Je nach Berufsfeld kommt der Arbeitnehmer in der Schweiz in den Genuss der sogenannten «Sportwoche». Diese Ferien Ende Januar nutzen die meisten Familien, um – mittlerweile vermehrt in Österreich – Skiurlaub zu fahren. Für mich hingegen ging es mit meiner Freundin und ihrer Familie, die mich grosszügigerweise eingeladen hatte, einige Tage nach Rom. Für ein Heimspiel von Lazio reichte es wegen geschlossener Abendkassen zwar nicht, die Ernüchterung darüber hielt sich jedoch in Grenzen. Rom hat es mir mit seinem antiken Forum, den warmen Temperaturen und den kulinarischen Leckerbissen auch so sehr angetan.
Als wäre dies nicht genug, entschieden meine Freundin und ich – nicht etwa aus mangelnder Wertschätzung, sondern aufgrund akuter Wärmeabstinenz am Dienstagnachmittag von Rom nach Marrakesch weiterzureisen. Während dem Landeanflug füllten wir die Anmeldekarte aus, ehe die Passkontrolle zur Geduldsprobe avancierte. Nach langer Zeit wurden wir schliesslich durchgewunken und es hiess wieder einmal „Welcome to Africa“! Die Taxifahrer liessen wir routiniert stehen und nahmen stattdessen den Bus, der direkt vor der Strasse zu unserem Hotel eine seiner Haltestellen hatte.
Zu Marokko spare ich mir ein tägliches Resümee und lasse stattdessen die Bilder in der Slideshow weiter unten sprechen. Ein kurzes Gesamtfazit möchte ich euch aber nicht vorenthalten:
Ich muss ehrlich sein. Nordafrikaner gehören nicht zu den Landsleuten, die mir von Grund auf sympathisch sind. Jenes Vorurteil gilt es nach diesen Ferien zumindest zu gewissen Teilen zu revidieren. Klar, der Tourismus ist für die Einwohner Marokkos die Haupteinnahmequelle und wir sind ausserhalb der Saison unterwegs. Dennoch hatte ich mir die Händler in der Medina deutlich aufdringlicher und unfreundlicher vorgestellt. Kommen wir damit zur Hauptattraktion, den Suks. Jenen Märkten, die sich nach dem Passieren des Hauptplatzes «Djemaa el Fna» in alle Richtungen schier endlos erstrecken. Hier wird einem einfach alles angeboten. Wer will, kauft sich die neuesten Fälschungen von Louis Vuitton, Chanel oder Gucci, nippt an köstlichem Fruchtsaft oder sieht einem der vielen Schlangenbeschwörer dabei zu, wie er mit seinem nervtötenden Blasinstrument die Reptilien penetriert. Auch verkleidete Affen müssen im marokkanischen Sonnenschein für Touristenfotos (mit anderen Affen) herhalten. Zusammen mit den Chamäleons und Schildkröten sowie den Tierfellen kein schöner Anblick für meine tierliebende Freundin. Auch die abgemagerten Pferde an den Kutschen und Lastesel hinterlassen einen traurigen und bemitleidenswerten Eindruck.
Doch die Königsstadt mit ihrer knappen Million Einwohnern weiss auch zu entzücken. So serviert beispielsweise das Café Kif-Kif, unweit vom Marktplatz, geniale Brownies und den besten Pfefferminztee, wie auch das Restaurant Le Jardin inmitten der verwinkelten Gassen der Medina. Ein Geheimtipp – nicht nur auf kulinarischer Ebene – ist das lokale Fotomuseum, das nebst eindrücklichen Fotografien in Sepiatönen auch mit einer Dachterrasse mit Blick über die Stadt und dem sich dahinter erhebenden Atlas besticht. Natürlich sind auch die Restaurants im Zentrum für das Beobachten des Markttreibens interessant, hier sollte der Besucher für einen guten Platz aber etwas mehr Zeit einkalkulieren. Wer sich in einer solchen Gaststätte verköstigt, kommt an Couscous, Omeletten oder an der typischen Tajine, einer Art Schmorgericht, nicht vorbei.
Die Hauptsehenswürdigkeiten bilden das Koutoubia Minarett und die Moschee Ben Youssef. Nichtmuslimen wird der Zugang zur Moschee verwehrt, dafür ist die nebenanliegende Medersa betretbar. Hier, wie auch im Musée de Marrakech oder im Palais de la Bahia, dominieren farbige Mosaikmuster. Vor allem gegen Abend hin füllt sich die Stadt und ihr Zentrum mit immer mehr Leuten, die viele Kleinigkeiten verkaufen. Was mich am Besuch in Marokko am meisten überraschte, waren allerdings die sich widersprechenden moralischen Grundwerte wie der Alkoholkonsum oder die Verschleierung der Frau.
Ein Fussballspiel in Marokko und damit Länderpunkt Nr. 29 besass zwar nicht oberste Priorität, sollte aber, wenn mit kleinem Aufwand doch gerne realisiert werden. Da sich das Ligasystem undurchsichtig präsentiert und Spieltermine erst zwei Tage vor Anpfiff auf der Verbandsseite ohne Austragungsort veröffentlicht werden, war das Ganze keine leichte Aufgabe. Eine zusätzliche Schwierigkeit bestand in der Tatsache, dass mit Kawkab der grösste Verein aus Marrakesch ein Auswärtsspiel bestritt. Laut Verband sollte aber ein Verein namens «Olympique de Marrakech» am Samstag ein Heimspiel austragen. Nun galt es einzig noch den Austragungsort herauszufinden. So liefen wir zum nahegelegenen Stadion El Harti, wo wir zur eigenen Überraschung im integrierten Sportministerium landeten. Bei meinem Anliegen konnte die nette Dame allerdings nicht weiterhelfen und verwies uns an die Geschäftsstelle von Kawkab, die sich in Gehnähe befinde – eine unauffällige Eisentür mit der Aufschrift «KACM». Wir klingelten und wurden hereingeboten. Hier klärte man mich über das (mir bereits bekannte) Auswärtsspiel von Kawkab auf. Um meinem Anliegen dennoch gerecht zu werden, scheuten die beiden Herren aber keine Mühe und telefonierten eifrig mit Kollegen. Tatsächlich konnte sie mir kurze Zeit später ein Spiel im Stadion El Harti für Samstag um vier Uhr. Die Informationsasymmetrie mit dem Anpiff um 14 Uhr laut Verbandsseite fügten wir als Teilinformationen von beiden Quellen zusammen und standen am Samstag um 14 Uhr vor dem Stadion El Harti.
Als wir zum besagten Zeitpunkt am Stadion aufkreuzten, pfiff der Schiedsrichter zu meiner grossen Freude soeben die Partie zwischen Olympique Marrakech und Chabab Houara an, was Länderpunkt Nr. 29 und Kontinentalpunkt Afrika bei Drittligafussball auf künstlicher Unterlage bedeutete. Wie die ganze Stadt kommt auch das Stadion in hellem Rotton daher, der bei Sonnenschein und die Wärme zu konservieren scheint. Die alte Heimat von Kawkab war am heutigen Tag mit gut 200 Zuschauern nur spärlich gefüllt. Die Anwesenden sahen bereits in der Anfangsphase mit dem 1:0 den einzigen Treffer der Partie. Überraschenderweise waren unter den Zuschauern auch gut vierzig Fans aus Ouled Teima, die trotz zartem Alter mit neuen Melodien und erfrischendem Support glänzten. Speziell zu erwähnen gilt es die Tatsache, dass meine Freundin die einzige Frau im Stadion war und daher vermehrt gemustert wurde. Der Eintritt war übrigens kostenlos, sodass wir die einzigen marokkanischen Dirhams an diesem Nachmittag für zwei Kokosmakronen ausgaben.