Was macht man, wenn die Heimat erstmals von einer Hitzewelle und Temperaturen um die Dreissig-Grad-Marke heimgesucht wird? Mit der Badehose an den nächsten Strand rennen? «Grillbieren» unter Freuden? Oder doch den wohl einzigen Ort in Europa besuchen, an dem es trotzdem regnet? Definitiv letzteres! In einer kleinen Tour sollte nämlich der Länderpunkt Irland fallen. Dieser wurde zwar bereits im letzten Jahre während des Aufenthalts in Newcastle angepeilt, die Reise fiel dann aber kurzfristig ins Wasser.

Da Irland glücklicherweise bereits zu Beginn der Saison einen Grossteil der Runden terminiert, konnte im Voraus bereits ein erstes Rahmenprogramm erstellt werden, welches neben viel Sightseeing auch ein Spiel in der Hauptstadt und im Küstenstädtchen Bray vorsah. Und so wurde am Freitagmorgen rechtzeitig der Flughafen Genf aufgesucht. Für einmal wieder alleine, was auf der Tatsache gründete, dass allfällige Interessenten solange auf eine Zusage warteten bis die Flugpreise derart in die Höhe schnellten und man schlussendlich passen musste. Aber alleine ist ja auch wieder einmal interessant. Obwohl so oft alleine war man rückblickend eigentlich gar nicht. Im Hinflug sass man nämlich neben dem kleinen Louis und seinen jungen Eltern, die ebenfalls aus Lausanne stammten. Während der acht Monate alte Jüngling mich offenbar sofort als neues Familienmitglied akzeptierte und auch sonst ein ganz cooler war (abgesehen davon, dass er mir alle zwei Minuten sein Spielzeug „liebevoll“ anschmiss) kam man mit den Eltern ins Gespräch, die mir prompt noch ein Sandwich offerierten. Dieses hatte ich auch bitter nötig. Denn eigentlich rechnete ich mit kostenlosen Bordservice, aber dem war nicht so und so konnten lediglich die bequemen Sitze überzeugen. Zwei Stunden ruhigen Fluges später, mein neuer Freund hatte überraschenderweise übrigens nicht einmal geschrien oder geweint, erreichte man Dublin. Da waren die Jungs eine Reihe vor mir schon eher nervig, die die Flugangst ihres Kollegen mit mehr oder weniger lustigen Sprüchen und anschliessendem Gelächter absichtlich noch förderten. Gute Kumpelwahl haste da getroffen…

Wenig überraschend regnete es tatsächlich auf der Insel und so hastete ich zum nächsten Busanbieter, der einem in einer guten Viertelstunde ins Stadtzentrum bringt. Im Voraus nur sporadisch nach allfälligen Sehenswürdigkeiten geforscht und dabei auch auf „The Spine“ gestossen, eine etwas sinnlose Konstruktion, den es handelt sich hierbei um eine Art Turm, der auf eine Höhe von 150 Metern von einem Durchmesser von drei Metern am Boden auf wenige Zentimeter an der Nadelspitze schrumpft. Kurz ein Foto gemacht und sich dann dem nebenanliegenden GPO-Gebäude gewidmet. Das General Post Office spielte eine bedeutende Rolle in den blutigen Unabhängigkeitsbestrebungen der Irländer. Danach ging es weiter in Richtung River Liffey, über den bereits die nächste Sehenswürdigkeit führt. Die „Half Penny Bridge“ trägt ihren Namen weil man früher jeweils eben einen gewissen Betrag zu berappen hatte um die mit weissem Geländer verzierten Brücke zu überqueren. Heute ist das aber nicht mehr so und erreichte man ohne Liquiditätsverlust den Stadtteil Temple Bar. Hier wimmelt es nur so von Pubs und entsprechendem Publikum. Da es (zumindest für meine Ansprüche) aber noch etwas früh für ein Pint war ging es nach einem Rundgang weiter zum nächsten Statussymbol Dublins. Die Molly-Malone-Statue liegt ebenfalls in Reichweite und hat einen festen Platz in jedem Reiseführer inne. Als schöne Fischhändlerin Dublins, die jung an einem unbekannten Fieber starb, mauserte sie sich irgendwie zur städtischen Bekanntheit und es gibt sogar ein Lied von ihr. Zumindest sagt es die Legende so. Jene sagt auch, dass ein Griff an ihre Brüste Glück bringen soll und so ist die metallene Stelle rund um das pralle Dekolleté der Dame dann auch recht abgenutzt. Ich selber bin aber bereits rundum glücklich und so ging es ohne „körperlichen Übergriff“ weiter in Richtung St. Patricks Cathedral. Insgesamt eine ziemlich imposante Kirche, die aber auch nur besucht wurde, weil sie auf dem Weg in Richtung Hauptattraktion des Tages war. Das Guinness Storehouse. Zugegeben, die hier hergestellte braune Brühe gehört nicht zu meinem Lieblingsgetränk aber ein Besuch drängt sich ja beinahe auf wenn man schon hier ist und für einmal den Pauschaltouristen mimt.

Und so stellte man sich vor dem Gebäude angekommen artig in die Schlange, wo man um die Wartezeit zu verkürzen mit einem jungen Schweden ins Gespräch kam. Später stellte sich heraus, dass Jonas aus Stockholm stammt, Djurgarden-Fan ist und zurzeit als angehender Kapitän auf einem Frachtschiff arbeitet. Da man sich uns auf Anhieb gut verstand entschied man die anschliessende Besichtigung gemeinsam zu absolvieren. Wer auch mal vor Ort ist sollte ab dem happigen Eintrittspreis nicht zu fest erschrecken, zumal immerhin noch ein Pint Guinness in der Gravity Bar inbegriffen ist. Jene Bar steuerte man nach einem mehr oder weniger genauem Besuch der wirklichen Braustätte und deren Geschichte auch an. Mit etwas Glück noch einen Fensterplatz ergattert, von dem man einen guten Blick über die ganze Stadt hat, ehe schliesslich der erste braune Götternektar die Kehle hinunterfloss. Hatte ich definitiv weniger appetitlich in Erinnerung.

So vergingen die Stunden und mein schwedisches Gegenüber erzählte von seiner bisherigen Reise auf See, welche ihn über Holland, Belgien, Spanien schlussendlich nach Dublin führte. Irgendwann musste man dann aber leider Schluss machen, da die Crew von Jonas noch am selben Abend in Richtung Nantes weitertuckern wollte. Da hat sich jemand bei seinem Kurzbesuch in Dublin aber Prioritäten gesetzt. Also verabschiedete man sich und Jonas sagte mir ich sollte mich melden, wenn ich mal Bock auf ein Derby in Stockholm hätte. Djurgarden – AIK, ja das wäre doch mal was…

Um nicht zu spät zu kommen (und auch aus anderen Gründen) setzte ich mich in das erstbeste Taxi, welches mich mit Halt am naheliegenden Zuhause der Pats, wie Landon, mein Taxi-Fahrer seinen Herzensclub nannte in Richtung Tallaght fuhr. Da ich ihm von meiner Leidenschaft erzählte durfte er mir sein bevorzugtes Zuhause nicht vorenthalten und fuhr mit seinem Auto sogar so hin, dass ich vom Taxidach aus ins verschlossene Stadion sehen konnte. Man stelle sich einmal vor, da steige einem ein wildfremder, angeheiterter Tourist auf das Dach der eigenen Kutsche. Wer ähnlich nette Taxifahrer kennt, bitte in die Kommentaren-Sparte unten am Beitrag. Ganz sympathisch!

Eine beachtliche Fahrtstrecke später erreichte ich endlich auch Tallaght, der Stadtteil in dem die Shamrock Rovers beheimatet sind. Gegenüber vom gleichnamigen Stadion reckte sich mein Hotel in die Höhe, was ein absoluter Glücksgriff war. So konnte ich mich nicht nur über ein sehr geräumiges und modernes Zimmer freuen sondern verfügte auch noch über einen der grössten Hotelbalkons, den ich je gesehen habe. Da hätte man ohne Probleme mit dreissig Leuten eine Grillparty schmeissen können. Und das Beste kommt noch. Mit meinem Zimmer im 5. Stock hatte ich geniale Sicht ins gegenüberliegende Stadion (Panoramabild unten) und kurze Zeit lang überlegte ich tatsächlich, mir die Partie vom Balkon aus anzusehen. Zwei Tatsachen entschieden aber dagegen. Erstens war ich mir nicht sicher ob ein Stadionbesuch und der damit verbundene Länderpunkt denn überhaupt als ein solcher „anerkannt“ wird, wenn man nicht mal die Spielstätte betreten hat. Zweiter Punkt war die Tatsache, dass ich seit dem morgendlichen Sandwich nichts mehr gegessen hatte. Ich wusste doch irgendwas hatte ich vergessen…

Also nach dem Bezahlen von zehn Euro Eintritt die Heimstätte der Rovers mit freier Platzwahl betreten und als allererstes einen Imbissstand aufgesucht, wo man sich für die Mahlzeit mit dem klangvollsten Namen entschied. „Garlic Cheese Chips“ direkt aus der vorörtlichen Gourmetküche. Oder auch nicht. So staunte ich dann nämlich nicht schlecht, als ich weniger Zeit später lediglich eine Portion Pommes getränkt in Knoblauchsauce bekam, über jene kalten Reibkäse gestreut war. Die Inseln und ihre Esskulturen wieder einmal. War aber übrigens gar nicht so schlecht wie es aussah. Danach setzte man sich auf die kleinere der beiden Tribünen, welche einem mit ihren Farben irgendwie an die Legosteine aus der Kindheit erinnern. Vor Ort an diesem windigen Abend gut 2‘100 Zuschauer, davon wohl knapp dreisteillig die Zahl der Supporter aus Longford. Auf meiner Tribüne gab es eine kleine Gruppe Heimfans mit einer „Ultras“ Zaunfahne, die neben einem Intro mit kleinen Schwenkfahnen aber eher blass blieb. Das Spiel dann von Anfang an sehr unterhaltsam und zur Halbzeit führten die Kleeblätter mit 2:1, nachdem man früh in Führung ging, sich danach aber in einer starken Phase der Gäste den Ausgleich fing, ehe man den 1-Tore-Vorsprung noch vor dem Seitenwechsel wiederherstellen könnte. Die Pausenunterhaltung ebenfalls sehr erfrischend, so gab es nicht irgendein Sinnlos-Gewinnspiel vom Hauptsponsor sondern vielmehr unterhaltsamen und lebensfreudigen Kleinfeldfussball von zwei eingeladenen Teams mit Spielern, die geistig behindert waren. Sehr sympathisch und gelungen die Aktion!

Nachdem die Jungs das Feld räumen mussten, waren die Profis wieder an der Reihe mit Abschnitt zwei. Optisch durch die beiden Trikots hätte man meinen können hier spiele Fürth gegen die Eintracht aus Frankfurt, spielerisch war es aber eher so Wattenscheid – Lotte Niveau. Tore gab es jedoch immerhin nochmals zwei zu bestaunen, jeweils auf jeder Seite eines, was zu einem knappen 3:2 Heimsieg für die Rovers gegen die sich aufopfernden Gäste führte.

Mit dem Schlusspfiff und den wenigen Schritten ins gegenüberliegende Hotel ging für mich ein Tag im Zeichen von schlechtem Wetter, rothaarigen Mädchen, Kleeblätter und ganz vielen Pubs zu Ende.