Mit seiner rosaroten Farbe wirkte es zwischen den Exemplaren von Real Madrid oder Juventus – damals noch mit Namen wie Zidane oder Trezeguet bestückt – wie ein Fremdkörper. Das Trikot der US Palermo faszinierte mich und gehörte Patrick, meinem damaligen Trainer in der E-Jugend eines Ostschweizer Dorfvereins. Ein gutmütiger und ob seinen sizilianischen Wurzeln überraschend ruhiger Typ, der mein beschränktes fussballerisches Talent lange vor mir erkannt hatte und mich deshalb meist zum Alleinunterhalter der Ersatzbank degradierte.
Zu dieser Zeit hatten die Süditaliener noch regelmässig im Europacup gespielt. Im letzten Jahrzehnt befanden sich die «Aquile» allerdings im Sinkflug, der 2019 im Zwangsabstieg und der herben Bruchlandung in der viertklassigen Serie D endete. Der Klub aus Palermo gründete sich daraufhin neu und ist spätestens seit der Übernahme vor zwei Jahren durch die City Football Group, die 80% der Anteile hält, aus sportlicher Sicht wieder ein ambitionierter Zweitligist. Lediglich die Stahlträger unter den Tribünen erinnern weiter eher an die Zeche Zollverein als an einen europäischen Spitzenklub. Im Innern fehlen den meisten Sitzschalen die Beschriftung, sodass das sizilianische Temperament bei der Platzwahl zutage tritt, während sich im Hintergrund ein Moderator eines lokalen Radiosenders zu Tanzeinlagen und Aussagen wie «Facciamo lo Renzo Barbera la discoteca più grande del mondo» hinreissen lässt.
Dieses fragwürdige Rahmenprogramm hätte Palermo gar nicht nötig, ist hier doch eine lautstarke Fanszene zuhause, wenn auch an drei unterschiedlichen Standorten: Das grösste Stimmungszentrum liegt im Oberrang der Nordkurve, die nach «Totò Rambo» benannt ist. Der einstige Anführer der historischen Gruppe «Warriors» hiess mit bürgerlichem Namen Salvatore Nocilla und hatte die Fankultur in Palermo bis im Sommer 2022 geprägt, ehe er einer schweren Krankheit erlag. Die zweite illustre Figur in diesem Sektor ist Johnny Giordano, Gründer der ebenfalls historischen «Brigate Rosanero» und Mittelsmann der sizilianischen Unterwelt. Heutzutage tritt mit den «Ultras Palermo 1900» sein Zusammenschluss gemeinsam mit der «Curva Nord 12» im Oberrang auf und pflegt eine Freundschaft nach Padova. Die Kontakte zum Pfalz Inferno aus Kaiserslautern sind durch den steten Umbruch der letzten Jahre hingegen eingeschlafen.
Weiterhin aktiv ist die Freundschaft zwischen der optisch ansprechenden «Curva Nord Inferiore» im Unterrang und den Vertretern der Brigata Tifosi des niederländischen Zweitligisten De Graafschap. Gegenüber, direkt hinter dem Tor, hat sich mit den «Non-Tesserati» der Curva Sud ebenfalls ein kleiner Stimmungsblock gebildet, der zum Einlauf der Mannschaften Böller und Pyrotechnik zündet. Eine vierte Fanschar fehlt diesem Playoff-Duell nur deshalb, weil der Zutritt für Gästeanhänger auf Inhaber einer Tessera del tifoso aus Ligurien beschränkt wurde. So boykottierten die Ultras von Sampdoria das Auswärtsspiel und verabschiedeten ihr Team stattdessen bereits am Vortag in Genova.
Ohne die Unterstützung von den Rängen taten sich die Gäste schwer und überliessen den Sizilianern früh das Spielgeschehen. Diese wussten die Überlegenheit unmittelbar vor und nach der Pause in ein Tor umzumünzen, sodass die 32’730 Zuschauer zum Schluss mit dem 2:0 das souveräne Weiterkommen ihrer Mannschaft beklatschen durften. «Pädy» hätte sich darüber sicher gefreut.