Das litauische Nationalstadion ist die Sagrada Familia unter den Fussballstadien. 1987 setzten die Bauherren in Vilnius zum Spatenstich an, vier Jahre später mussten die Arbeiten aufgrund finanzieller Engpässe für lange Zeit unterbrochen werden. Erst 2008 erfolgte auf Bestreben der litauischen Regierung die Wiederaufnahme der einstigen Pläne, die wenig später von der Weltwirtschaftskrise abermals herb ausgebremst wurden. Vom zweiten Anlauf blieb ein Skelett aus Stahlträgern übrig, um dessen Rippen sich langsam, aber stetig die Pflanzenwelt schlängelte. Seit zwei Jahren wird auf der einstigen Brache wieder gearbeitet und im kommenden Sommer soll die neue Arena nach knapp vier Dekaden endlich fertig sein.
Die Grossbaustelle im Norden ist der braune Fleck auf der weissen Weste der litauischen Hauptstadt am Fluss Neris. Nebst den historischen Bauten sorgen besonders der Stadtteil Uzupis, die Kirche St. Anna sowie die Bars des nahegelegene Bernardin-Hofes für einen positiven Eindruck vom Zentrum des katholisch geprägten Landes mit knapp drei Millionen Einwohnern.
Wegen den Verzögerungen rund um das neue Nationalstadion figuriert seit bald zwei Jahrzehnten das LFF-Stadion als Zuhause der Nationalmannschaft, das primär von Rekordmeister und -pokalsieger Zalgiris genutzt wird. Unterstützt wird dieser bei Heimspielen in der Regel von zwei 30-köpfigen Fangruppen. Nebst einer Ansammlung am unteren Ende der Gegengerade sind am Rand der einzigen Hintertortribüne die «Pietu IV Ultras» zugegen, deren «Slava Ukraini»-Gesänge Solidarität mit der Ukraine und ihren Freunden aus der Anhängerschaft von Dynamo Kyiv ausdrücken.
Der Grossteil der 1621 Zuschauer verfolgt das Spiel hingegen lethargisch und schlapp von der Hitze, wozu die träge Partie ihren Beitrag leistet. Zalgiris – dessen Namen für das polnische Dorf Grunwald (Grünfelde) steht und sich auf die Schlacht bei Tannenberg bezieht – ist feldüberlegen, hat aber vor dem gegnerischen Tor wenig zündende Ideen. Gegen den Tabellenvorletzten führen die Hausherren erst in der siebenminütigen Nachspielzeit die Entscheidung herbei, sodass der Anschlusstreffer zum 2:1 aus Sicht des Leaders der «A lyga» nicht mehr ins Gewicht fällt.
Der amtierende Meister aus Panevezys steckt hingegen weiter in der Krise. Dass ihm in die Hauptstadt keine rot-blauen Anhänger gefolgt sind, liegt aber nicht am enttäuschenden sportlichen Abschneiden, sondern am Konstrukt generell: Dieses wurde 2015 nach der insolvenzbedingten Auflösung des städtischen Traditionsvereins FK Ekranas ins Leben gerufen. Der Kern der Fanszene – früher als «Ekranas Ultras» und heute als «Pirmoji Armada» organisiert – konnte sich nie mit dem Nachfolgeverein anfreunden und rief 2020 stattdessen unter dem einstigen Namen den alten Klub wieder ins Leben. Seit drei Spielzeiten tritt dieser in der zweithöchsten Liga an – unter anderem gegen die Reserve des FK Panevezys.