Mit dem Schlusspfiff in Bekasi am frühen Sonntagabend ist die Reise nach Kediri, das am anderen Ende von Java liegt, lanciert. Meine Route führt mich dabei zuerst zurück nach Jogjakarta, von wo aus ich frühmorgens den Zug in Richtung Osten besteige. Einige PSIM-Fans, welche die fünfstündige Anreise ebenfalls per Zug bestreiten, beantworten sogleich meine innere Frage, ob das Spiel mit Gästeanhängern über die Bühne gehen wird.

Kediri hat rund 250’000 Einwohner und erlangte vor allem durch die dort ansässige Zigaretten- und Zuckerindustrie nationale Bekanntheit. Der lokale Fussballverein Persik spielt nur eine untergeordnete Rolle. Irreführend ist diesbezüglich die Tatsache, dass bei den Trikots des Zweitligisten seit einigen Jahren die Farbe Violett dominiert, das Logo jedoch fälschlicherweise eine Kombination der Farben Rot und Schwarz vermuten lässt.

Zurück in die Nachmittagsstunden an diesem Montag, eine nicht unübliche Anspielzeit in Indonesien, zumal sich vielerlei Fans bei Spielen ihres Vereins gleich für den ganzen Tag eine Auszeit gönnen. So lungern schon weit vor Anpfiff zahlreiche Blau-Weisse um das Stadion. Seit mich in Madiun ein Fan von Persis Solo mit Sleman in Verbindung bringen konnte (wohl durch eine Erwähnung auf Twitter – in Indonesien das soziale Netzwerk schlechthin), bin ich etwas paranoid geworden. Diese Vorsicht ist zumindest heute angemessen, herrscht zwischen PSIM und PSS, im Gegensatz zum entspannten Verhältnis gegenüber Persis, purer Hass.

Mit Öffnung der Eingänge wird schnell klar, dass der angedachte Gästebereich für die Unterbringung der zweitausend Gästeanhänger nicht ausreichen wird. Entsprechend wird die Hälfte der Haupttribüne für Blau-Weiss geräumt, die sich mit Anpfiff ebenfalls als brechend voll und mit zahlreichen Bannern zugehangen präsentiert. Gegenüber sorgt die lokale Mania mit rhythmischen Gesangseinlagen für Südamerika-Feeling im Rund.

Auch die junge Ultra-Abordnung mit dem Namen „CyberXtreme“, die sich die Kurve von Sleman zum Vorbild genommen hat, zeigt sich von ihrer besten Seite und überzeugt mitunter durch eine schöne Choreografie. Spannend ist nebst dem respektvollen Umgang mit dem Gast aus Jogjakarta die Tatsache, dass im Kern des Blocks eine Vielzahl junger Frauen aktiv an der Unterstützung der eigenen Mannschaft teilnehmen. Alles deutet auf einen ganz normalen Fussballnachmittag vor offiziell 9’699 Zuschauern hin. Auf dem Feld entscheidet ein Doppelschlag in der zweiten Hälfte den Spitzenkampf mit 2:0 Toren zugunsten der Gastgeber. Mit Anbruch der Schlussphase schlägt die Stimmung bei den PSIM-Anhängern allmählich um. Die beiden Gonzalez-Bodyguards werfen sich vielsagende Blicke zu und auf den Rängen werden die gesanglichen Freundschaftsbekundungen von den Gästefans nicht mehr erwidert.

In der Nachspielzeit passiert es schliesslich direkt vor meinen Augen. Eine Flasche fliegt aus dem Gästeblock in den angrenzenden Heimbereich. Es ist das Zeichen, der Startschuss zu verheerenden Ausschreitungen. Zuerst sind es Flaschen, später faustgrosse Steine, die den Vertretern beider Fanlager gefährlich um die Ohren pfeifen. Die Polizei ist heillos überfordert und reagiert, auch nachdem vereinzelt Leute den Innenraum entern, äusserst unkoordiniert. Die Partie wird frühzeitig abgebrochen und die Spieler flüchten in die Katakomben. Eine Zeit lang beobachte ich das Treiben und versuche waghalsig diese Momente der Gewalt fotografisch festzuhalten, ehe ich mich zur eigenen Sicherheit ebenfalls in den Spielertunnel zurückziehe. Hier liegen mehrere junge Männer mit groben Kopfverletzungen am Boden, die von den beiden Mannschaftsärzten medizinisch erstversorgt werden.

Um den Helfern mehr Platz zu bieten, werde ich zusammen mit den restlichen Funktionären nach draussen gedrängt. Hier präsentiert sich die Lage noch unübersichtlicher als im Stadioninnern – an Aufnahmen war nun nicht mehr zu denken. Im Gegenteil: Einzig mit einem Sprung über eine Mauer und dem Sturz in ein Flussbett kann ich mich zwischenzeitlich in Sicherheit bringen. Schürfwunden sind mir allemal lieber, als zwischen die tobenden Fronten zu geraten. Weder die Polizei, die mittlerweile mit scharfer Munition in den Abendhimmel schiesst, noch der Status als Europäer hilft in diesem Moment. Es herrscht ein Gewaltpotenzial, wie ich es selbst als geübter Kurvengänger noch nie erlebt habe.

Es vergeht viel Zeit, ehe ich weiter vorne von Heimfans aus dem Graben hochgezogen werde und mich aufgrund der unübersichtlichen Lage rund um das Stadion für die Rückkehr zum Bahnhof entscheide. Auf der Heimfahrt vernehme ich aus Sleman-Kreisen die Neuigkeit, dass Kediri-Fans die Gästefans weiterhin an der Heimfahrt blockieren. Damit ist die indonesische Fanlandschaft um ein trauriges Kapitel und eine Feindschaft reicher.

Abschliessend eine Zusammenfassung zu den Geschehnissen rund um das Spiel in Kediri, wie sie von der lokalen Presse (Surya Malang, Antara News, Merdeka und Tribun News) im Nachhinein wiedergeben wurden. Ich übernehme keinerlei Verantwortung bezüglich der Richtigkeit und Tragweite dieser Zeilen.

Am Ende der zweiten Halbzeit kam es zu Auseinandersetzungen der beiden Fanlager. Es wird angenommen, dass der Auslöser geworfene Objekte aus dem Gästepublikum war, die von den Ergebnissen des Spiels enttäuscht waren. Daraufhin hat ein Rückwurf stattgefunden, bis sich der Kampf ausweitete. Das Zusammentreffen setzte sich dann außerhalb des Spielfeldes fort. Der Mob griff sogar Offiziere an, die versuchten, die Situation mittels Warnschüssen, Feuerwerkskörpern und Steinen zu kontrollieren. Neben Molotow-Cocktails sowie Flaschen mit Benzin und Pertalite-Treibstoff wurden verschiedene Waffen wie Schwerter und Langmesser, Sicheln, Baseballschläger, Eisenstangen und Ketten beschlagnahmt.

Ein Grossteil der PSIM-Fans wurde in den nahegelegenen Park getrieben und eingeschlossen. Sie blieben dort, um Sicherheit von der Polizei zu bekommen, bis die Lage absolut sicher ist. Der Bürgermeister von Kediri, Abdullah Abu Bakar, der vor Ort war, forderte die Heimanhänger auf, nach Hause zu gehen. Die Polizei schoss in die Luft, um die Massen zu zerstreuen. Das indonesische Rotkreuzteam (PMI) der Stadt gab bekannt: „Ungefähr hundert Menschen wurden verletzt, mehrere Todesopfer. Sie erlitten Rippenquetschungen, Blutergüsse und Wundrisse.“

Währenddessen wurden Autobesitzer, deren Autos Opfer von Molotow-Cocktails, scharfen Waffen und Baseballschläger wurden, von Offizieren befragt. Bis am späten Abend sind die Bedingungen auf der Jalan Ahmad Yani in der Stadt Kediri weiterhin ungünstig, da immer noch Hunderte Persik-Anhänger vor dem Tor des Tirtoyoso-Parks auf die Heimfahrt der Gästefans warten. Die Blockade der Menschenmenge war auch nicht förderlich, weil die Wasserwerfer der Polizei von der Menge mit Steinen beworfen und an der Weiterfahrt gehindert wurden. Weiter geht hervor, dass am frühen Morgen mindestens 200 weitere Motorräder im Tirtoyoso-Park von Wutanfällen heimgesucht wurden. Neben Motorrädern kippten auf dem Parkplatz im Osten des Parks drei Autos um, die angeblich PSIM-Anhängern gehören. Zudem wurden Freizeitparkeinrichtungen beschädigt.