«Der Serienmeister aus dem Piemont steckt in einer schweren Krise.» Wer aufgrund dieser potenziellen Schlagzeile an Juventus denkt, dürfte zur Mehrheit gehören – und doch falsch liegen. Zwar läuft auch bei der Familie Agnelli nicht alles so rund wie die werkseigenen Automobile, doch gemeint ist mit dem strauchelnden Seriensieger der FC Pro Vercelli. Dieser gewann zwischen 1908 und 1922 sieben Mal den «Scudetto», sieht sich in der laufenden Spielzeit aber mit einem potenziellen Abstieg in die Serie D und dem Verkauf des Klubs an einen noch unbekannten aber «sehr seriösen und hochrangigen Partner» konfrontiert, wie der Klub kurz vor der Partie gegen den Lokalmatadoren verlauten liess.

Auch nebst den zahlreichen Titelgewinnen ist der Klub ein historisches Schwergewicht: 1892 als Società Ginnastica Pro Vercelli aus der Taufe gehoben, ist er nur deshalb nicht der älteste Fussballverein des Landes, weil jene Abteilung erst nach der Jahrhundertwende eingeführt wurde. Die letzte Saison in der höchsten italienischen Spielzeit liegt 90 Jahre zurück, 2018 spielten die «Bianche Casacche» (Weissjacken) zumindest noch in der Serie B.

Eine lange Tradition hat auch die Verbindung von Pro Vercelli und Palmeiras, einem brasilianischen Grossklub aus São Paulo. 1914 inspirierte ein Auftritt des Teams aus Vercelli in Brasilien die Einheimischen, selbst einen Fussballklub zu gründen. Durch die Freundschaft zwischen den Ultras der «Porcos de Londres» und jenen aus Vercelli besteht diese Verbindung bis heute nicht nur auf Vereinsebene. Deutlich näher gelegen ist die «Curva Vito Porro» aus Sesto San Giovanni, zu welcher der harte Kern der Anhängerschaft Pro Vercellis ebenfalls freundschaftliche Kontakte pflegt.

Wie ihr Klub macht auch die Fanszene harte Zeiten durch. Nach Ausschreitungen vor dem Derby gegen Novara im September 2024 belegte der Staat mehrere zentrale Personen der «West Side» mit langjährigen Stadionverboten, was die Reihen hinter der Zaunfahne in der Schriftart von Porsche ziemlich ausdünnte. Dass sich die «Mentalità Ultra» aber nicht an einer grossen Masse misst, zeigte die Curva Ovest mit einem Spruchband zu Ehren von Raffaele, einem verstorbenen Anhänger des heutigen Gegners und Rivalen. Ende Januar war dieser beim Gastspiel von Aurora Pro Patria in Novara in den Graben vor dem Gästeblock gestürzt und den schweren Verletzungen erlegen. Sein Konterfei prangte denn auch auf der einzigen Zaunfahne, mit welcher die kleine Schar an mitgereisten Fans aus Busto Arsizio den Gästeblock beflaggte.

Aus sportlicher Sicht entschädigte im vorgezogenen Playout-Duell der Serie C eine muntere zweite Halbzeit für den torlosen Auftakt. Die Gastgeber stemmten sich vor 978 Zuschauern im Stadio Silvio Piola, dem vermeintlichen Erfinder des Fallrückziehers, vehement gegen die Niederlage und kamen in der Nachspielzeit verdient zum 2:2. Dem wichtigen Ausgleich in der 94. Minute waren ein Handspiel und ein Elfmeter vorausgegangen.