Die Geschichte zu diesem Spiel beginnt in der letzten Oktoberwoche mit dem Cupauftritt der St. Galler im Zürcher Letzigrund. Während der Halbzeitpause geselle ich mich zu Michael, den ich vor etwas mehr als zwei Monaten zufällig bei einer dänischen Zweitligapartie in der Agglomeration Kopenhagens traf. Nach einiger Zeit kommen wir also aufs Hoppen zu sprechen und Michael erzählt von einem kommenden Ausflug. Dieser werde ihn, direkt nach dem Gastspiel der Grün-Weissen (wiederum in Zürich) weiter in Richtung Italien bringen, wo der Länderpunkt San Marino eingefahren werden sollte. Dem Vorhaben grundsätzlich nicht abgeneigt, frage ich dennoch eher scherzhaft nach einer allfälligen Mitfahrgelegenheit.

Ziemlich genau einen Monat später sitzen wir nun im Auto in Richtung Italien und wurden soeben Zeuge eines unterhaltsamen Unentschiedens gegen die Zürcher Grasshoppers. Wir, das sind in diesem Falle wie gesagt Michael und Ich, aber auch Joel, ein Kumpane Michaels, der ebenfalls in Kopenhagen getroffen wurde. Das Quartett vervollständigt Kollege Xavier aus meinem Lager. Für uns zwei geht es zwar nicht wie ursprünglich geplant nach San Marino, da die dort ausgetragenen Spiele und die jeweiligen Spielstätten mir irgendwie für den Rahmen «Länderpunkt Nummer 29» nicht zusagten. Mach das Ganze wohl doch irgendwann mit einer Partie im Nationalstadion. Also hatte ich vorab gefragt, ob eine Art Teilmitfahrt, sprich jeweils hin und zurück bis Mailand, auch möglich wäre. Auf meinem Radar war nämlich das Heimspiel vom Genoa Cricket- und Fussballclub am Sonntagnachmittag gegen Juventus Turin aufgetaucht. Netterweise wurde mir mein Anliegen genehmigt und wir einigten uns auf eine Unterkunft in der Nähe Mailands, von wo aus wir am nächsten Morgen per Zug weiterreisten. Die Gepäckübergabe erfolgte bereits am Freitag, der ferner genutzt wurde, um Michael mit einem alten Kollegen von mir sowie einer Kollegin von ihm nach Lustenau zum Spitzenkampf der zweiten Liga zu begleiten. War übrigens auch ein richtiger Volltreffer, zumal überraschend viele Leute aus dem aktiven Umfeld von St. Gallen und Augsburg begrüsst werden konnten.

Zurück aber zur Fahrt in den Süden, welche zwar recht lange, aber bis knapp einen Kilometer vor dem Hotel, ereignislos vorüberging. Dann schaltete eine Ampel kurz vor unserer Durchfahrt auf Rot und Joel am Steuer trat folgerichtig auf die Bremsen. Im gleichen Moment krachte es auch schon und wir wurden kräftig durchgeschüttelt. Vor allem Michael und Ich auf der Rückbank erlebten den Aufprall am Heftigsten. Also kurz aus dem Auto und die eingedrückte Hinterseite begutachtet und dem Fahrer zu verstehen gegeben, an den Rand zu fahren und wieder ins Auto gestiegen. Dieser nickte und zeigte uns den Weg. Plötzlich beschleunigte das aufgefahrene Auto aber wieder und in den nächsten Minuten lieferten wir uns eine Verfolgungsjagd durch das nächtliche Milano. Als wir das Auto bereits aus den Augen verloren glaubten, sahen wir in der Ferne ein Polizeiwagen sowie das flüchtige Vehikel. Also nichts wie hinterher und aus dem Auto gestiegen und den «Carabineri» so gut es auf Italienisch eben ging die vorliegende Situation geschildert. Diese schienen aber lediglich wegen der überhöhten Geschwindigkeit hier zu sein und liessen auch schon nach ein paar mahnenden Worten vom Gefährt ab. Unglaubliche Dilettanten. Aber mich wundert diesbezüglich nichts mehr. Immerhin waren wir jetzt soweit, vom Flüchtigen die Personalien zu verlangen, den Schaden zu fotografieren und das Unfallprotokoll auszufüllen. Natürlich auch hier wieder diverse Versuche zu tricksen, ehe wir nach gut vierzig Minuten dem Marokkaner schliesslich alle nötigen Informationen abluchsen konnten. Als wäre das Ganze nicht genug, fand sich ganz in der Nähe ein Club voll von Nordafrikanern, die nun in Massen herausströmten und wild gestikulierend auf uns einredeten. Um halb drei Uhr morgens in einem Vorort von Milano mit Rückenschmerzen und ohne grossartige Italienisch-, geschweige denn Arabischkenntnisse, mit zehn Nordafrikanern diskutieren. I’m lovin’ it! Die Schuldzuweisung wurde aber bewusst nicht noch am selbigen Abend geklärt und so hatten Xavier und ich danach immerhin noch gut drei Stunden Schlaf, ehe uns der Wecker aus dem Reich der Träume holte. Glücklicherweise konnte anschliessend im Taxi und im Zug nach Genua noch etwas geschlafen werden.

Genova (wie die Stadt in der italienischen Sprache heisst) präsentierte sich bei einladenden Temperaturen von seiner besten Seite und unser Duo spulte das Touristenprogramm in der 800’000 Einwohnerstadt souverän herunter. Neben der «Piazza de Ferrari» und dem «Duomo di Genova», vermochten vor allem die engen Gässchen sowie das Hafenareal rund um das Aquarium in der Kolumbusstadt zu überzeugen. Rein von der Architektur her bietet die Stadt wirklich so einiges. Nach einer mittäglichen Stärkung mit dem lokalen «Pesto alla Genovese» bewegten wir uns zeitig per pedes in Richtung Stadion. Der Weg vorbei unter vollgehängten Wäscheleinen und am Fluss Bisagno entlang zum Stadion lässt bereits das typisch italienische Fussballflair aufkommen.

Rund um die Spielstätte dann auch bereits unglaublich viel los und gefühlt alle zwei Minuten ertönte ein ohrenbetäubender Knall einer Petarde. Einlass in das Stadion findet der Fan durch das Passieren von zwei Ringen, wo jeweils separat Eintritts- und Identitätskontrollen sowie eine Leibesvisitation durchgeführt werden. Trotz diesen Umständen und eben nur dank unserem Zeitpolster konnten wir rechtzeitig unsere Plätze auf dem Mittelrang der Gegentribüne einnehmen. Für mich ist das Stadio Luigi Ferraris mit seinen vier imposanten Ecktürmen eines der schönsten Stadien überhaupt; zudem kommt es ganz im Gegensatz zum Grossteil der Bauten in Italien als reines Fussballstadion ohne Laufbahn daher. Es bietet nicht nur dem ältesten Verein des Landes eine Heimat, sondern auch dem Erzrivalen Sampdoria.

Die englische Schreibweise Genuas ist natürlich bewusst, zumal der Verein im Jahre 1893 von Engländern gegründet wurde und es am Anfang den Italienern sogar untersagt war, dem Club beizutreten. Wer sich etwas genauer mit der Geschichte der Rot-Blauen auseinandersetzt, weiss, dass die «Grifoni» seit gut fünfzig Jahren lediglich italienische Trainer an ihrer Seitenlinie stehen haben. Eine allfällige Trotzreaktion an ihre Gründerväter? Zumindest sportlich trägt das Ganze jedoch noch nicht die gewünschten Früchte, zumal der CFC nun bald schon seit 100 Jahren auf einen weiteren Gewinn der Meisterschaft wartet. Auch heuer sind sie mit ihrem Mittelfeldplatz von diesem Ziel wieder weit entfernt.

Ganz im Gegensatz zum heutigen Gegner aus dem Piemont, der wie gewohnt die Tabelle in der Serie A anführt und auch heute die drei Punkte wohl bereits miteinberechnet hat. Dabei hatte er die Rechnung aber ohne die kämpfende Einheit der Genovesi gemacht, die von Beginn an Druck machen und ihre Bemühungen bereits nach wenigen Spielminuten in das erste Tor des Tages umzumünzen wissen. Noch keine Viertelstunde ist gespielt und schon doppeln die Hausherren nach. Das Stadion steht jetzt natürlich Kopf und die Stimmung rund um die stimmgewaltige Heimkurve erreicht ihren Siedepunkt. Als Gianluigi Buffon nach einer halben Stunde bereits zum dritten Mal hinter sich greifen muss, reibt sich ein Grossteil der 27’153 Zuschauer nur noch die Augen. Der Rekordmeister und Titelanwärter Nummer 1 wird hier in der Hafenstadt regelrecht vorgeführt. Der Heimanhang goutiert das Ganze mit lautem Support, noch lauteren Böllern sowie diversen Pyroaktionen. Fortan beschränkt sich Genoa zurecht auf die Verwaltung des Vorsprungs und auch der Ehrentreffer von Freistossspezialist Miralem Pjanic zum 3:1 lässt die Gastgeber nicht beunruhigen. Die alte Dame war heute einfach zu gebrechlich unterwegs. Da hilft auch ein proppenvoller Gästeblock mit einem guten Auftritt nichts mehr.

Welch eine Überraschung und was für ein gelungener Fussballnachmittag! Uns blieb nach dem Spielende noch genügend Zeit für die abendliche Verpflegung, ehe der Heimweg angetreten wurde. In Chiasso trafen wir uns wieder mit Michael und Joel, welche ebenfalls von einem gelungenen Ausflug zu berichten wussten. Fortan setzte sich netterweise Xavier hinter das Steuer und in den frühen Morgenstunden hatte mich mein geliebtes Bett für einige wenige Stunden wieder. Also mein Wochenende bestand ja aus drei Spielen in drei Ländern und einer Verfolgungsjagd durch Mailand. Wie sieht es denn bei euch so aus?