen, entschied ich mich trotzdem für den Spielbesuch.

So sitze ich am Mittwochabend auch schon im Bus. Bereits auf der Fahrt wird mir durch das fehlende Nachtessen und die kurvenreiche Strecke übel. Der zügige Umstieg auf die Regionalbahn nach Yverdon hilft da auch nicht. Weiterhin knurrt der Magen und die Blase drückt, doch es folgen weitere vierzig Minuten Postautofahrt durch die Westschweizer Provinz. Draussen ist es mittlerweile dunkel und der Regen prasselt gegen die Seitenfenster. Ich bin der einzige Fahrgast. Langsam werden die verschwommenen Lichter hinter den Scheiben weniger; es geht tiefer raus aufs Land. Am kleinen Bahnhof von Bercher steige ich schliesslich aus. Hätte die Fahrt nur Augenblicke länger gedauert; die Bauchschmerzen wären endgültig zurückgekehrt.

Als der Zug, der mich nach Echallens bringt, einfährt, steigt der Lokführer aus. Er grüsst mit mir den einzigen Fahrgast, kramt sich eine Zigarette aus der Jackentasche und steckt sie sich an. Die kleine Gemeinde Echallens, ein Fleck auf der Schweizer Stadionkarte, der heute ausgewaschen werden soll. Die letzten Meter vom Bahnhof bis zur Spielstätte „Les Trois Sapins“ (Sportplatz zu den drei Tannen) lege ich im Laufschritt zurück. Nicht nur wegen dem Regen, auch weil ich den Anpfiff nicht verpassen will – egal ob bei einem Viertligaspiel oder in der Champions League.

Bevor ich meinen knurrenden Magen stille, schiesse ich die obligaten Fotos. Der Platz gleicht schon nach wenigen Spielszenen dem eines Biotops. Innerhalb kürzester Zeit sind auch meine Schuhe nass. Nun habe ich mir die erste Mahlzeit seit dem Mittag redlich verdient. Das lokale Bier ist trotz Regenwetter gewohnt süffig und auch die Wurst schmeckt. Ich setze mich zu ein paar älteren Herren an den Tisch unter dem Vordach des Clubhauses. Sie trinken Weisswein und beobachten das Geschehen zwischen die Regenschirme hindurch. Ich habe die französische Sprache vermisst, merke ich. Vor 120 Zuschauern bleibt erste Hälfte torlos. Nach einer guten Stunde überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Zuerst geht der Gast aus Lausanne nicht unverdient in Führung, danach folgt postwendend der Ausgleich. Kurz darauf holt sich ein Spieler der Gäste innerhalb von zwei Minuten zuerst die gelbe und dann die rote Karte ab. Trotz der Unterzahl bewahrt Azzurri Lausanne die Nerven und kann den Punkt über die Zeit retten. In der Nachspielzeit kommt es für die Italiener sogar noch besser: Ein Freistosstor führt zum vielumjubelten 1:2.

Schliesslich ist es für mich an der Zeit, den Rückweg anzutreten. Dieser führt über Lausanne, wo die Metro noch genauso riecht, wie zu meiner Zeit. Ein unvergleichlicher Geruch, der mich stets an das nasse Fell eines Hundes erinnert. Ich besteige den Zug nach Fribourg. Dort hat mir Kumpel Emanuel in seiner Wohngemeinschaft bereits ein Bett bereitgemacht. Nun fehlt in dieser Liga nur noch ein Ground. Und der liegt Nachbardorf von Echallens.