«Wieso seid ihr hier? Hier gibt es nichts zu sehen.» Die beiden Sätze einer jungen Medizinstudentin vor einer Bar im Zentrum von Chisinau sind beispielhaft für die Äusserungen vieler Einheimischen, nachdem sie unser Duo als Ausländer enttarnt haben. Tatsächlich gibt es in dieser Situation wenig Argumente, mit denen zwei Westeuropäer – ohne die noch fragwürdigere Leidenschaft Groundhopping ins Feld zu führen – eine Reise in ein Land legitimieren können, das gefühlt zuletzt 2004 für positive Schlagzeilen gesorgt hat, als die moldauische Boyband O-Zone mit ihrem Liebessong «Dragostea din tei» einen internationalen Charthit landete.
Wegen wenigen Metern ohne Meeranschluss und eingeklemmt zwischen Rumänien und der Ukraine steht die Republik Moldau, umgangssprachlich auch Moldawien genannt, für eines der ärmsten Länder Europas, eine hohe Erwerbslosigkeit und eine tiefe Lebenserwartung. Mit den abtrünnigen Regionen Gagausien und Transnistrien oder in Form der historischen Region Bessarabien sieht sich der krisengeplagte Staat mit zweieinhalb Millionen Einwohnern zudem immer wieder mit territorialen Machtbegierden aus dem In- und Ausland konfrontiert.
Besonders um die «Piata Centrala» macht sich der harte Alltag der moldauischen Unterschicht bemerkbar. Auf den Gehsteigen werden Falschgeld und Klappmesser neben ausgebauten Autoradios, Aphrodisiaka, und Altkleidern angeboten. Die alten Busse in den Strassen sind meist bis auf den letzten Platz besetzt, in jenem vom Flughafen ins Stadtzentrum bahnt sich eine ältere Frau in einer Weste und mit Finken den Weg durch die Passagiere und sammelt das Geld für die Fahrt ein, ein zweites Gepäckstück kostet extra.
Und doch bietet alleine die Hauptstadt Chisinau eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten, besonders für Liebhaber der sozialistischen Architektur. Sie kommen etwa bei den imposanten «City Gates», dem Staatszirkus oder dem Puppentheater, dem kollektiven Wohnturm «Romanita», dem Kaffeehaus Guguta oder in Form des moldauischen Präsidentenpalastes sowie jenem zu Ehren der Republik auf ihre Kosten. Auch religiöse Bauten wie das Kloster Ciuflea, die Kathedrale der Geburt des Herrn oder der Kirche St. Teodora sind einen Besuch wert. Wer Erholung und Entspannung sucht, ist in Parkanlagen wie dem Valea Morilor mit seinem kleinen See, dem Sommertheater und der imposanten Kaskadentreppe gut aufgehoben.
Der Fussball hingegen spielt im Leben der Moldauer eine untergeordnete Rolle. So überrascht es wenig, dass lediglich 1700 Zuschauer das Spitzenspiel im Nationalstadion mitverfolgen. In diesem duelliert sich Zimbru Chisinau mit Petrocub Hincesti. Der ungewohnte Zusatz «Zimbru» geht, wie im Logo ersichtlich, auf den Bison zurück und gehört seit Anfang der 1990er-Jahre zum immer wieder geänderten Namen der Hauptstädter. Unterstützt wird Zimbru im Duell um die Tabellenspitze von einer kleinen Fankurve, die bis zur Spielmitte auf rund 50 Anhänger und ein paar Kinder anwächst. Auch überraschend viele Gästefans haben die Reise in die Hauptstadt angetreten und sich auf der gut gefüllten Haupttribüne niedergelassen, wie beim frühen Führungstreffer zu erkennen ist. Dank eines Elfmeters kommen die Hausherren vor dem Plattenbau-Panorama nach dem Seitenwechsel zu einem schmeichelhaften 1:1. Zum Saisonende sollte der Titel aber dennoch – und verdienterweise – erstmals in der Geschichte nach Hincesti gehen.