Die letzten Worte des Dozenten kaum verklungen, befand ich mich bereits wieder auf dem Heimweg in die Gallusstadt. Für einen ruhigen Abend hätte ich viel gegeben, doch stattdessen galt es das Wochenende einzuläuten. Versteht mich nicht falsch, ich liebe mein Hobby, doch in gewissen Momenten wäre ich mit dem Gedankengang einer bürgerlichen Existenz deutlich besser bedient. Dies bemerkt ab und an auch mein Körper; also kurz das Grippemittel in den Rachen geleert, eine Tasse Tee getrunken und direkt auf den Bus umgestiegen, welcher mich in Begleitung von Cedric über die Nacht in die deutsche Hauptstadt brachte.

Da unserem Duo Berlin bereits aus früheren Besuchen bekannt war, entschieden wir uns für einen Abstecher ins KZ Sachsenhausen. Die in Oranienburg gelegene Gedenkstätte kommt äusserst trist daher. Fördernd dabei sicherlich die Umstände, dass wir frühmorgens die ersten Besucher auf dem weitläufigen Areal waren, auf welchem der Schnee angesetzt hatte und eine eisige Bise wehte. Wer meinen Blog schon etwas länger verfolgt, weiss, wie sehr mich dieses schwarze Kapitel der (deutschen) Geschichte in seinen Bann zieht. Auch hier und heute erfuhr ich wieder viel Wissenswertes, was dabei hilft, die Folgen dieser Schreckensherrschaft auch Generationen später nachhaltig zu verarbeiten. Um die Stimmung etwas zu heben, wurde im Anschluss bereits früher als geplant Berlin-Köpenick anvisiert. Hier im Südosten der Stadt ist nämlich seit jeher die Heimat von Eisern Union. An der Stadionkasse warteten die beiden Eintrittsberechtigungen, welche über ein Union-Mitglied bezogen werden konnten. Das St. Pauli des Ostens geniesst weiterhin Kultstatus, was auch bei internem Verkauf ein ausverkauftes Stadion zur Folge hat. Damit in Zukunft noch mehr als die 22’012 Zuschauer die Spiele des etablierten Zweitligisten mitverfolgen können, ist ein Ausbau in Planung. Voll wird die Alte Försterei mit seinem Forsthaus als Namensgeber übrigens auch beim alljährlichen Weihnachtssingen, was nicht nur bei der breiten Fanbasis auf grosse Resonanz stösst.

Mit der Entlassung von Trainer Keller sorgte Union vergangene Woche wohl nicht nur bei mir für grosses Unverständnis. In meinen Augen war es schliesslich grösstenteils ihm anzurechnen, dass Union in den letzten beiden Spielzeiten zu einem Aufstiegsaspiranten avisierte. Auch heuer steht man in Berlin mit dem vierten Tabellenplatz gut im Rennen um den Aufstieg, was die Entscheidung nochmals unbegreiflicher macht. Doch nicht nur Jens Keller wird wissen, dass Hochmut (unter anderem bei habgierigen Sportmanagern) bekanntlich vor dem Fall kommt. Auch auf der anderen Seite gibt es einen Wechsel zu vermelden, allerdings nicht auf dem Trainerposten, sondern im Fanblock.

So gibt Vorsänger Lehmi nach beinahe zwei Jahrzehnten das Zepter als Vorsänger von Ultras Dynamo weiter. Definitiv ein schweres Erbe, welches Nachfolger David hier antritt. Diese Behauptung sah sich in den folgenden neunzig Minuten gleich mehrmals bewahrheitet. Noch erreicht er nicht den ganzen Block und die Fangesänge waren teils situationsbedingt etwas unglücklich ausgewählt. Warum trotz drei erlaubten Megafonen kein Lautsprecher den Weg in die Kurve fand, bleibt wohl ebenfalls das Geheimnis der Dresdner. Insgesamt also ein eher schwacher Auftritt der Ostdeutschen. Gegenüber präsentiert sich die Waldseite rund um die führende Gruppierung mit dem Namen „Wuhlesyndikat“ in solider Art und Weise, der viel zitierten „Mythos Alte Försterei“ bestätigt sich in meinen Augen trotz der vielen Stehplätze allerdings nicht.

Auf dem Rasen setzte es für die Roten eine 0:1-Heimniederlage ab, an der auch der neue Trainer nichts zu ändern wusste. Union wirkt nicht nur verunsichert, sondern auch äusserst harmlos vor dem gegnerischen Gehäuse. Mit diesem Sieg können sich die Sachsen etwas im Mittelfeld festsetzen, während wir auf dem Weg zurück ins Zentrum am Ostbahnhof ausstiegen.