Das Zentrum von Marijampole ist zweckmässig gebaut, Betonstrukturen dominieren das Stadtbild. Nur selten versucht eine vergilbte Holzfassade eines grünen oder gelben Häuschens dem Ort etwas Lebenslust einzuhauchen. Auch die Gesichter der Menschen sind hier im Südwesten Litauens gefühlt noch etwas furchiger, die Augenringe ausgeprägter und die Blicke eine Stufe leerer als etwa in Vilnius. Im 2. Weltkrieg besetzten sowohl sowjetische als auch deutsche Truppen Marijampole und zogen die Stadt in kriegerische Mitleidenschaft. Bis heute erinnert die nur 40 Kilometer entfernte russische Exklave Kaliningrad an diese Zeit.
Dem Fussball ist im Norden der rund 40‘000-Einwohner-Gemeinde eine Anlage gewidmet, zu der nebst zwei Trainingsplätzen und dem Stadion auch eine Fussballhalle zählen, die in den bisweilen kalten ersten Monaten der Meisterschaft als alternative Spielstätte dient. Der FK Suduva wirkt wie ein Breitensportklub mit zu gross geratener Haupttribüne: Die Anzeigetafel ist kaputt, der Medienchef agiert von der Tribüne aus auch als Speaker und am einzigen Verpflegungsstand kennt man sich. Trotz der familiären Atmosphäre hegt der Klub sportliche Ambitionen und ist auf internationaler Bühne bereits drei Mal bis in die Playoffs zur Europa League vorgedrungen. 2017 haben die Litauer auf diesem Weg auch den Schweizer Vertreter FC Sion souverän eliminiert.
Der Name des Klubs aus Marijampole geht auf die gleichnamige historische Landschaft zurück. Des Ausrufs «Su-du-va» bedienen sich mit den «Suduvos Sakalai» (Suduvas Falken) auch die elf Heimfans, die hinter drei Zaunfahnen stehen und gelegentlich Gesänge anstimmen. Unter dem Dach ziehen jedoch keine Falken, sondern Schwalben ihre Kreise, wobei sie bei ihren Flügen auf das einsame Kommentatoren-Duo Rücksicht nehmen müssen, das sich – etwas gewöhnungsbedürftig – ebenfalls in der Dachschräge eingenistet hat.
Unter den 425 Zuschauern weilt auch ein Ehepaar aus Kaunas, das gar eine Fahne von Kauno Zalgiris (ausgesprochen als «Schalgiris») im Gepäck hat. Diese zeigt das Vereinslogo, das sich die Fussballer mit der wesentlich bekannteren und älteren Basketballabteilung teilen. Die beiden Anhänger aus der zweitgrössten Stadt des Landes verfolgen das umkämpfte 2:2 stehend und im Fall der Frau bisweilen gar springend, wobei dieses Verhalten eher auf ihre Nervosität als auf konkrete Supportbemühungen zurückzuführen sein dürfte.