Mit Bosnien-Herzegowina verband ich vor meinem Besuch in erster Linie eine Kleinstadt namens Srebrenica. Durch die Geschehnisse rund um den Bosnienkrieg brannte sich der Name der leidgeprüften Gemeinde in den Bergen Ostbosniens unbewusst in mein Gedächtnis ein. Für mich war deshalb klar, dass während der Fahrt in den Norden des Landes ein Besuch vor Ort sowie eine Auseinandersetzung mit der Geschichte einen Programmpunkt darstellen soll.

Auch wenn die bekanntesten Kriegshandlungen in Srebrenica bei sengender Hitze im Hochsommer 1995 stattfanden, sorgen 18 Jahre später Nebel, Nieselregen sowie eine bissige Kälte für eine passende Atmosphäre, als ich unseren Mietwagen auf den Parkplatz der Gedenkstätte in Potocari steuere. Als dieses Dorf in den 90er-Jahren das industrielle Zentrum der Gemeinde darstellte, zählte eine stillgelegte Batteriefabrik zu den wichtigsten Gebäuden.

Ab Februar 1994 diente diese dem niederländischen Kontingent «Dutchbat» innerhalb der Schutztruppen der Vereinten Nationen (UNPROFOR) als Basis für die Friedenssicherung der im Jahr zuvor zur UN-Schutzzone deklarierten Gebiet Srebrenica. Traurigen Höhepunkt des systematischen Versagens der internationalen Völkergemeinschaft stellte der 11. Juli 1995 dar, als sich 25‘000 Flüchtlinge aus Srebrenica vor dem UN-Hauptquartier in Potocari einfanden. Sie alle waren vor den Truppen bosnischer Serben geflüchtet, die angeführt von Ratko Mladic unter dem Codenamen «Operation Krivaja» eine ethnische Säuberung in der bosniakisch geprägten Gegend durchführten.

Blick in menschliche Abgründe

Lediglich einem Fünftel aller Schutzsuchenden wurde Asyl geboten – einen Grossteil der Abgewiesenen liess Mladic daraufhin deportieren und an verschiedenen Standorten exekutieren. Viele Männer fielen auch während des beschwerlichen Fluchtversuchs durch die Berge Mladics Truppen zum Opfer.

Verminte sekundäre und tertiäre Massengräber, um die Gräueltaten zu verdecken und bei der Bergung noch mehr Menschen in den Tod zu reissen, geben einen Einblick, wie perfid die Aggressoren vorgegangen waren. Offiziell hat der Völkermord 8372 Menschen das Leben gekostet – noch immer werden in der von Landminen verseuchten Gegend jährlich im Juli neu geborgene Opfer auf dem Gedenkfriedhof beigesetzt.

Und doch noch Fussball …

Von Srebrenica geht es für uns im Anschluss in einer äusserst wortkargen Autofahrt entlang des Grenzflusses Drina weiter nach Bijeljina, der mit 100’000 Einwohnern zweitgrössten Stadt innerhalb der Republik Srpska. Der dort ansässige Fussballklub «Radnik» (zu Deutsch Arbeiter) hatte 2016 den Cup gewonnen, war in der Saison 2019/20 im internationalen Geschäft vertreten und gehörte in der Vorsaison immerhin noch der höchsten Spielklasse an. Heuer fristet der Klub im Mittelfeld der in zwei Divisionen geteilten zweiten Liga ein trostloses Dasein.

Passend dazu präsentiert sich das Ambiente: Lediglich 250 Zuschauer verfolgen bei Regenfall einen mageren 1:0-Heimsieg, bei dem wie bereits in Sarajevo der einzige Treffer der Partie durch einen Penalty fällt. So halten sich auch die Jubelstürme rund um die «Incident Bijeljina» nach Schlusspfiff in Grenzen. Die Fangruppe existiert seit 1995 und bietet ihrem Team nebst durchgehender akustischer Unterstützung auch wiederholt Pyrotechnik.