Fussballfans kennen dieses ganz bestimmte Kribbeln im Bauch. Eine Art positive Anspannung vor einer wichtigen Partie oder einem Spielbesuch mit dem eigenen Team in einer fremden Stadt. Auch ich hatte diese spezielle Gefühlsregung schon oft durchlebt, etwa als Aussenstehender bei Lokalduellen in Osteuropa oder bei Auswärtsspielen mit meinem Lieblingsklub. Doch diesmal war es anders. Das erste Mal nämlich schien dieses mulmige Gefühl meine gesamte Vorfreude zu ersticken.

Erst die Tage in Malang, die ich für eine Reportage rund um die Auswirkungen der Kanjuruhan-Tragödie genutzt hatte, liessen mich erkennen, mit welcher Bedenkenlosigkeit ich zuvor bisweilen in Indonesiens Stadien unterwegs gewesen war. 135 Menschenleben hatte jenes schicksalhafte Aufeinandertreffen zwischen Arema Malang und Persebaya Surabaya am 1. Oktober 2022 nach einem unkoordinierten Polizeieinsatz gefordert.

Danach fiel die indonesische Fanlandschaft in eine von Trauer geprägte Schockstarre. Sämtliche Spiele – darunter auch das für den 2. Oktober angesetzte West-Java-Derby zwischen Persib Bandung und Persija Jakarta – wurden abgesagt. Doch nur rund hundert Tage sollten ins Land ziehen, ehe die indonesische Liga bereits wieder zum Alltag mit Zuschauern überging – noch bevor in Malang der Prozess gegen die fünf Angeklagten überhaupt erst begonnen hatte.

Von «Usut Tuntas», einer vollständigen Untersuchung, wie sie in Malang von Fans an vielen Strassen- und Häuserecken oder am Ort der Tragödie selbst gefordert wird, keine Spur.

Düstere Vorzeichen

Als Generalprobe für die Rückkehr der Fans fungierte nun – nebst zwei unbedeutenden Partien am gleichen Spieltag – ausgerechnet das Duell zwischen den beiden Erzrivalen Persib und Persija. Dazu kam mit dem Lautan-Api-Stadion in Bandung eine Ausweichspielstätte, in welcher erst im Juni 2022 zwei Fans an überfüllten Stadioneingängen bereits den Tod gefunden hatten. Am meisten Sorgen bereitete mir aber das unübersichtliche Voucher-System, mit dem der Klub die alten Tickets kurzerhand für ungültig erklärt und parallel dazu einen neuen Verkauf lanciert hatte.

Als wären diese Vorzeichen nicht schon bedrohlich genug, geisterte ein Bild von einem versöhnenden Treffen von Persibs Fananführern mit Abi Irlan, dem Capo von Persija Jakarta, durch die sozialen Medien. Auch die Information allfällig anreisender Gästefans machte die Runde – etwas, das es in Indonesien bei Risikospielen seit über einer Dekade nicht mehr gegeben hatte.

So war ich hin- und hergerissen, entschied aber dennoch, kurzfristig meine Reisepläne umzukrempeln und per Nachtzug quer durch Java nach Bandung zu reisen. Tobi von Football Fans Asia hatte dankenswerterweise bereits den Kontakt zum Klub aus der zweitgrössten Stadt des Landes hergestellt.

Ein erstes Indiz, dass die Behörden die Ausgangslage tatsächlich ernst nahmen, war die kurzfristige Verschiebung in die Nachmittagsstunden gewesen, um unübersichtliche Situationen unter Flutlicht zu verhindern. Auch die rigiden Kontrollen an den zwei Sicherheitsringen sowie bewaffnete Einsatzkräfte vor jedem Eingang zeugten von einer handfesten Polizeistrategie, wie ich sie in Indonesien zuvor noch nie erlebt hatte.

Offiziell fanden gar nur 21‘257 Zuschauer Zutritt ins Rund, sodass die Spielstätte lediglich etwas mehr als zur Hälfte ausgelastet war. Allfällige Persija-Anhänger waren – trotz angeblicher Versöhnung – keine zugegen, was angesichts der vielen Botschaften gegen den Rivalen aus der Hauptstadt ein vernünftiger Entscheid war. So hielt auch dieses Derby den obligaten Penaltypfiff zugunsten des Heimteams zur Beruhigung der Massen bereit. Der deutsche Trainer Thomas Doll und Landsmann Hanno Behrens in den Reihen Persijas tobten verständlicherweise, sahen die Gerechtigkeit aber zumindest vorerst in der Parade ihres Goalies wiederhergestellt. Das entscheidende 1:0 zugunsten Persibs fiel in der 2. Halbzeit nach einem Zweikampf mit grosszügiger Regelauslegung allerdings nicht minder umstritten.

Viele Köche verderben den Brei

Auf den Rängen widmete mit dem «Viking Persib Club» die älteste Fangruppierung des Landes (1992) dem indonesischen Klassiker eine Choreografie. Nach dieser optischen Aktion war es aber die Nordtribüne, wo mit der «Northernwall» ein noch junger Zusammenschluss die Stimmungshoheit fortan inne hatte. Wie so oft kochen auch in Bandung die verschiedenen Gruppen (VPC, NW, Ultras, Bomber) innerhalb der «Bobotoh» – wie sich die Anhänger Persibs nennen – ihren eigenen Stimmungsbrei, sodass erst das gemeinsam gesungene «Persib Road» das riesige Potenzial einer geeinten «Flower City» erahnen liess.

Kurz nach dem Schlusspfiff kehrte das mulmige Gefühl in meine Magengegend zurück, das ich am Beitragsanfang beschrieben hatte. Diesmal aber war der Grund dafür die beachtliche Geschwindigkeit mit dem das Motorrad unterwegs war, auf dessen Rücksitz ich Platz genommen hatte. Trotz vom Monsun überschwemmten Nebenstrassen brachte mich Persibs Pressechef höchstpersönlich sicher zurück zum Bahnhof, wo ich kurz darauf den Nachtzug nach Jogjakarta bestieg.