Auf nach Gibraltar! Was sich wie eine mehrmonatige Schiffsexpedition anhört, galt es als Tagesprogramm in die Tat umzusetzen. Deshalb erhielt das Mietauto von Adrian und mir der Galeone gegenüber auch den Vorzug. Unsere morgendliche Heiterkeit verflog am Schalter des Autovermieters, wo ein Zusammenspiel unglücklicher Zufälle für eine vierstündige Verspätung sorgte. Während Adrian seine Kartenlimite im Hinblick auf die Kaution vergass, war meine Kreditkarte vom Hotel in Sevilla mit einer Null zu viel belastet worden. Einige Telefonate später war ich lediglich um die Antwort schlauer, dass meine Limite kurzfristig nicht erhöht werden könne – mir fehle durch den gestrigen Überzug die Kreditwürdigkeit. Damit war die Reihe wieder an Adrian, der nach mehrmaligen Bitten eine sofortige Limitenerhöhung erwirken konnte. Nach dem misslungenen Unterfangen rund um den Länderpunkt Andorra dachte ich bereits, nun am nächsten Zwergstaat zu scheitern.

So aber erreichten wir nach eineinhalb Stunden ereignisloser Fahrt das spanische Grenzstädtchen „La Linea de la Concepcion“. An der „Empfangslinie“ parkten wir kostenlos wenige Meter vor dem Grenzübergang. Während diese Stadt insgesamt einen wenig einladenden Eindruck hinterlässt, kommt die Spielstätte des lokalen Drittligisten äusserst sehenswert daher.

Besuchern des britischen Überseegebiets sei ein Grenzübertritt zu Fuss geraten. Dieser dauert keine Minute und nachdem einige Pfund den Besitzer gewechselt hatten, liefen wir bei Sonnenschein über das Rollfeld des Flughafens. Erst in diesem Moment wird einem die Länge der Landebahn bewusst. Das Nationalstadion befindet sich direkt dahinter, das Stadtzentrum erfordert einen weiteren Fussmarsch von fünfzehn Minuten und fällt grösser aus als erwartet. Hier trifft spanisches Temperament auf britischen Kolonialstil und was auf den ersten Blick nicht zusammenpasst, harmoniert hier prächtig. Auch Spanier, die der englischen Sprache mächtig sind, bilden eine willkommene Abwechslung. Nur bei der Lasagne mit Pommes Frites (!) zeigen sich die gewöhnungsbedürftigen Einflüsse der englischen Küche.

Einen Grossteil der dicht besiedelten Halbinsel an der Südspitze Spaniens nimmt der pompöse Felsen „The Rock“ (nicht der Schauspieler) ein. Auch bei Adrian und mir stellte dieser einen fixen Programmpunkt dar, sodass wir wenig später mit der Seilbahn entspannt die Höhenmeter in Angriff nahmen. Oben angekommen bietet sich dem (Pauschal-)Touristen ein traumhaftes Panorama mit Spanien auf der einen und Marokko auf der anderen Seite. Besser bekannt ist diese Meerenge, die den Atlantik mit dem Mittelmeer verbindet, unter dem Namen Strasse von Gibraltar. Die Hauptattraktion bleiben jedoch die omnipräsenten Makaken, die auf dem Gipfel des Berges fern von jeder Scheu ein ruhiges Dasein fristen.

Zurück auf Meereshöhe entschieden wir uns das Stadion aufzusuchen, um die Anlage noch bei den letzten Sonnenstrahlen bestaunen zu können. Dabei konnte sogar ein Jugendspiel – mehr halbherzig – verfolgt werden. Mehr Aufmerksamkeit genoss aber der Sonnenuntergang und die Flugzeuge, die auf der spektakulären Landzunge aufsetzten. Neben dem eigentlichen Stadion findet der Besucher ein Cricketstadion. Von dessen Tribüne aus geniesst man perfekte Sicht auf das Fussballfeld und den Affenfelsen. Bis zum Anpfiff des Cupspiels wechselten wir auf die Gegengerade des Victoria Stadiums, das sich trotz freiem Eintritt mit 90 Zuschauern wie gewohnt äusserst dürftig füllte. Dies liegt weniger am Pokalwettbewerb, als an der Dichte der Spiele, die hier fast täglich ausgetragen werden.

Der „Gastgeber“ ist mit den Lincoln Red Imps kein unbeschriebenes Blatt, zumindest für diejenigen, die sich mit den Anfangsrunden der Europa League auseinandersetzen. Seinen Namen verdankt der Klub einem englischen Touristen aus Lincoln, der während seinen Ferien in den 70er-Jahren Gefallen an der damals noch unter dem Namen „Blue Batons“ auftretenden Elf fand.

Der Landeskrösus mit diversen Nationalspielern im Kader hatte auch heute einfaches Spiel und kam auf sportlich tiefem Niveau zu einem klaren 3:0. Für mich bedeutete die Partie Länderpunkt Nummer 36. Mit dem Schlusspfiff trat unser Duo den Rückweg an und erreichte um Mitternacht wieder Malaga.