Weil das in Indonesien seit der Kanjuruhan-Tragödie verhängte Verbot für Gästefans auch für die Partie zwischen Sleman und Barito Putera (einem kleinen Klub aus Borneo) im nahegelegenen Exil in Bantul greift, steht einem dreitägigen Roadtrip mit Führungsleuten der Brigata Curva Sud (BCS) als Alternative nichts im Weg. Nebst Radhifan, der am Vorabend nach den zuletzt schlechten Leistungen mit dem PSS-Captain noch ein Hühnchen gerupft hatte und aufgrund seiner Statur von allen nur «Kebo» (Büffel) gerufen wird, sind Fahrer Tito, der als Mittdreissiger die alte und junge Generation verbindet, und Nanda mit von der Partie, der von Tito angelehrt wird und schrittweise in dessen Fussstapfen tritt. Zumindest im Strassenverkehr hoffe ich jedoch nicht, dass er Tito nachzuahmen versucht. Dieser treibt den Toyota Avanza immer wieder hochtourig und lässig rauchend links an der stehenden Kolonne vorbei über die staubigen Schotterpisten in Richtung Kudus.
Dennoch erreichen wir die 100‘000-Einwohner-Stadt im Norden der Insel Java sicher und früh genug, damit es mir noch zu einem Stadtrundgang reicht. Die starke islamische Prägung lässt sich hier primär anhand der grossen Moschee erkennen, welche die einzige klassische Sehenswürdigkeit darstellt. Wie so oft in wenig touristisch erschlossenen Regionen Indonesiens bietet das Alltagsleben in den Seitengassen daneben aber mehr Unterhaltung, während der Rest der Reisegruppe mit Schnapsflaschen bewaffnet im Hotelzimmer die Vereidigung des neuen Präsidenten Prabowo Subianto verfolgt. Als ich dort eintreffe, hat sich die BCS-Sektion Kudus zum Trio gesellt. Meinen Wunsch, mich nach dem europäischen Abendessen vom Vortag (im Anschluss an einen weiteren Spielbesuch bei Persis Solo) doch bitte nicht wie einen Backpacker zu behandeln, nimmt die Gruppe beim Wort und schleppt mich stattdessen zur Markthalle. Hier gibt es definitiv lokales Essen und ich muss kurz wegblicken, als ich einige Ratten die Dachrinne entlangrennen sehe. Mit Tahu, Tempeh, Kailan, Nasi Pecel und Lumpia Sayur sowie dem Saft einer frischen Degan ist man als Tierliebhaber aber sowieso oftmals auf der sicheren Seite.
Der Grunddurchgang der zweiten Liga wird in dieser Saison in drei Gruppen ausgetragen. Zur zweiten Staffel zählt auch Persiku Kudus, das mit dem Tabakkonzern «PT Djarum» einen lokalen und finanzstarken Unterstützer aufweist, stammt doch Gründer Budi Hartono aus der Region und gewährleistet über suchtmittelferne Subunternehmen – ähnlich wie bei Como Calcio – den nicht versiegenden Geldfluss. Die Partie gegen den Klub aus Jogjakarta ist für den Aufsteiger ein Highlight, weist PSIM nebst einer grossen Historie doch auch einen berüchtigten Anhang auf. Dies macht den Tag für unseren Fahrer Tito nicht gänzlich ungefährlich. Zwar gönnen sich die rivalisierten indonesischen Fanszenen seit dem Stadionunglück im Oktober 2022 eine Verschnaufpause, dem Anführer des Erzfeindes fern seiner Heimat über den Weg zu laufen, würden aber wohl auch sie nicht ungenutzt lassen.
Keine Gefahr geht hingegen von den heimischen «Suporter Macan Muria» aus, die sich bei der Namenswahl von einem nahegelegenen Vulkan und beim Wappen von einem Tiger inspirieren liessen, wie auf einer schönen Zaunfahne ersichtlich ist. Als beim Anpfiff eine kleine Gruppe an PSIM-Fans ins Stadion drängt, zeigt sich die Raubkatze aber harmlos und überlässt den Gästen kampflos den Rand ihrer Tribüne. Im Verlauf des Spiels bahnen sich weitere Anhänger aus Jogjakarta den Weg auf die Ränge, sodass der letzte Torjubel Gästefans an fünf Standorten – ausser im geschlossenen Gästesektor – lokalisieren lässt. Der Grossteil von ihnen hatte in der Halbzeitpause die Eingangskontrollen überlaufen und damit die eigene Anreise legitimiert. Dieser Realität sollte besser auch Verbandschef Erick Thohir ins Auge blicken, will er das Risikopotenzial in indonesischen Fussballstadien tatsächlich nachhaltig reduzieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Solidarität unter den beiden Fanlagern, boten vor der Partie doch einige Persiku-Fans den PSIM-Anhängern ihre Ausweise für den Abgleich am Stadioneingang an.
Auch auf dem Rasen zollen die heimischen Akteure der Gegenseite (zu) viel Tribut. Die defensive Ausrichtung bewahrt Persiku jedoch nicht vor einer 0:5-Pleite, die auch in der Höhe verdient ausfällt. Dies bestätigt nicht nur die Körpersprache von Seto, dem ehemaligen PSS-Trainer im Dienst von PSIM, sondern auch der Zynismus der Heimfans, die – um die eigene Vereinsführung zu verärgern – plötzlich anfangen, PSIM-Fangesänge zu intonieren. Zuvor war die Stimmung unter den 5178 Zuschauern aufgrund des Spielverlaufs und der lange Zeit abwesenden Gästeanhänger eher bescheiden ausgefallen.