«Thank you, but we have our own media», lese ich in der Textausgabezeile der Übersetzer-App. Sie gehört zu einem untersetzten Steward, der mir sein Mobiltelefon entgegenstreckt und mit einem bestimmten Kochschütteln zu verstehen gibt, dass ich auf dieser Seite des Stadions nicht zu suchen habe. Die Situation anlässlich des Heimspiels von Sheriff Tiraspol ist nur einer von vielen skurrilen Momenten während des Aufenthalts in Transnistrien.

Angefangen hatte die spezielle Gefühlslage bereits bei der Einreise in den De-facto-Staat, an dessen Grenzen russische Soldaten und Panzer Wache stehen. Von hier aus sind es nur 150 Kilometer Luftlinie bis nach Odessa, entsprechend ernst läuft das Prozedere ab: Die Zöllner durchsuchen unser Auto, stellen Fragen zum Grund der Reise, verlangen eine Einreisegebühr, prüfen die Pässe, aber stempeln sie nicht und stellen uns stattdessen eine Immigrationskarte aus, die wir stets mitzuführen haben.

Weil in Transnistrien primär mit Bargeld und in der Landeswährung bezahlt wird, steuern wir als erstes eine Wechselstube an. Hier staunen wir nicht schlecht, als wir eine Note mit der Aufschrift «25 transnistrische Rubel» in der Hand halten. Sobald man den Fluss Dnestr (zu Deutsch Tyra) überquert, dem der schmale Landstrich seinen Namen verdankt, wird die Währung wertlos, da sie in keinem anderen Land der Welt akzeptiert ist.

Auch die Hauptstadt Tiraspol, in deren Grossraum die Mehrheit der 350‘000 Einwohner lebt, wirkt aus der Zeit gefallen: Sowjetische Denkmäler und Panzer säumen die breiten Boulevards, dazu kommen ein gut besuchter Stadtpark und ein grosser Bauernmarkt. Viel mehr scheint die trostlose Gegend nicht zu bieten, trotz allem ist die Versorgungslage verhältnismässig gut und zu den Hauptexportprodukten zählen Kaviar und Brandy.

Zurück am Trainingskomplex des FC Sheriff erspähen wir eine offene Tür und betreten das Hauptstadion, in dem einst schon Real Madrid gastierte, ehe uns ein Wachmann fluchend vom Areal jagt. Zur Anlage zählen nebst dem im moldauischen Ligaalltag bespielten Zweitstadion eine Fussballhalle sowie insgesamt weitere 14 Trainingsplätze, dazu kommen ein Tennisclub und ein Schwimmbad, das ebenfalls Sheriff gehört. Der gewöhnungsbedürftige Name rührt vom Sheriff-Konzern, der unter der Führung des Oligarchen und Gründers Viktor Gusan grosse Teile der Privatwirtschaft vereinnahmt. Zum Sheriff-Imperium zählen nebst Supermärkten, Tankstellen oder Banken auch ein eigener TV-Sender. Nur vom «Sheriff» selbst fehlt in der Öffentlichkeit jede Spur – im Internet kursiert vom ehemaligen KGB-Offizier Gusan exakt ein Bild.

Beim Duell gegen den Klub aus Balti stehen bei Sheriff ein einziger Spieler aus der Republik Moldau und nicht weniger als sieben dunkelhäutige Akteure in der Startaufstellung. Die Tickets werden kostenlos an den Drehkreuzen verteilt, zumal sich nebst der kleinen Abordnung an Sheriff-Fans keiner der 911 Zuschauer grossartig für das 2:0 der Gastgeber zu interessieren scheint. Am ehesten noch schenkt der Sicherheitsdienst dem Typen mit der Kamera Beachtung, sodass ich froh bin, als die merkwürdige Region, die selbst von Moldauern gemieden wird, wenig später im Rückspiegel des Mietwagens verschwindet.