Der «Grotifant» trottet traurig in die Kabine, sein KFC-Fähnchen hat er zusammengerollt, den Kopf hält er gesenkt. Dabei stand das Krefelder Maskottchen zwei Stunden zuvor noch wild gestikulierend am Spielfeldrand, als wären für einmal die Elefanten auf Zebrajagd. Zwischen den beiden Momentaufnahmen liegen zwei Stunden und ein verlorenes Lokalduell, das der KFC Uerdingen gegen den MSV Duisburg innert drei Minuten aus der Hand gegeben hatte. Während des Doppelschlags auf dem Platz zum 1:2 waren sich auch mitten auf der Haupttribüne einige Ehrengäste in die Haare geraten.
Als Aussenstehender passte diese Szenerie zum KFC. Bereits die zwölfminütige Verspätung beim Anpfiff aufgrund eines technischen Defekts hatte gezeigt, dass hier vieles anders läuft: An jedem Flutlicht brennen unterschiedlich viele Lampen, im Medienraum wird dünner Filterkaffee serviert und auf den Stehtraversen sorgt einzig das nasse Herbstlaub für halbwegs farbliche Lebensfreude. Trotz den zu grossen Teilen gesperrten Hintertotribünen vermeldet der KFC ein mit 10‘000 Zuschauern ausverkauftes Regionalliga-Heimspiel.
Einen kleinen Sieg im «Stadtteilderby» gegen Meiderich hatte Uerdingen bereits vor Anpfiff gefeiert, als die Gastgeber erstmals in dieser Saison mit einem Sponsor auf der Brust aufliefen. Diese schien mit der Neuheit gleich noch breiter, sodass der KFC verdient mit einer Führung in die Pause ging und sich auch nicht über die Unterstützung von den Tribünen, wo Freunde aus Venlo und Graz ihrem Anhang zur Seite standen, beklagen konnte. Erst mit dem erwähnten Doppelschlag erlangte der Tabellenführer aus Duisburg die doppelte Vorherrschaft: Während die MSV-Akteure ihre Ausdauer unterstrichen, vermochte der Kern der blau-weissen Fanszene, unterstützt von Vertretern der Ultras Mainz, der Brigata Tifosi von De Graafschap und Anhängern der Colectivo Ultras 95 des FC Porto, nun vermehrt den Grossteil der fünftausend Gästeanhänger in ihre Gesänge einzubinden.
Während die spielerische Geschichte an diesem kalten Herbstnachmittag schnell erzählt ist, stellt die Aufschlüsslung der Vereinsgeschichte des KFC unbestritten den Opus magnum eines jeden Groundhoppers und Hobbyhistorikers dar. Für Diskussionen sorgen bereits der Vereinsname als auch die Herkunft, schliesslich trägt der Klub sowohl den Namen seiner Stadt als auch den eines Stadtteils in sich. Dass Uerdingen bereits 1255 und damit deutlich vor Krefeld (1372) das Stadtrecht verliehen bekam, befeuert die Diskussion zusätzlich. Die Tatsache, dass der Klub zwischen 1975 und 1995 mit dem Namen und Logo des nahegelegenen Pharmakonzerns auftrat, offenbart einen weiteren Nebenschauplatz in den wirren Annalen dieses Vereins.
Zu den Diskussionen rund um den Namen und die Herkunft gesellen sich sportliche und vereinsinterne Unbeständigkeit. Hatte Uerdingen 1986 mit dem Wunder von der Grotenburg noch den Einzug in den Halbfinal des Europapokals der Pokalsieger über den DDR-Vertreter Dynamo Dresden geschafft, fand sich der Klub 35 Jahre später in der fünften Liga wieder. Zwar kämpfte sich der KFC nach zwei Spielzeiten in der Ober- wieder in die Regionalliga hoch, doch leere Versprechen, strukturelle Misswirtschaft und finanzielle und menschliche Defizite gehören weiterhin zu den Begleiterscheinungen in der Anamnese des KFC. Mit Agissilaos «Lakis» Kourkoudialos oder Michail Ponomarew seien hierbei stellvertretend zwei Namen genannt, die den KFC als vermeintliche Heilsbringer an den Abgrund hievten und das Krankheitsbild des KFC in den letzten Jahren prägten. Wer weiss, ob statt des einstiges Klubnamens «Bayer 05 Uerdingen» nicht viel eher die überstrapazierten Nerven der KFC-Anhänger dafür verantwortlich sind, dass die Fanszene ihre Gedanken und Erfahrungen in einem Fanzine mit dem Titel «Beipackzettel» bündelt.