Pogon was? Zugegeben mir ging es zu Beginn nicht anders, als ich das erste Mal vom polnischen Erstligisten gehört hatte, der unweit der deutschen Grenze im Nordwesten des Landes beheimatet ist. Der deutsche Name für die Stadt, die man „Schchechin“ ausspricht ist mit Stettin übrigens etwas leichter und kürzer anzuhören. Die Seehafenstadt liegt an der Oder und der vergessene russische Reformer Nikita Chruschtschow ist Ehrenbürger des heutigen Austragungsortes. So viel erfuhr ich bei der kleinen Recherche, bevor man aus dem Hotel in Poznan auscheckte und sich in Richtung Zungenbrecher-Stadt verabschiedete. An die etwas mehr als drei Stunden lange Fahrt habe ich keine Erinnerungen mehr, soll heissen, dass ich die ganze Fahrt aufgrund einer langen Nacht verschlafen hatte und auch sonst unterwegs nichts Erwähnenswertes geschah, was mich aus dem Träumen hätte reissen können.

Bei der Ankunft sticht einem jedem Besucher wenn er aus dem Bahnhof tritt erstmal ein imposantes Graffiti des örtlichen Fussballvereins in die Augen. Für uns ging es aber zunächst in die andere Richtung zur Innenstadt, wo eine Art Flohmarkt im gange war. Für die Liebsten zuhause noch kurz ein Souvenir gesichert, ehe man nach weiteren Sehenswürdigkeiten Ausschau hielt. Da diese hier offenbar aber relativ rar gesäht sind, fand man sich schon bald zur Nahrungsaufnahme in einem bekannten Schuppen mit dem Kürzel KFC wieder, der vor allem für uns Schweizer beinahe schon als kulinarische Sehenswürdigkeit abgetan werden darf, zumal man es uns in der Heimat vorenthält, einer dieser Ketten für gebratene Hühnchen finanziell unter die Arme greifen zu dürfen.

Die Stadt zusammen mit ihren Ballungsraum doch von ordentlicher Grösse, was jedoch auch nicht weiterhelfen konnte, dass sie vom Sehenheitswert her auf dem letzten Platz bezüglich den besuchten polnischen Städten landete. Nach dem Essen drängte Mirko schon bald darauf, zu Fuss den Weg zum Stadion in Angriff zu nehmen, wobei mir das Ganze bei einer Anspielzeit von 15:30 Uhr doch noch etwas früh vorkam. Im Nachhinein ist man aber immer gescheiter und so gilt es dem deutschen Kollegen rückwirkend meinen Dank auszusprechen. Vorbei an rauchenden Kaminen mitten auf der Strasse (ehrlich!) lief man also in gut 45 Minuten einmal quer durch die Stadt zum Stadion Florian Krygier, einem polnischen Trainer der lange Zeit selber im Verein aktiv war und hier auch sein irdisches Dasein beendet hatte. Mit der nach ihm benannten Spielstätte wird ihm nun also auf beliebtem Wege Tribut gezollt.

Und bevor man diese wirklich sehenswerte Anlage betreten durfte, musste man erneut das Karta-Kibica-Prozedere über sich ergehen lassen, was zu allem Überfluss noch deutlich länger dauerte als zwei Tage zuvor in Krakau. Dies auch der Grund, dass ich Mirko für das Drängen am frühen Nachmittag dankbar war.

Aber auch kein Wunder, dass sich die Abfertigung derart in die Länge zieht, wenn irgendwelche Module zusammen mit ihren Kraftsportlerkollegen nach vorne drängeln. Da sagt man halt besser nichts. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, oder in dem Falle wohl eher Goldzahn. Irgendwann kam man dann aber doch noch an die Reihe und staunte nicht schlecht, als man den Eintrittspreis von einem polnischen Zloty auf dem Ticket stehen sah. Zur Erinnerung; vier Zloty entsprechen ziemlich genau einem Franken, wobei wir hier also von 30 Cent/Rappen Eintrittsentgelt sprechen und dies in der höchsten Spielklasse. Eine willkommene Abwechslung zu den überrissenen Preisen, die man zum Beispiel auf der Insel für den gleichen Sport zahlt.

Das Beste kommt aber noch! Für diesen Preis sassen wir nämlich nicht irgendwo, sondern schön mittig auf der Haupttribüne. Und kaum hatte man ein ebenso billiges Bier und eine sogenannte Kielbasa (Krakauer Wurst) in den Händen, wurde auch schon angepfiffen. Nach einigen Minuten stupste mich dann einer von unserem Trio zurückhaltend an und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Reihe hinter uns, wo doch tatsächlich die Kerle vom Ticketstand sitzen mussten. Na toll, da sind offiziell 8’658 Zuschauer vor Ort (hätte aber klar auf mehr getippt) und genau diese Schurken müssen sich hierhin setzen. Will ja gar nicht wissen, wie das restliche Publikum aussieht, wenn diese Freunde der dritten Halbzeit auf der Haupttribüne sitzen. Der eine von denen sah mit seinem vernarbten Gesicht und seinen äusserst weissen, wohl künstlichen Zähnen wirklich aus wie ein Serienmörder, wie mir auch Kollege Jonathan beipflichtete. Also ich hätte meinen Favoriten für die neue Joker-Rolle im Filmklassiker Batman ja gefunden.

Aus Breslau waren knapp 200 Leute dabei, kann mir gut vorstellen, dass da nur ein kleines Kontingent an Karten für die reisefreundigen Fans zur Verfügung stand, zumal die Herren ja auch im viel weiter entfernten Slowien zum Europacup-Match gegen Celje mit einem vierstelligen Aufgebot an „Fussballinteressierten“ aufkreuzten. Zu sehen bekamen sie eine ausgeglichene Partie, die wie bereits die beiden vorherigen Spiele auf äusserst überschaubaren Niveau ausgetragen wurde und deutlich unter demjenigen der heimischen Super League anzusiedeln war. Hätte indes nicht gedacht, dass man in einer ersten Spielklasse eines anderen europäischen Landes noch schlechter als bei uns spielen würde. Aber man lernt ja immer was dazu. Tore gab es wie bereits beim Krakau-Derby auf beiden Seiten eines zu verzeichnen, was zum logischen Unentschieden und dem gerechten 1:1 Schlussstand führt. Support bei beiden Supportergruppen durchaus in Ordnung.

Eigentlicher Star neben dem idealen Wetter und den tiefen Preisen war aber diskussionslos die Spielstätte. In einer Mulde als U-Form angelegt, verfügt sie über mächtige Kurven und einer nur sehr kleinen überdachten Haupttribüne. Hinter einem Tor gab es überhaupt keinen Ausbau. Erinnerte mich persönlich etwas an das Stadion im tschechischen Brno. Und deshalb ganz charmant. Vor einem allfälligen Abriss/Umbau in ein paar Jahren vielleicht ist ein Besuch wirklich zu empfehlen, allenfalls kann man das Unterfangen sogar mit einem Spiel in der deutschen Hauptstadt kombinieren, die ja nur knapp 120 Kilometer von hier entfernt liegt. In Richtung Deutschland ging es auch für Mirko, der verfrüht aufbrechen musste und schliesslich per Zug und Bus die ganze Nacht durchfuhr, nur um am nächsten Morgen wieder pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen. Teufelskerl!

Die anderen beiden „Teufelskerle“ konnten es da nach Spielschluss etwas gemächlicher angehen und so nahm man die Strassenbahn zurück ins Stadtzentrum und von da an weiter zu Fuss ans Oderufer, wo man noch etwas den schönen Sonnenuntergang mit ein paar Getränken genoss. Zumindest bis die Polizei auftauchte und mir und Kumpane Jonathan wieder die mahnenden Worte unseres deutschen Mitstreiters durch den Kopf gingen, dass in diesem Lande öffentliches Trinken von Alkohol eben verboten sei. Bereits mit meiner ersten Schmiergeldzahlung an die Staatsmacht rechnend blieb es schlussendlich doch bei einer Ermahnung und dies obwohl der eine Polizist uns am liebsten noch den Fluss geworfen hätte, derart feindlich gesinnt war er gegenüber „Eindringlingen“. So aber durfte man trocken den Zug in Richtung Berlin Gesundheitsbrunnen besteigen, wo man nach gut zwei Stunden heiterer Fahrt (das Trinken musste ja nachgeholt werden) auch eintraf. In der deutschen Hauptstadt angekommen wollte ich für das obligate Touristenfoto unbedingt noch schnell am Brandenburger Tor vorbei, was erfreulicherweise auch klappte.

Danach folgte ein unterhaltsamer Abend, bei dem sich vor allem ein gewisser Herr M. aus St. G. als unterhaltsamer Genosse in Bezug mit dem Verzehr von alkoholischen Getränken hervortat. Am frühen Morgen trennten sich dann die Wege von uns zwei, weil ich ab Schönefeld mit Easyjet zurück nach Genf flog, während mein Gefährte etwas später in Richtung Zürich abheben sollte. Kaum geschlafen erreichte man dann nach unbequemen Flug gegen 10 Uhr endlich wieder heimischen Boden und tauchte wie geplant für eine Nachmittagsschicht wieder am Arbeitsplatz auf. Groundhopping muss eben richtig weh tun.

Wie zweimal Gästeverbot auf einer sonst erfreulich verlaufenden Polentour. Einen Dank nochmals an die beiden Mitfahrer, hat Spass gemacht. Na zdrowie!