Ein Duell, welches auf dem Papier fast zu gut tönt, um wirklich wahr zu sein. Und genau in diesem Falle weiss der Deutsche Fussballbund als wortwörtlicher Stimmungsdämpfer einzugreifen und verordnet ein Vouchersystem für die Ausgabe der Tickets im Gästeblock. Die aktive Fanszene von Dresden sprach daraufhin einen Boykott des Spiels in der Hansestadt aus und reiste erst gar nicht nach Hamburg. Einerseits finde ich es richtig und legitim, die Strafen des DFB nicht einfach hinzunehmen, andererseits habe ich das Gefühl, dass die Sanktionen als Mittel zum Zweck dienten. Den Verband wird es nämlich kaum stören, wenn der Grossteil der Anhängerschaft aus Sachsen einem solch brisanten Duell aus Trotz fernbleibt. Ich bin mir aber auch sicher, dass sich die Ultras von Dynamo dieser Zwickmühle bewusst sind.

Und anstatt irgendwelche Sachsenkrieger, fanden sich rund um den Kiez und an der Reeperbahn an diesem Montagnachmittag nur die üblichen Touristengruppen ein. Daher machte ich mich frühzeitig zum Dom und dem nebenanliegenden Millerntor-Stadion auf. Genau, mittlerweile war ich alleine unterwegs, da Cedric die Pflicht rief und er daher verfrüht den Heimweg in die Schweiz anzutreten hatte. Die Ticketfrage wäre bei ihm allerdings auch ungeklärt gewesen, zumal ich über die Fanbörse von St. Pauli nur an ein begehrtes Ticket gelangte. Der Sitzplatz auf den Sitzrängen der Südtribüne oberhalb der Ultras bedeutete nicht erste Wahl, aber gross Alternativen blieben mir nicht. Erst recht nicht, als ich sah, wie viele Menschen vor den Stadiontoren noch mit Papptafeln nach Tickets suchten. Da bis zum Anpfiff weiterhin mehr als genügend Zeit verblieb, nahm ich das anwesende Publikum einmal etwas genauer unter die Lupe. Dieses ist ein bunter Mix aus Ultras, Aussteigern, Sozialisten, Punks und Homosexuellen, wohl zusätzlich begünstigt durch den Christopher Street Day am abgelaufenen Wochenende. Irgendwie hat mich dieses St. Pauli einfach nie gross beeindruckt. Klar, man hat sich hier etwas Eigenes geschaffen und gewisse Leute finden es wohl hipp, wenn man total anarchisch sogar auf den Toiletten im Stadion alles mit sozialen Parolen verkleben darf. Mir sagt das Ganze hier jedoch nicht zu, auch wenn ich eine soziale Haltung im Grundsatz nicht ablehne. Zu fremd wirkt es mir jedoch, wenn nach dem AC/DC-Klassiker als Einlaufmusik ein „Aux Armes“ mit der Gegengerade angestimmt und bei jedem Eckball mit dem Schlüsselbund geklingelt wird. Schuster bleib doch bitte bei deinem Leisten. Gefallen finde ich jedoch an den zahlreichen Stehplätzen, die hier in grosser Anzahl abgesehen von der Haupttribüne auf jeder Seite zu finden sind. Und unbestritten, ein Spiel unter Flutlicht am Millerntor ist auch von der Stimmung her etwas, was sich in Deutschland durchaus sehen lassen kann. Einziger kleiner Wermutstropfen der bereits eingängig erwähnt wurde, blieb der Gästeblock, der lediglich durch rund 600 Sachsen bevölkert wurde, die sich gegenüber den Gastgebern natürlich nur selten Gehör verschafften.

Den Mythos St. Pauli kann ich so nicht bestätigen, auch wenn es dem Gesehen durchaus Tribut zu zollen gilt. Dies gilt auch für die Mannschaftsleistung der Hamburger, die, allen voran Mats Möller Daehli, ein starkes Spiel ablieferten. Für den Sieg sollte es damit dennoch nicht reichen, zumal die Sachsen die zweimalige Führung beide Male postwendend auszugleichen wussten. Das 2:2 bedeutet für Dynamo unbestritten einen gewonnenen Punkt. Sehenswert für die 28’699 Zuschauer waren sicherlich die Tore der Hausherren, welche beide mittels Distanzschuss erzielt wurden. Mit der Information, dass die auf Pauli viel gesehenen Totenköpfe von den damaligen Hausbesitzungen nebenan stammen und irgendwann den Weg ins Stadion gefunden haben, möchte ich diesen Beitrag abschliessen.