Nach zwei Partien in Solo – darunter ein Heimspiel der PS Sleman im Exil – bot sich eine Weiterreise nach Ost-Java an, wo es zum Derby zwischen Gresik United und den Deltras Sidoarjo kommen sollte. Von dieser Idee liessen sich nebst meinem Fahrer Tito mit Panji und Yanuarisnan zwei weitere Personen aus dem Kern der Brigata Curva Sud begeistern. Damit das Quartett am Folgetag zeitig und ausgeschlafen in Richtung Osten aufbrechen konnte, offerierte ich allen Mitfahrern ein Hotelzimmer in Solo. Pures Wunschdenken, wie ich am nächsten Morgen in der Hotellobby erfahren sollte, als mir Panji die Aussage des schelmisch grinsenden Tito übersetzt, dass sie direkt nach der Partie wieder zurück nach Sleman gefahren seien und die Nacht und Niederlage im Alkohol ertrunken hätten.
Die kurvigen Strassen, auf denen sich unsere Reisegruppe den Weg durch das Landesinnere an die Küste bahnt, sind nichts für flaue Mägen und schwache Nerven. Obschon Tito einer der offensivsten Verkehrsteilnehmer darstellt, ist er auch einer der aufmerksamsten und beeindruckt mehrmals mit wahnsinnigen Reflexen beim Ausweichen von Lastwagen, die in blinden Kurven plötzlich auf unserer Spur auftauchen. Trotz Müdigkeit lenkt er das Gefährt sicher nach Tuban, wo er während der Partie etwas Schlaf nachholen will. Dies obwohl Danial die gesamte Reisegruppe ans Spiel einlud. Eine äusserst nette Geste des Funktionärs von Gresik United, der sich damit dafür bedankte, dass ich ihm vor Jahren einmal bei seiner Masterthesis zu den Strukturen europäischer Fussballklubs geholfen hatte.
Tickets waren an diesem Montagnachmittag allerdings kein rares Gut, da der Verband und die Polizei auch diesem einst vielversprechenden Zweitliga-Derby mit einer Anstosszeit unter der Woche und an einem neutralen Ort den Zahn gezogen hatten. Weiter heisst es in Tuban, zwei Stunden von Gresik entfernt, ebenfalls «Tanpa Penonton Tamu», sodass unter den 2971 Zuschauern keine Gästefans weilen. Zumindest dieses Verbot ist nachvollziehbar, war es beim letzten Duell zwischen den beiden Städten, die nördlich (Gresik) und südlich (Sidoarjo) von Surabaya liegen, doch zu heftigen Ausschreitungen gekommen.
Ohne den Gegenpart auf den Rängen vermögen die «Heimfans» ihr grosses akustisches Potenzial nicht abzurufen. Lange Zeit fehlt im spärlich gefüllten Stimmungsblock gar ein Vorsänger, sodass einzig der Ausgleich von Sidoarjo in der Nachspielzeit zum 1:1 sowie das anschliessende Gerücht, dass vor den Stadiontoren einige Deltras-Anhänger gesichtet wurden, die für Indonesien typischen Emotionen hervorzurufen vermögen. Auch die Ultras Gresik, die 1999 als erste Gruppierung in Indonesien den bekannten Zusatz im Namen aufwiesen, existieren nicht mehr. Am ehesten noch erinnern einige Zaunfahnen im Stil der Boys Parma an die starke italienische Prägung dieser historischen Kurve.
Als Tito und Yanuarisnan nach dem Schlusspfiff verspätet und in Feierlaune am Tuban Sport Center vorfahren, ahne ich bereits Böses. Natürlich hatten die beiden in der Zwischenzeit kein Auge zugemacht und stattdessen mit der lokalen Sektion der Brigata Curva Sud zusammengesessen, Nelkenzigaretten geraucht und Arrak getrunken. Es gibt definitiv angenehmere Situationen, als mit einem angetrunkenen und übernächtigten Fahrer die sechsstündige Heimreise zu bestreiten. Spätestens als sich Tito über die grellen Lichter auf der Gegenfahrbahn beschwerte und ihn sein Beifahrer sowie treuer Trinkkumpane Yanuarisnan zu besonders waghalsigen Überholmanövern anspornte, war auch für mich der Moment gekommen, wie Sitznachbar Panji die Augen zu schliessen und mich dem Schicksal zu ergeben.