Erneut Morgensport in der serbischen Hauptstadt. Und zwar in allen Belangen. Gerade in lokalen Aufeinandertreffen geht es bekanntlich auch gerne mal neben dem Platz etwas agiler zu und her und auch wenn wir hier nicht vom Ewigen Derby (Večiti derbi) zwischen Roter Stern und Partizan reden, sollte dieses Spiel die Überraschung der Tour bilden. Auf der Clubwebsite des Viertligisten liess ich mir die Anspielzeit nochmals bestätigen und las dort erstmals etwas von einem Derby. Schön, dachte ich, da wird wohl einfach etwas mehr los sein als sonst jeweils bei den Heimspielen am frühen Sonntagmorgen in der serbischen Metropole. Über einen kurzen Umweg mit einem Abstecher zur nahegelegenen und zumindest in meinen Augen äusserst sehenswerten Heimstätte des FK Obilic erreichten wir pünktlich das Stadion Hajduka na Lionu.
Dort gab es den ersten Stimmungsdämpfer hinzunehmen. „Nema Publika“ fuhr uns am Stadioneingang ein Ordner ziemlich unfreundlich an und verwehrte unserem Trio mit einer eindeutigen Geste den Eintritt. Auch ohne serbische Sprachkenntnisse wird einem da klar, dass hier wohl doch etwas mehr als nur irgendein kleines Derby ausgetragen wird, wenn man aus Angst vor Ausschreitungen das Stadion für die Fans beider Teams sperrt. Dumm gelaufen!
Doch so einfach wollte man natürlich nicht aufgeben. Nachdem man zu Beginn noch nach allfälligen exponierten Stellen Ausschau hielt probierte ich es quasi in der Verzweiflung ein weiteres Mal am Haupteingang mit der altbekannten Mitleidsnummer „I came only for this game“ und trotz sichtlichem Pessimismus meiner beiden Begleiter wurde man schlussendlich nach Absprache mit dem Clubpräsidenten überraschend hineingeboten. Ein Spiel nur für uns alleine, welcher Groundhopper kann Derartiges in seinem Palmarès schon vorweisen?
Um ehrlich zu sein, so ganz ein Geisterspiel wurde es zum Schluss dann doch nicht. Im Gegenteil, mit 150 Zuschauern war die kleine Tribüne sogar relativ gut gefüllt. Aber ins Stadioninnere kam nur, wer entweder den Zenit des Lebens bereits klar überschritten hatte, sich als Spielervater ausgab oder persönlich den Präsidenten kannte. Sportliche Typen sowie die Szenen wurden nach draussen verbannt, was wohl auch erreichtes Hauptziel der Aktion bildete.
Der Austragungsort lässt sich übrigens durchaus sehen. Durch die unmittelbar nach den Torlinien angrenzenden Häuser bekommt die Anlage besonderen Balkanflair und eine Art Kompaktheit. Gegenüber der bereits erwähnten Holztribüne findet man einige Stehstufen, sowie den abgegrenzten Gästebereich, wobei die Mauern durch Clublogos und Wandmalereien schön verziert worden sind.
Spätestens nach dem frühen Führungstreffer des Heimteams und dem kompletten Ausrasten von Akteuren und Zuschauer wurde man sich dem Stellenwert dieses Derby für die hier Anwesenden endgültig bewusst. Wie mir später gesagt wurde, war dies am heutigen Tage das erste Aufeinandertreffen der beiden Lokalrivalen seit nunmehr knapp 15 Jahren. Ziemlicher Glücksgriff also, denn man hier gelandet hatte.
In der Folge kam es immer wieder zu Regelübertretungen sowie teils wirklich skandalösem Einsteigen und dementsprechend vielen Foulspielen. Als ein Gästeakteur nach einem besonders rabiaten Foulspiel verdient den roten Karton präsentiert bekam, brannten bei ihm alle Sicherungen durch und er schlug einem provozierenden Zuschauer beim Hinauslaufen mitten ins Gesicht. Dieser wehrte sich natürlich nach Kräften und ehe man sich versah war unser Sitznachbar auch schon nicht mehr mit seiner Kamera beschäftigt, sondern bereits aufgesprungen und an vorderste Front agierend. Aus unmittelbarer Nähe wurden wir somit Zeuge einer Massenschlägerei am Spielfeldrand zwischen den Akteuren, die allesamt ebenfalls herbeigeeilt waren und einem Grossteil der Zuschauer. Und dies bei einem eigentlichen Geisterspiel wohlgemerkt! Dass man in gewissen Balkanländern der Gewalt nicht unbedingt abgeneigt ist und auch gerne Mal die Fäuste sprechen lässt war mir bekannt, aber dass dies sogar bei einem Viertligaspiel ohne wirkliche Fans in derartigen Auswüchsen enden würde, hatte ich dann doch nicht für möglich gehalten.
Ähnlich überrascht darüber schien die Polizei zu sein, die nummerisch klar den Kürzeren zog und erst einmal Unterstützung anfordern musste, ehe die Konfliktparteien getrennt werden konnte. Das Spiel wurde natürlich unterbrochen und mit dem Eintreffen der nächsten Ladung Vertreter der Staatsmacht wurde die Tribüne geräumt. Ich will nicht wissen, was wäre hier wohl los gewesen wäre, hätten neben „Otto Normalbürger“ noch die beiden Fanszenen ins Geschehen eingegriffen.
Nachdem die Ordnungshüter einige besonders enge Freunde der dritten Halbzeit abgeführt hatten, ging das Spiel trotz allen Vorkommnissen zur Überraschung unsererseits dennoch weiter und Zvezdara konnte zwischenzeitlich sogar ausgleichen. Die Partie war zwar äusserst unterhaltsam und das Niveau war auch nicht so schlecht wie erwartet, aber trotz allem war der 2:1 Heimsieg an diesem Morgen schlussendlich nichts mehr als eine weitere Randnotiz.
Denn wie unserem Trio eindrücklich aufgezeigt wurde, hat Morgenstund hier in Belgrad eben nicht nur Gold im Mund sondern gerne auch mal blaues Auge.