Langsam hatten mir die Augen angefangen weh zu tun. Ich sass nun bereits eine halbe Stunde in meinem Apartment in Kiew und versuchte Tickets für das Spiel in Saarbrücken zu kaufen. Wie mehrere meiner Kollegen war auch ich im offiziellen Vorverkauf erfolglos geblieben. Jedoch ging ich davon aus, dass einige Buchungen fehlgeschlagen waren und zu Rückläufern führen würden. Tatsächlich lag ich mit dieser Einschätzung richtig und nach unzähligen Versuchen war ich endlich schnell genug, zwei Plätze auf dem iPad anzuwählen und in den digitalen Einkaufswagen zu bugsieren.

Es hatte einfach klappen müssen, schliesslich hob das Saarland aufgrund tiefer Inzidenz und zweithöchster Impfquote aller Bundesländer die 3G-Regel wenige Tage vor dem Heimspiel des FC Saarbrücken gegen den FC Kaiserslautern auf und ebnete damit den Weg für ein spektakuläres erstes Saar-Pfalz-Derby vor Zuschauern seit über 28 Jahren.

Rückblickend war das Duell im frisch umgebauten Ludwigsparkstadion die gefühlt erste Partie seit Ausbruch der Pandemie, die mich an Zeiten zurückerinnerte, in denen das Tragen von Masken im Stadion noch mit Stadionverbot belegt wurde. Grossen Anteil am gelungenen Nachmittag hatte die Fanschar aus Kaiserslautern, deren Kern zeitgleich mit Jonas und mir in Saarbrücken eintraf. Einheitlich in Rot gekleidet und mit Mottoschal ausgestattet, war es meinem Auge ein Leichtes, am Ende des eindrücklichen Trosses einige Freunde der Dritten Halbzeit in ihren Bomberjacken zu erspähen. Unterstützt von einer Abordnung aus Verona versuchten sie auf dem Weg zum Stadion mehrere Male Einheimische zu begrüssen, wurden vom imposanten Polizeiaufgebot – darunter auch ein Helikopter – aber stets wenig zimperlich daran gehindert.

Auch im Stadion trieben die rund 2500 Gäste den Sicherheitsverantwortlichen die Schweissperlen auf die Stirn: So etwa lieferten sich einige Pfälzer vor Anpfiff Auseinandersetzungen mit Heimfans am Rand der Gegentribüne, ehe die Polizei auch sie in den bereits vollen Gästeblock verfrachtete. Als Intro gab es hier viel Rauch und Feuerwerk zu bestaunen und auch nach dieser Aktion brannte es im Lautern-Sektor immer wieder, ehe zu Beginn der 2. Halbzeit rund 70 Fackeln den Spielern auf dem Rasen zusätzlich Licht spendeten.

Dieser Auftritt war unbestritten eine Ansage an die Heimfans, die damit aber zu weiten Teilen mithalten konnten. So sei konkret das eindrückliche Bild der schwarz-gekleideten FCS-Fans und die hohe Mitmachquote erwähnt. Während gegenüber der Feind mit seinen französischen Freunden der Horda Frénétik aus Metz turtelte, wiesen die Saarländer – gemeinsam mit den Red Sharks und dem Saturday FC aus Nancy – diesen auf seine scheinbare Niedertracht hin.

Im Heimblock gab es zum Auftakt zudem zahlreiche Rauchtöpfe, die eine schöne Choreografie untermalten. In der Folge brannten durchgehend einzelne Fackeln, die aufgrund ihrer gelben Farbe aber kaum zur Geltung kamen. Nach Wiederanpfiff hielten die Saarbrücker den Gästen zudem zahlreiches Material unter die Nase, das sie kurz darauf den Flammen zum Frass vorwarfen. Danach ging es allerdings bergab mit der Stimmung in der «Virage Est»: Während sich der Gastgeber auf dem Rasen vor 15‘544 Zuschauern beim 0:2 die zweite Derby-Pleite innert Wochenfrist einfing, gab es auch im Block zahlreiche Ohrfeigen. Die Tumulte rund um die «Droogs» und besonders der Einsatz von Gürteln gegenüber eigenen Leuten dürfte im Saarland nebst der Niederlage im Lokalduell wohl noch für viel Gesprächsstoff sorgen.