Ausschlaggebend für den Besuch im norditalienischen Pavia, das auf der zweiten Silbe betont wird, war der Newsletter einer italienischen Ticketingplattform. Er bewarb eine exklusive Ausstellung im Schloss Visconti von Elliott Erwitt, dem wohl bekanntesten Schwarz-Weiss-Fotografen und ehemaligen Präsidenten der Agentur „Magnum Photos“.
Da Elliott zu meinen absoluten Lieblingskünstlern gehört und seine Werke so gut wie nie ausstellt, zog das Auswärtsspiel im Zürcher Letzigrund (erneut ohne Punktgewinn) klar den Kürzeren. So war es meine Idee, direkt nach dem Feiern ohne Schlaf am frühen Sonntagmorgen mit dem Zug in sechs Stunden nach Italien zu fahren. In der Theorie hatte sich dieses Unterfangen deutlich besser angehört und prompt verpasste ein Mitfahrer den Zug nach Zürich, wo der Namensvetter zustieg. Nach dem Umstieg im Tessin erreichte unser Duo trotz geringer Verspätung noch vor Tageshälfte die 70’000-Einwohner-Stadt südlich von Milano. Ein kurzer Rundgang gewährte uns Einblick in ein typisch italienisches Stadtbild, das im Sommer wohl über deutlich mehr Flair verfügt. So zog es uns alsbald in die Ausstellung im zentral gelegenen Schloss. Obwohl Erwitt seine Bilder oftmals komponiert oder gar inszeniert, gelingt es ihm, einmalige Tiefgründigkeit zu vermitteln. Von den Werken des Hundeliebhabers, der nebst Kennedy und Monroe auch Revolutionär Che Guevara ablichtete, gefällt mir vor allem das aus speziellem Blickwinkel aufgenommene Bild mit dem Namen „Felix, Gladys and Rover“.
Im Anschluss an das Mittagessen machten wir uns auf zum zweiten Programmpunkt des Tages. Nach der Insolvenz von Modena Calcio und der Neugründung unter dem Namen „Modena FC 2018“ kommt es in der viertklassigen Serie D erstmals seit 32 Jahren wieder zum Duell zwischen Pavia und dem Verein aus der Autostadt. Der Neustart scheint den Gelb-Blauen gut zu bekommen, grüssen sie doch von der Tabellenspitze und weisen in den Heimspielen gar höhere Zuschauerzahlen als in der Zweitklassigkeit vor. Als ich in der Woche vor dem Spiel zudem auf ein erfreuliches Communiqué der Heimszene stiess, die vor zwei Monaten unter dem Namen „Sioux Pavia“ eine neue Gruppierung ins Leben rief, war mein Entschluss zur Reise gefällt. Dasselbe sagten sich fünfhundert Gästefans, die trotz personalisierten Karten und weiteren Auflagen zahlreich den Weg in den Süden der Lombardei antraten.
Am Eingang der Haupttribüne stehend, enttarnte mich der Stuttgarter Andi und sprach mich sogleich an. Er fragte, ob ich anschliessend ebenfalls zum Derby nach Genoa reisen würde. Ich verneinte, kam mit dem umgänglichen Herrn aber ins Gespräch, sodass er sich neben meinen Namensvetter und mich setzte. Der in Zürich wohnhafte Hopper stellte sich wenig überraschend als Reutlingen-Sympathisant heraus und kannte mitunter deshalb diverse St. Galler „Fanpersönlichkeiten“. Auf den restlichen Rängen gehörte anfänglich Modena die Show, wobei deren Anhängerschaft mit dem Spielverlauf stark nachliess. Dies obwohl das Dargebotene auf dem ausgedorrten und schwer bespielbaren Acker mit vielen Fouls, Karten und Rudelbildungen viel Zündstoff bot. Nach einer knappen halben Stunde waren es die Hausherren, die einen Fehler in der Hintermannschaft der Gäste gekonnt zur Führung nutzten. Die Heimkurve verfiel daraufhin in Ekstase, während sie vorher lediglich durch ein kleines Rauchintro im Gedenken an den Tod eines ehemaligen Indians-Mitglied für Aufsehen sorgten. Das Tor zum 1:1 Ausgleich vor der Pause liess hingegen die Gästekurve aus Lethargie erwachen; im zweiten Durchgang zog wie auf der Heimseite jedoch wiederum nur der Kern mit. Auch auf dem Spielfeld tat sich vor 1’200 Zuschauern nicht mehr viel Nennenswertes. So endete die Partie mit einem Unentschieden, wobei für den neutralen Betrachter der Gastgeber etwas mehr mit den drei Punkten geliebäugelt hatte.