Die Frühlingsferien sollten nicht ohne neue Stadien ins Land ziehen und so buchte ich etwa zwei Monate im Voraus einige Tage Auszeit in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Die definitiven Ansetzungen der „Prva HNL“, wie das kroatische Oberhaus heisst, waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht bekannt; mit Heimspielen von Dinamo und Lokomotiva konnte der Zukunft aber beruhigt ins Auge geschaut werden.

Die vier Tage würden sowieso nicht nur dem Fussball gelten, da ich mit weiblicher Begleitung unterwegs war. Zwei Wochen vor Abreise und nach dem gefühlt hundertsten Besuch auf dem Internetauftritt der Liga waren die Spieltermine endgültig fixiert und die Ansetzungen erlaubten es, am Samstag die Spiele beider erwähnten Vereine zu besuchen. Keine der beiden Partien kann als Klassiker bezeichnet werden, jedoch ist jeweils ein Name ein ziemlich klangvoller. Bei der ersten Partie ist dies der Gast aus Rijeka mit seiner einmaligen Spielstätte; bei der zweiten ist es Gastgeber Dinamo Zagreb, der sich mit 18 Titel Rekordmeister Kroatiens nennen darf und auch heuer wieder auf guten Weg ist, diesen Titel für eine weitere Saison zu verteidigen.

Aus unserem Umfeld hatten wir bereits erfahren, dass Zagreb jetzt nicht vor Sehenswürdigkeiten strotzt, dennoch ziehen beide von uns ein äusserst positives Fazit vom Besuch in der Stadt an der Save. Als Zentrum gilt der Ban-Jelacic-Platz, benannt nach dem König und Nationalhelden, von wo aus es in jede Richtung interessante Dinge zu entdecken gibt. Biegt der Tourist in eine Seitenstrasse am linken Ende des Platzes, entdeckt er das Quartier „Gornji Grad“, das erhöht liegt und neben der St. Markus-Kirche einen schönen Ausblick auf die Stadt und die Kathedrale bietet. Wer auf dem Platz jedoch horizontal nach links oder rechts läuft, findet diverse Shoppingmöglichkeiten sowie kleine Bars und Bistros, in denen sich Touristen und Einheimische zu jeder Tageszeit verköstigen lassen. In südlicher Richtung liegt nach einigen Minuten Fussmarsch ein Park mit dem Kunstpavillon, der bewusst etwas an den Central Park erinnert. Im gleichen Gelbton gehalten und definitiv ebenfalls einen Besuch wert ist das kroatische Nationaltheater. Was mich aber am meisten überraschte, war die eingangs makaber klingende Idee meiner Freundin, uns den Mirogoj-Friedhof anzuschauen. Dieser liegt ausserhalb der Altstadt und sieht schon von aussen äusserst imposant aus. Auch innen wird der prunkvolle Stil des Nobelfriedhofs weitergeführt, sodass uns schnell bewusst wird, dass hier nur die Oberschicht einen letzten Ruheplatz, meist in der Form eines Familiengrabes, gefunden hat. Das vorhin erwähnte Adjektiv makaber trifft dann auch auf einige Grabinschriften zu, bei denen bereits der Name der momentan wohl ältesten Person der Familie sowie ein Geburtsdatum (1932 – 20__) eingraviert ist.

Zurück zum Fussball, bei dem es für mich hoffentlich noch den einen oder anderen Länderpunkt gibt, bevor auch mein Name in Stein gemeisselt wird. Immerhin 23. Länderpunkt sollten es werden, wie sich am Folgetag herausstellte. Für das erste Spiel sollte ich alleine unterwegs sein, während wir beim Abendspiel uns die Partie dann zusammen anschauen werden. Somit schnappte ich mir kurz am Nachmittag ein Taxi und liess mich zum Stadion von Lokomotiva chauffieren. Auf dem Weg tauschte ich mich mit dem Taxifahrer aus und durfte ein weiteres Mal meine Leidenschaft einem Ungläubigen erklären, der sich im Anschluss aber ebenfalls als Fussballfan outete und mir riet, unbedingt einmal das Sevilla-Derby anzusehen. Da hat er recht, die Partie habe ich sowieso schon lange Zeit auf meinem Radar.

Die Spielstätte teilt sich Lokomotiva mit dem ligainternen Konkurrenten NK Zagreb. Das Stadion verfügt über eine Radrennbahn sowie eine überdachte Tribüne. Um ebendieses Objekt schön vor die Linse zu bekommen, kaufte ich mir für 40 Kuna (sechs Schweizer Franken) ein Ticket für die Gegentribüne. Die anschliessend enorm gründliche Eingangskontrolle liess Böses erahnen und so war es dann auch. Ich fand mich im Gästesektor wieder, wo es weder sanitäre Anlagen, noch Schatten oder Verpflegungsmöglichkeiten gab, dafür aber massenweise Polizisten. Und wer denn Osten kennt, weiss genau, dass sich die Staatsmacht hier mit imposanter Postur, fiesem Blick und qualmender Zigarette im Mund präsentiert. Unauffällig bleiben war angesagt.

Das Spiel bei prachtvollem Sommerwetter lockte nur gerade 867 Zuschauer ins Stadion, wovon rund ein Viertel den Gästen die Daumen drückte. Zur Mitte der ersten Halbzeit kreuzte dann die hundert Mann starke Armada auf und es gab nun auch akustische Unterstützung für die Gäste. Die legendäre Armada-Zaunfahne, die in griechischer Schrift gehalten wird, fand ebenfalls am Zaun Platz und war damit verlockend nahe bei mir. Wäre schon ein Ding, ein solches Stück Stoff einmal in Eigenregie zurück in die Schweiz zu bringen.

Auf dem Rasen zeigten die beiden Mannschaften eine Partie auf tiefem Niveau. Während der Pause startete ich einen Versuch, mit dem Sicherheitschef über eine Versetzung auf die Haupttribüne zu diskutieren und wider Erwarten sah sich dieser bereit, den Touristen aus der Schweiz sogar persönlich und kostenfrei auf die Haupttribüne zu eskortieren. Ein freundlicher Herr! Allgemein habe ich das Gefühl, die Kroaten sind im Balkan das Volk, das sich am freundlichsten gegenüber Fremden verhält. Klar spielt der Tourismus dabei eine grosse Rolle, beim Fussball verirren sich aber nur selten Fremde hierher. Somit genoss ich nun auch alle kulinarischen Freiheiten und orderte erstmals Popcorn und Bier, während die Akteure bereits wieder auf den Rasen zurückkehrten. Zu erwähnen gilt es das Maskottchen in Form einer Lokomotive, die nur schwer zu balancieren war.

Der zweite Abschnitt begann mit einem Penalty für die Gastgeber, den der Goalie aber – zur grossen Freude der mitgereisten Fans – mirakulös vereitelte. Wie so oft fiel im Anschluss der Treffer zum 0:1 auf der Gegenseite. Als der Speaker mit Mario Gavranovic den Torschützen vermeldete, staunte ich nicht schlecht, zumal der Schweizer mit kroatischen Wurzeln lange Zeit für den FC Zürich spielte und ich ihn nach seinem Wechsel aus den Augen verlor. Sein Kopfballtreffer war zugleich der einzige der Partie, sodass sich der Favorit aus der Küstenstadt durchsetzte. Mit dem Länderpunkt im Sack ging es für mich nach Schlusspfiff zufrieden in die Innenstadt.